Die Ufa wird 100 Jahre alt
17. Dezember 2017Sie steht für einige der besten deutschen Spielfilme in der Geschichte des Kinos. Sie steht aber auch für braune Propaganda und nationalsozialistisches Kunst-Verständnis. Und in in jüngster Zeit für Fernsehevents über deutsche Geschichte. Gegründet wurde die Filmproduktionsfirma Ufa offiziell am 18. Dezember 1917, in diesem Jahr wird sie 100 Jahre alt. Gefeiert wird das Jubiläum schon das ganze Jahr. Vergangenen Monat wurde im Museum für Film und Fernsehen in Berlin die große zentrale Jubiläumsausstellung über die Ufa (deren Nachfolgefirma seit den 1990er-Jahren unter dem Kürzel UFA bekannt ist) eröffnet. Im Vorfeld der Schau sprachen wir mit Rainer Rother, dem Künstlerischen Direktor der Deutschen Kinemathek, über die Bedeutung der Ufa/UFA gestern und heute.
Deutsche Welle: Die Ufa steht für sehr verschiedene Film-Epochen, Kulturen und Stile - gibt es denn überhaupt etwas, was die Filme verbindet?
Rainer Rother: Ja, ich glaube es gibt schon etwas Verbindendes, wenn man auf diese 100 Jahre zurückschaut, etwas, das nicht in jeder der Phasen gleich virulent ist. Aber dieses Streben nach Größe und Internationalität, es steht bei der Gründung der Ufa am Anfang und spielt auch bei der Wiederbelebung in den 1950er-Jahren eine Rolle. Es entwickelt sich auch zunächst langsam, als die Ufa von Bertelsmann übernommen wird, nimmt dann aber in den 1990er-Jahren Fahrt auf. Es gibt diese Gemeinsamkeit: "Wir wollen national und international bedeutsam sein!"
Die Ufa ist die bekannteste deutsche Produktionsfirma - was ist denn spezifisch "Deutsch" an der Ufa?
Vielleicht ist die Gründungsgeschichte allein schon spezifisch Deutsch: Geboren im Ersten Weltkrieg. Das bedeutet auch, dass sich dahinter bereits eine Umorientierung der offiziellen Haltung gegenüber dem Kino entwickelt hat. Denn bis zum Ersten Weltkrieg neigten die offiziellen Stellen eher der Seite der sogenannten Kinoreformbewegung zu - dass Filme sittenverderbend und gefährlich, dass nur bildende Programme unterstützenswert seien. Das ändert sich unter dem Eindruck des Films im Ersten Weltkrieg - und insofern lautet die Reaktion auf die alliierte Propaganda: "Wir wollen auch eine große Filmfirma haben."
Das ist eine spezifisch deutsche Entwicklung. Und man kann auch sagen, dass die Ufa, und das betrifft nicht nur die Ufa der klassischen Periode bis 1945, sich immer mit Blick auf das Ausland definiert hat. Als eine Firma, die explizit deutsche Stoffe aufgreift, dadurch unverwechselbar ist - und damit auch den Erfolg sucht. Erich Pommer (der bedeutendste Produzent der Ufa der frühen Phase) hat das in den 1920er-Jahren deutlich betont. Und mit Blick auf vieles, was die neue UFA heute produziert, die großen Event-Movies zum Beispiel, kann man feststellen: Da steckt auch dieses Konzept dahinter.
Wie entscheidend und charakteristisch ist die Verbindung von Politik und Kunst & Kultur für die lange Geschichte der Ufa?
Die Ufa wurde mit dem Ziel der politischen Einflussnahme gegründet. Aber es war auch immer deutlich: Es soll eine geschäftstüchtige Firma sein. Keine reine Propaganda-Institution war geplant, sondern eine Firma, die mit ihren Filmen das Publikum erreicht. Das bleibt beides prägend für die Ufa: Als sie zum Beispiel in den 1920er-Jahren die beiden Teile von "Der Weltkrieg" herstellte, geschah das in enger Fühlung mit staatlichen Stellen, in diesem Fall mit Außenminister Stresemann. Unter dem Nationalsozialismus ist diese Verbindung von Politik und Kunst ohnehin keine Frage. Dort ist die nationalsozialistische Kontrolle immens.
Die Neugründung der Ufa in den 1950er-Jahren fand die Unterstützung der Adenauer-Regierung. Auch damals wollte man wieder einen großen deutschen Film-Konzern haben. Insofern ist eigentlich erst die Periode seit der Bertelsmann-Übernahme (1964) eine, bei der man nicht mehr von staatlicher Einflussnahme sprechen kann.
Welche großen filmhistorischen Leistungen hat die Ufa hervorgebracht, welche großen Gestalten der Filmgeschichte verbindet man mit ihr?
