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Politik

Streit über Maskenpflicht entbrannt

31. März 2020

Nach der Einführung einer Schutzmaskenpflicht in Supermärkten in Österreich wird auch in Deutschland über einen solchen Schritt diskutiert. Die Stadt Jena in Thüringen prescht bereits vor. Es gibt dabei nur ein Problem.

Zwei Frauen in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/C. Soeder

Sollen im Corona-Zeitalter alle Menschen in der Öffentlichkeit Schutzmasken tragen? Österreich macht das bei Einkäufen zur Pflicht. Und auch die thüringische Stadt Jena will nun eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum einführen.  Nach Angaben der Jenaer Stadtverwaltung soll das Tragen eines Mund-und-Nasen-Schutzes in Verkaufsstellen, dem öffentlichen Nahverkehr und Gebäuden mit Publikumsverkehr "in einer Woche" verpflichtend sein.

Die Universitätsstadt Jena mit ihren rund 110.000 Einwohnern gilt in Thüringen als ein Brennpunkt bei der Ausbreitung der Lungenkrankheit und hat inzwischen mehr als 100 bestätigte Infektionen. Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Maskenpflicht solle schrittweise umgesetzt werden. Es gehe nicht um den Eigenschutz, sondern den Schutz anderer wie Verkäufer, Busfahrer und Pfleger. Nach Jena kündigte auch der thüringische Landkreis Nordhausen eine entsprechende Verfügung an.

Wie anderndorts sind auch in Jena sonst belebte Straßen menschenleerBild: imago images/J. Schröter

Beide Kommunen folgen Österreich: Die dortige Regierung hatte eine Mundschutzpflicht unter anderem für Einkäufe in Supermärkten am Montag angekündigt.  Dabei ist der Nutzen der Masken umstritten: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht keinen Nutzen im allgemeinen Mundschutz-Tragen. Vielmehr gebe es Risiken, wenn Menschen die Masken falsch abnähmen und sich dabei womöglich infizierten.

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprechen sich derzeit gegen eine allgemeine Masken- oder Mundschutzpflicht aus. Söder sagte dazu: "Man kann nichts ausschließen." Es sei aber nun wichtig, Geduld zu bewahren und alles zu tun, um soziale Kontakte zu reduzieren. Bei guten Masken herrsche im Moment ein Engpass. Eine allgemeine Pflicht könnte wieder zu Hamsterkäufen führen.

Scholz sagte nach Beratungen mit dem bayerischen Kabinett in München, man habe weitreichende Maßnahmen zur Eindämmung des Virus beschlossen. Nun müsse man erst einmal Sorge tragen, dass diese eingehalten würden und wirkten. Die Masken, die man brauche, seien für medizinisches Personal und solches anderer kritischer Bereiche. Man müsse dafür sorgen, dass es dafür eine genügend große Zahl gebe.

"Wir brauchen hierzulande eigene Produktionen"

Scholz kündigte die Produktion von Corona-Schutzmasken in Deutschland an. "Wir brauchen hierzulande eigene Produktionen, die wir jedenfalls für diese Zeit auf den Weg bringen müssen", sagte er. Es gebe eine ganze Reihe von Herstellern, die zur Maskenproduktion bereit seien. "Das kann jetzt ganz schnell geschehen, und wir sind dabei, das mit großem Nachdruck umzusetzen." Im Gegenzug gebe der Bund "Finanzzusagen, die erforderlich sind, damit Unternehmen jetzt gewissermaßen in das Risiko gehen, ihre Produktion umstellen und Dinge herstellen, die sie vielleicht nicht ewig herstellen werden".

Söder hatte zuvor im ARD-"Morgenmagazin" eine "nationale Notfallproduktion" von Schutzmasken gefordert. "Was wir dringend brauchen sind mehr Masken und zwar die hochwertigen Masken für unser gesamtes Personal in den Krankenhäusern und Arztpraxen", sagte er. Die deutsche Wirtschaft müsse jetzt darauf umstellen.

Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, beim Versuch, eine Schutzmaske zu tragenBild: picture-alliance/dpa/H. Kaiser

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) appellierte an die deutsche Industrie, in der Notlage an der Herstellung dringend benötigter Medizinprodukte mitzuwirken. Es sei doch richtig, "dass wir die Kraft unserer Volkswirtschaft nutzen, um den Mangel zu beheben" sagte Seehofer in "Bild Live".

Zudem forderte Seehofer, die Produktion wichtiger medizinischer Güter in Deutschland gesetzlich festschreiben. Es nutze nichts, wenn man im Krisenfall auf Produkte aus China angewiesen sei, sagte Seehofer mit Blick auf Versorgungsengpässe.

Kretschmann empfiehlt Nähen

In Stuttgart sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nach einer Kabinettssitzung, dass auch in seinem Land bis auf Weiteres keine Mundschutzpflicht vorgesehen sei. Auch er verwies darauf, dass das Angebot an professionellem Mundschutz nicht zusätzlich verknappt werden dürfe. Der Stuttgarter Regierungschef empfahl aber selbstgenähte Bedeckungen für Mund und Nase. Diese schützten zwar nicht den Träger selbst, aber die anderen. Insbesondere "bei Menschen mit feuchter Aussprache" seien sie sicher sinnvoll, sagte Kretschmann.

In Ostasien - hier Japans Hauptstadt Tokio - ist das Tragen eines Mundschutzes eine SelbstverständlichkeitBild: picture-alliance/dpa/AP/K. SAto

Der FDP-Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer forderte, die Bundesregierung müsse mehr Führungsverantwortung übernehmen und im Dialog mit der Wirtschaft die Notproduktion von Schutzmasken organisieren. Er sprach vom Fehlen einer Milliarde Masken. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner kritisierte Söders Vorstoß als "unrealistisch" und "unsolidarisch". Es brauche Zulieferung aus dem Ausland, um möglichst schnell und viel Schutzausrüstung herzustellen. "Da hilft eine staatliche europäische Koordinierung mehr als nationale Alleingänge."

Die Verbraucherzentralen warnen derweil vor Betrügern im Internet in Zeiten der Coronavirus-Pandemie. "Wir erhalten inzwischen täglich Hinweise von Verbrauchern im Zusammenhang mit der Coronakrise", sagte der Vorstand des Verbraucherzentralen-Bundesverbands, Klaus Müller, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Es gebe Anbieter, die mit falschen Gesundheitsversprechen Kasse machen wollten, andere hätten zum Beispiel eine Packung Toilettenpapier für 20 Euro oder einen Liter Händedesinfektionsmittel für 199 Euro angeboten. Es gebe auch Hinweise auf vermutliche Fake-Shops, die Artikel wie Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel anbieten. Diese müssten per Vorkasse bezahlt werden. Eine Lieferung erfolge nicht.

stu/se (dpa, rtr, afp)

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