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Politik

Ströbele, ein Anwalt vom linken Rand

7. Juni 2019

Bei den Grünen, die längst in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen sind, stand er immer ganz links. Die Parteifreunde haben ihn geliebt oder waren schwer genervt, je nachdem: Hans-Christian Ströbele wird 80.

Hans-Christian Ströbele  Die Grünen
Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach

Grüner der ersten Stunde, Parteichef. Zeitungsgründer, Terroristen-Verteidiger. Fahrradfahrer. Fanatischer Asket, Anti-Alkoholiker und Nicht-Raucher. Milchtrinker, bei fast jeder Gelegenheit. Erster Grüner mit einem Direktmandat für den Bundestag. Der Mann, der Edward Snowden in Moskau besuchte.

Es gibt wenig, was Hans-Christian Ströbele nicht war oder ist. Wenn es um seine Inhalte geht, dann kann er stur sein wie kaum ein anderer. Er ist immer links, immer gegen (fast) jeden Auslandseinsatz der Bundeswehr, nur bei Afghanistan machte er eine Ausnahme.

Aber in den Achtziger Jahren war er dabei, als Sympathisanten Waffen für die linken Kämpfer gegen das brutale Militärregime in El Salvador sammeln. Hans-Christian Ströbele also, der immer auch für eine Überraschung gut war, wird jetzt 80 Jahre alt.

Dreimal direkt gewählt: Grüner Rekord

Seit 2017 sitzt er nicht mehr im Bundestag, zuvor hatte er dreimal in Folge ein Direktmandat im links-alternativen Stadtteil Berlin-Kreuzberg ergattert. Das hat bis heute noch kein anderer Grüner geschafft. Vor zwei Jahren ging er dann in Rente.

Dass man sich dies sicher nicht als Ruhestand vorstellen darf, zeigte sein jüngster Tweet zur Europawahl. Es passt einfach nicht zu diesem umtriebigen Mann. Wie sehr sich seitdem seine Partei geändert hat, wird deutlich, wenn man sich vorstellt, er würde heute noch im Bundestag sitzen: Zu den neuen, in die Mitte und Richtung Volkspartei strebenden Grünen würde die linke Gallions-Figur, die immer klar im Widerspruch zum gesellschaftlichen Mainstream stand, wohl kaum passen.

Bundeswehr und Jurastudium

Dabei war Ströbele, 1939 in Halle an der Saale geboren, von Anfang an gar kein Linker. Nach dem Abitur in Marl geht er zunächst zur Bundeswehr. Doch während seines Jura-Studiums im damals eingeschlossenen West-Berlin wendet sich das Blatt.

Verteidiger von Links-Terroristen. Ströbele (links) mit dem späteren SPD-Innenminister Otto Schily (rechts) im Gerichtssaal in Berlin, 1972.Bild: picture alliance/dpa/C. Hoffmann

Es ist die Zeit der Studentenrevolte. Seit 1969 als Anwalt zugelassen, verteidigt er Demonstranten. Und später, Mitte der Siebziger Jahre, bei den Prozessen in Stuttgart-Stammheim, sogar die Terroristen der "Rote-Armee-Fraktion", die mit Morden an Politikern und Wirtschaftsvertretern sowie Flugzeugentführungen Angst und Schrecken im Land verbreiteten. Er wird schließlich von den Richtern als Verteidiger ausgeschlossen und später sogar zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Der Vorwurf: Ströbele soll die Terroristen aktiv unterstützt haben. Er wird das sein ganzes Leben lang bestreiten.

Die "taz" und die Grünen

Rastlos geht es dann weiter: Im links-alternativen West-Berlin gründet er 1980 die linke "tageszeitung", die "taz" mit, und die "Alternative Liste", wie die Grünen in der Mauer-Stadt damals hießen. Als es kurz vor dem Mauerfall 1989 zur Bildung einer Koalition in Berliner Westteil mit der SPD kommt, gilt Ströbele als Architekt dieses Bündnisses. Der linke Vorkämpfer, pragmatisch genug, um sich auf ein solches Bündnis einzulassen.

Fahrrad, Jeans, alte Aktentasche: Der Abgeordnete Ströbele 2010 auf dem Weg zur Arbeit im Bundestag.Bild: picture-alliance/dpa

"Ströbele wählen, Fischer quälen!"

Wieder einige Jahre später, als die Grünen erstmals auch Teil einer Bundesregierung wurden und Joschka Fischer als real-politischer Außenminister Erfolge sammelte, ist Ströbele, immer in Jeans und Schlabber-Klamotten, dessen heftigster Gegenspieler in den eigenen Reihen. Er wird von den eigenen Leuten, die regieren wollen, an den Rand gedrängt.

Da entschließt Ströbele sich, auf eigene Faust in Kreuzberg zu kandidieren, getragen von seinen Partei-Anhängern dort. Und er gewinnt. "Ströbele wählen, Fischer quälen", schreibt er auf seine Wahlplakate.

Gegen Militär und Geheimdienste

Die Beteiligung der Bundeswehr an internationalen Kampfeinsätzen auf dem Balkan, von Fischer vorangetrieben, ist ihm ein Graus. Er kämpft für Bürgerrechte, lehnt eine übermäßige Überwachung auch in Zeiten des Terrors nach dem 11. September 2001 ab. Er streitet für die Palästinenser und muss sich mit dem Vorwurf auseinandersetzen, antisemitisch zu sein, was er wild abstreitet.

Mit Edward Snowden in Moskau.Bild: Reuters

Und er kritisiert die Nachrichtendienste. Bei diesem Themenfeld gelingt ihm dann - noch einmal - ein spektakulärer Auftritt. Im Oktober 2013 besucht er den US-amerikanischen Whistleblower und früheren Geheimdienst-Mitarbeiter Edward Snowden im Exil in Moskau und setzt sich für ihn ein. "Sowas schafft nur Ströbele", raunen im Bundestag Parteifreunde und Gegner, teils genervt und doch auch bewundernd.

Ein Fußballreporter als Vorbild

Ein pralles volles Leben ist das, ganz früh auch schon. Ströbele ist Neffe des berühmten Fußball-Radioreporters Herbert Zimmermann, dessen Radio-Reportage vom Endspiel um die Weltmeisterschaft zwischen Deutschland und Ungarn 1954 tief in die deutsche Seele eingebrannt ist ("Aus, aus, aus, aus! Das Spiel ist aus! Deutschland ist Weltmeister!").

Er lernt als Jugendlicher über seinen Onkel die großen Helden kennen, die auch seine sind: Fritz Walter, den noblen Kapitän, Sepp Herberger, den Weltmeister-Trainer. Bis heute verwaltet Ströbele die Tantiemen seines verstorbenen Onkels, denn dessen Reportage wird immer wieder gespielt. Und Ströbele spendet die Einnahmen, was sonst, für gute, für linke Projekte.

So wild und links sein Leben anmutet, so bürgerlich ist Ströbele privat. Seit 1967 ist er verheiratet. Und lebt in einem eher bürgerlichen Viertel Berlins, im Westen der Stadt. Eine Krebserkrankung hat er überstanden, jetzt feiert er seinen runden Geburtstag. 

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