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Politik

Streit am Golf: Katar und die Muslimbrüder

Kersten Knipp | Abbas Al-Khashali
26. Mai 2017

Das Emirat Katar sieht sich seit langem dem Vorwurf ausgesetzt, es pflege eine zu große Nähe zu den Muslimbrüdern sowie zu radikal-islamistischen Gruppierungen. Kritik kommt auch aus den Vereinigten Staaten.

Golf Gipfel Saudi Arabien König Abdul Aziz
Der Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad al-ThaniBild: picture alliance/Saudi Royal Council

Zum Empfang von US-Präsident Donald Trump im saudischen Riad hatten sich die arabischen und insbesondere die Golfstaaten noch zusammengerauft. Der Gipfel sollte die Einheit der arabischen Welt demonstrieren. Doch kaum war Trump wieder abgereist, taten sich dramatische Risse auf. 

Schon am Dienstag, zwei Tage nach dem Gipfel, sah sich die Regierung Katars genötigt, mit einer Erklärung vor die Presse zu treten. Darin nahm sie Stellung zu einem an die Öffentlichkeit gelangten Video. Das zeigte in schriftlicher Form angebliche Zitate von Scheich Tamim bin Hamad bin Khalif al-Thani, dem Emir Katars und sorgte für erhebliche Irritationen in anderen Golfstaaten. Denn der Emir fand dort offenbar lobende Worte für die Muslimbruderschaft und die militanten Gruppen Hisbollah und Hamas.

"Niemand hat das Recht, uns Terrorismus vorzuwerfen - bloß weil er die Muslimbruderschaft zu einer terroristischen Gruppe erklärt oder den von Hamas oder der Hisbollah praktizierten Widerstand nicht hinnehmen will", wurde der Emir in dem Video zitiert. Und: "Die wirkliche Gefahr liegt im Verhalten einiger Regierungen, die selbst den Terrorismus verursacht haben - dadurch, dass sie eine extreme Version des Islam angenommen haben, die nicht der Wahrheit (des Islam) entspricht." 

Gehackt oder nicht gehackt?

In der arabischen Welt war sofort klar, dass die Worte auf Saudi-Arabien gemünzt waren. Insofern war der Streit geeignet, die alte Rivalität zwischen Katar und Saudi-Arabien neu zu entfachen. Offenbar auch darum ruderte die Regierung Katars in einer Stellungnahme schnell zurück: Der Server der staatlichen katarischen Nachrichtenagentur sei gehackt worden, das Video sei eine Fälschung, ließ sie erklären. Die angeblichen Worte des Emirs seien auf den Server geschmuggelt worden, tatsächlich habe er sie niemals gesprochen. Katar werde sich jedoch bemühen, die Verantwortlichen zu finden. 

Flüchtige Eintracht: der Gipfel von RiadBild: Reuters/J. Ernst

Ob es nun eine Fälschung ist oder nicht, wird seitdem in arabischen Medien heiß diskutiert. Am Golf ist ein regelrechter Medienkrieg darüber entbrannt. Klar ist: Das Video spiegelt grundlegende Unstimmigkeiten zwischen Saudi-Arabien und Katar wider, die seit vielen Jahren schwelen und vor allem um zwei Themen kreisen: um das enge Verhältnis Katars zu den Muslimbrüdern und um die Rolle, die das Emirat während und nach der Aufstände in der arabischen Welt im Jahr 2011 spielte.

Rivalitäten zwischen Katar und Saudi-Arabien

Katar hatte die "Arabellion" insbesondere über seinen Sender al-Dschasira unterstützt. Die Staatsführung sah sie als Gelegenheit, dem kleinen Emirat mehr größere Gestaltungsmöglichkeiten in der Region zu verschaffen. Zu diesem Zweck unterstützte es auch säkulare Bewegungen, die die Legitimität theokratischer Regime direkt oder indirekt in Frage stellten - allen voran die Saudi-Arabiens. Die dem Emir zugeschriebenen Äußerungen entsprächen durchaus der bisherigen Politik Katars, sagt der ägyptische Medienwissenschaftler Hafez al-Mirazi im Gespräch mit der DW.

Angespannt ist das Verhältnis zwischen Katar und Saudi-Arabien auch wegen des unterschiedlichen Umgangs, den beide Staaten mit den Muslimbrüdern pflegen. Während Katar lange auf eine Kooperation mit den Islamisten setzte, um auf diese Weise Einfluss in der sunnitischen Welt zu gewinnen, lehnt Saudi-Arabien sie ab. Das Königreich, das in den siebziger Jahren selbst zahlreiche Muslimbrüder aufnahm und dann erleben musste, wie diese eine Oppositionsbewegung gegen die Staatsführung initiierten, sieht sie als Bedrohung der regionalen und damit auch der eigenen Ordnung. Lediglich im Jemen scheinen die Saudis keine Probleme mit dem Einfluss der Muslimbrüder zu haben.

Einst Partner Katars: der Muslimbruder und ehemalige ägyptische Präsident Mohammed MursiBild: picture alliance/AP Photo/T. el-Gabbas

Scharfe Worte aus den USA

Katars politische Rivalen fühlen sich gestärkt durch eine ähnliche Kritik aus den USA. Der Nachrichtensender Erem News aus den Vereinigten Arabischen Emiraten berichtete jüngst über einen Auftritt des ehemaligen US-Verteidigungsministers Robert Gates auf einer Konferenz zum Thema "Katar und die Muslimbrüder" in Washington. Dort warf er Katar vor, die Brüder allzu lange Zeit willkommen geheißen zu haben.

Außerdem strebe Katar eine politische Bedeutung an, die in deutlichem Widerspruch zu seiner Größe stehe, erklärte Gates über das gut 2,6 Millionen Bürger zählende Emirat. Parallel dazu erschien auf der Website des politischen Magazins "Foreign Policy" ein Artikel von John Hannah, dem ehemaligen Berater des damaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney, in dem dieser Katar als unzuverlässigen Partner der USA beschrieb. 

Revolution mit Langzeitwirkung: die arabischen Aufstände, hier eine Szene aus Kairo 2013 Bild: picture-alliance/AP Photo/Khalil Hamra

Neue Situation nach Trump-Besuch

Dass der alte Streit zwischen Katar und einigen seiner Nachbarn plötzlich wieder eskaliert, könnte nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Kristian Coates Ulrichsen vom britischen Think Tank Chatham House mit Trumps Besuch in Riad zu tun haben. "Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate fühlen sich durch das aus ihrer Sicht erfolgreiche Treffen mit Trump womöglich ermutigt, nun wieder eine dominantere Rolle in der Region zu spielen", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. 

Doch nicht nur diese beiden Staaten, sondern auch Ägypten schlägt nach dem Gipfel von Riad eine schärfere Gangart gegenüber Katar ein. So wurde der Sender al-Dschasira, nachdem er seit Beginn der Woche in Saudi-Arabien nicht mehr empfangbar ist, nun auch in Ägypten geblockt. Für das dortige Regime eine günstige Gelegenheit: Es beschwert sich seit langem immer wieder über die Berichterstattung von al-Dschasira und betrachtet die Muslimbruderschaft als Staatsfeind Nummer eins.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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