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Politik

Streik und Protest in Belarus - Ausmaß unklar

26. Oktober 2020

Die Demokratiebewegung in Belarus versucht, den Druck auf Machthaber Alexander Lukaschenko zu erhöhen - mit Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen. Dies sei erst der Anfang, so Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja.

Belarus Proteste in Minsk
Bild: TASS/dpa/picture-alliance

Nach massenhaften Festnahmen Andersdenkender am Sonntag hat die Demokratiebewegung in Belarus ihre Gangart verschärft, indem Bürger zum Streik aufgefordert wurden. In der Hauptstadt Minsk blieben an diesem Montag zahlreiche Läden und Gaststätten geschlossen.

Unter anderem gab es einen "Marsch der Senioren" durch Minsk. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters zog eine Gruppe von bis zu 3000 Demonstranten durch die Straßen. Die Teilnehmer skandierten: "Lang lebe Belarus!" Viele trugen die historische weiß-rot-weiße Fahne.

Am Protest beteiligten sich viele Rentner und Studenten, aber offenbar auch Fabrikarbeiter. Bislang ist aber unklar, welches Ausmaß der Streik landesweit hatte. Die Gegnerin von Machthaber Lukaschenko, Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja sagte in ihrem EU-Exil, dass es eine "sehr aktive" Beteiligung nach dem Aufruf zu einem Generalstreik gebe. Es hätten sich medizinisches Personal, IT-Firmen und Studenten beteiligt sowie viele Privatbetriebe. "Das ist erst der Anfang", sagte die 38-Jährige.

"Marsch der Senioren" durch Minsk: Unter den Teilnehmern Rentner, Studenten aber auch ArbeiterBild: TASS/dpa/picture-alliance

In Social-Media-Kanälen gab es Mitteilungen und Videos aus Betrieben, die sich der Streikaufforderung angeschlossen haben sollen. Während örtliche Medien von Teilnehmern aus staatlichen Betrieben berichteten, sagte eine Regierungssprecherin, bei den großen Industrie-Firmen des Landes gehe die Arbeit normal weiter.

Der Generalstreik gilt als Nagelprobe dafür, wie groß der Rückhalt der Opposition und der von Lukaschenko in der Bevölkerung ist. Die Menschenrechtsgruppe Wesna-96 berichtete von 150 Festnahmen im ganzen Land.

Blend- und Nebelgranaten 

Am Sonntag waren erneut Zehntausende Menschen für Demokratie und Menschenrechte auf die Straße gegangen. Die Sicherheitskräfte setzten zum wiederholten Mal massive Gewalt gegen Kundgebungsteilnehmer ein. Mehr als 200 Menschen wurden festgenommen. Es gab zahlreiche Verletzte, als Truppen des Innenministeriums Blend-, Nebel- und Lärmgranaten einsetzten. In einem Stadtteil von Minsk waren schwere Detonationen zu hören, wie ein Zeuge der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Ultimatum an den Staatschef: Lukaschenko soll abtretenBild: Stringer/AFP/Getty Images

"Das Regime hat den Menschen in Belarus noch einmal gezeigt, dass Gewalt das einzige ist, wozu es in der Lage ist", schrieb Tichanowskaja im Messengerdienst Telegram. Sie werde dafür kämpfen, dass in dem Land die Gesetzlosigkeit ende, versprach die prominenteste Oppositionelle, die derzeit im Exil in Litauen lebt. "Und dabei hilft uns unsere wichtigste friedliche Waffe: die Solidarität." Regierungsgegner hatten den Generalstreik schon seit Tagen vorbereitet und einen Hilfsfonds für Bedürftige eingerichtet.

Rückhalt aus Russland

Seit der Präsidentenwahl im August halten in der Ex-Sowjetrepublik die Proteste an. Nach der von massiven Fälschungsvorwürfen überschatteten Abstimmung hatte sich Lukaschenko mit rund 80 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären lassen. Die Demokratiebewegung sieht dagegen Tichanowskaja als Wahlgewinnerin. Die Europäische Union unterstützt Lukaschenkos Gegner und erkennt den langjährigen Machthaber nicht mehr als Präsidenten an. Rückendeckung erhält Lukaschenko indes aus Russland.

Hohes persönliches Risiko: Gewaltsame Festnahme auf einer Kundgebung in der HauptstadtBild: Viktor Tolochko/dpa/picture-alliance

Den Angestellten im öffentlichen Dienst und Beamten in Belarus wird immer wieder mit Kündigung gedroht, wenn sie sich gegen Lukaschenko stellen. Auch Kulturschaffende berichten, sie hätten Angst um ihre Arbeitsplätze. Tichanowskaja hatte Lukaschenko ein Ultimatum bis Sonntag gestellt, sein Amt aufzugeben, die Polizeigewalt zu beenden, politische Gefangene freizulassen und Neuwahlen anzusetzen. Erwartungsgemäß ließ der 66-Jährige das Ultimatum verstreichen.

jj/AR/ww/rb (dpa, afp, rtr)

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