Natürlich sind etliche berühmte Namen damit verbunden: Erich Pommer, der große Produzent. Dann am Anfang der Regisseur Ernst Lubitsch sowie Fritz Lang, Friedrich Wilhelm Murnau, Georg Wilhelm Papst, Wilhelm Thiele. Natürlich sind vor allem die großen Stummfilm-Produktionen der Ufa Mitte der 1920er-Jahre prägend - und dann die schnelle Reaktion auf das Ende des Stummfilms, die Umstellung auf den Tonfilm mit den Tonfilmoperetten. Das sind bleibende Leistungen..
In den 1950er-Jahren feierte die Ufa ein wenn auch kurzes Comeback, weniger bekannt heute, aber beachtenswert …
Ja, diese Ufa ist zwar zunächst mit Unterhaltungsware gestartet worden unter dem damaligen Chef Arno Haucke, aber es gibt einige sehr bemerkenswerte Filme, die dort entstehen. Sie besitzen etwas düsteres, sind auch fern von dem, was wir heute so leicht als Ufa-Stil bezeichnen. Wenn wir zum Beispiel an "Das Totenschiff" (1959) von Georg Tressler mit Mario Adorf und Hort Buchholz denken - oder an den großartigen Film "Schwarzer Kies" (1961) von Helmut Käutner. Das sind Produktionen, die man nicht auf den ersten Blick mit der Ufa verbinden würde: viel zu düster und nah an einer deutschen Konzeption von Film Noir.
Wie beurteilen Sie die große Welle an Events-Movies, für die die neue UFA steht?
Die ist sicherlich eine spezifische Leistung der UFA. Diese Filme gehen auf ein Publikumsinteresse zurück. Sie sind im Fernsehspielfilmbereich die Entsprechung zu dem, was die großen Dokumentationen in dem Bereich geleistet haben: Die Beschäftigung mit der deutschen Geschichte.
Das ist eine fernsehspezifische Angelegenheit in Deutschland. Nicht nur bei ARD und ZDF, auch bei "Spiegel TV" und anderen. Hier hat die UFA schon früh, z. B. mit dem Film "Der Tunnel" (2001) versucht, eine erzählerische Form zu finden, die diesem Bedürfnis, sich der eigenen Geschichte zu versichern, entgegenkam.
… und welchen politischen und auch künstlerischen "Schaden" hat die Ufa/UFA angerichtet, die Ufa der Jahre '33 bis '45 natürlich, aber vielleicht auch darüberhinaus?
Negativ zu bewerten ist natürlich ein beträchtlicher Teil der Produktionen, die zwischen '33 und '45 entstanden. Zugleich muss man konzedieren, dass die Ufa in ihren verschiedenen Phasen immer sehr stark am Publikumsgeschmack orientiert gewesen ist. Auch die "klassische" Ufa hat viel "bread and butter" gemacht. Und das gilt auch für die Fernseh-UFA, die mit "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" (seit 1992 produzierte Daily Soap) ein Format adaptiert hat, das nicht höhere Ansprüche erfüllen will, sondern das ein bestimmtes Publikumssegment bedient.
Die UFA ist in allen Fernsehformen sehr stark engagiert. Das zeigt auch die 3-Sparten-Unterteilung der UFA GmbH: UFA Fiction (Reihen & Serien, Fernsehspielfilme und Kinofilme), UFA Serial Drama (tägliche und wöchentliche Serien) und UFA Show & Factual (Unterhaltungsformate wie Shows und Dokutainment.)
Was hat der Name UFA heute noch mit der "alten" Ufa zu tun? Gibt es da überhaupt noch Verbindungen?
Ich würde sagen, dass die UFA, die die heutigen Namensrechte innehat, in ihrer Ausrichtung in Richtung größtmöglicher Vielfalt und mit dem Anspruch internationaler Konkurrenzfähigkeit, das Konzept der alten Ufa in ihrem Medium fortführt. Doch die neue UFA betont vollkommen zu Recht, dass sie nicht der Rechte-Nachfolger der Ufa ist. Die neue UFA bewegt sich in einem anderen Medienumfeld und sie entwickelt in diesem anderen Medienumfeld Antworten, die in der strategischen Ausrichtung den Antworten der alten Ufa sehr nahe sind - ohne dass sie das von der alten Ufa hätten lernen müssen.
Das Gespräch führte Jochen Kürten.
Mit der Sonderausstellung "Die Ufa - Geschichte einer Marke" zeigen das Museum für Film und Fernsehen und die Deutsche Kinemathek in Berlin die verschiedene Aspekte der Firmengeschichte auf. Die Ausstellung ist noch bis zum 22.4.2018 zu sehen.
Im Kerber-Verlag ist dazu das Buch "Die Ufa - Geschichte einer Marke" erschienen, hrsg. von Peter Mänz, Rainer Rother, Klaudia Wick, 208 Seiten, ISBN 978-3-7356-0421-7. Rainer Rother hat gemeinsam mit Vera Thomas auch den bei "Bertz & Fischer" herausgegebenen Band "Linientreu und populär - Das Ufa-Imperium 1933–1945" verfasst, 224 Seiten, ISBN 978-3-86505-255-1.