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Politik

Genug Wasser für alle?

Martina Schwikowski
9. Februar 2018

Äthiopien baut am Nil einen gigantischen Staudamm, der das Land zum mächtigsten Stromerzeuger des Kontinents machen soll. Das schürt Ängste in der Nachbarschaft: Ägypten und Sudan fürchten um ihr Trinkwasser.

Ägypten Nil-Fluss
Bild: Getty Images/AFP/K. Desouki

Es soll der größte Staudamm in Afrika werden: 1800 Meter lang, 155 Meter breit und mit einem Fassungsvermögen von 74.000 Milliarden Kubikmetern. So beschreibt es die beauftragte Baufirma. Wenn einmal alle 16 Turbinen der angeschlossenen Wasserkraftwerke in Betrieb sind, sollen sie im Jahr 15.000 Gigawattstunden Strom erzeugen. Das Werk wäre dann so stark wie die drei bisher größten Wasserkraftwerke Afrikas zusammen: Assuan am Nil in Ägypten, Cahora Bassa am Sambesi in Mosambik und Inga am Kongo-Fluss in der Demokratischen Republik Kongo.

Die Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre am Oberlauf des Nils ist das Vorzeigeprojekt Äthiopiens und soll das arme Land zum Entwicklungsmotor für die Region machen. Doch bei den Nil-Anliegerstaaten Ägypten und Sudan schürt das Mega-Projekt Ängste. Der Streit ist zur Krise angewachsen, und vor allem Ägypten fürchtet, dass durch den Staudamm nicht genug Wasser für die eigene Landwirtschaft bleibt. Der Nil ist die Lebensader des Landes, ernährt die Menschen und dient als Schifffahrtsweg.

Äthiopien im Alleingang

Der Blaue Nil entspringt im äthiopischen Hochland. Er erstreckt sich über mehrere tausend Kilometer, fließt im Sudan mit dem weißen Nil zusammen und mündet in Ägypten schließlich ins Mittelmeer. An seinen Ufern entstanden schon früh Hochkulturen. Heute fließt der Nil vor allem durch Krisen-Staaten.

Die äthiopische Bevölkerung - derzeit 100 Millionen Menschen - wächst rasant. Die Ambitionen des Landes zeigen sich darin, dass es die Finanzierung des vier Milliarden US-Dollar teuren Damms allein tragen will. "Das Projekt spielt für die Regierung eine herausragende Rolle", so Ahmed Soliman, Mitarbeiter der britischen Denkfabrik Chatham House im DW-Interview. "Die meisten Menschen waren aufgefordert, ein Monatsgehalt pro Jahr dazu beizutragen." Die Talsperre ist bereits zu 60 Prozent fertiggestellt. Eigentlich sollte sie im vergangenen Jahr fertig sein, doch wirtschaftliche Probleme haben zu Verzögerungen geführt.

Strom für die Nachbarländer?

Der Staudamm soll nicht nur im eigenen Land mehr Strom erzeugen, sondern Äthiopien will auch Elektrizität in die Nachbarländer verkaufen. "Sie hoffen Afrikas größter Stromexporteur zu werden", sagt Experte Soliman. Damit wachse auch die geostrategische Bedeutung Äthiopiens in der Region - ein Grund mehr zur Sorge für die Nachbarn.

Ägypten mit seinen ebenfalls fast 100 Millionen Menschen ist fast vollständig vom Nil abhängig. Es beharrt auf früheren Verträge, die dem Land große Mengen Wasser garantieren. Die anstehende Präsidentenwahl im März erhöhen den politischen Druck: So könnten Kandidaten den Streit ums Wasser für den Wahlkampf nutzen, vermutet Ahmed Soliman. Diplomatische Verhandlungen über das Nilwasser liefen seit Jahren, aber es fehle an Vertrauen zueinander, sagt der Experte von Chatham House.

Bauarbeiten am StaudammBild: Reuters/T. Negeri

Auf dem Gipfel der Afrikanischen Union Ende Januar war der Streit ums Nilwasser Thema. Der ägyptische Präsident Abdel Fatah El-Sisi demonstrierte Einigkeit: "Machen Sie sich keine Sorgen! Wir sind uns einig, dass keines der drei Länder Schaden nehmen wird. Die Interessen von Äthiopien und vom Sudan sind auch die Interessen meines Landes. Wir sprechen als ein Staat. Mit einer Stimme."

Mangelndes Vertrauen

Doch die Beziehungen Ägyptens zum Sudan und zu Äthiopien hatten sich in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert. Der Sudan zog sogar seinen Botschafter aus Kairo ab. Eine klare Vorgabe für die Nutzung des lebensnotwendigen Wassers ist noch nicht in Sicht - Gespräche zwischen den drei Regierungen gehen seit Monaten nicht voran. 

Heute ist die Stimmung nicht ganz so ausgelassen: Ägyptens Präsident al-Sisi, Sudans Präsident Al-Bashir und Äthiopiens Premierminister Hailemariam Desalegn im Jahr 2015. Bild: Ashraf Shazly/AFP/Getty Images

Immerhin: Experte Soliman bewertet als positiv, dass nach dem Gipfeltreffen der Afrikanischen Union ein Fonds geschaffen werden soll, um Infrastrukturprojekte aller drei Länder zu verbinden. Auch ein neu zu bildendes Komitee soll Fragen um das Mega-Projekt diskutieren. "Dadurch könnte mehr politisches Verständnis geschaffen werden", sagt Soliman.

Gemeinsam vom Nil profitieren

Dafür setzt sich seit Jahren auch die Nilbeckeninitiative (NBI) ein. Sie wurde 1999 zur regionalen Zusammenarbeit der Länder im Einzugsgebiet des Nils ins Leben gerufen, auch Ägypten, Äthiopien und Sudan gehören der Initiative an. Ihr Ziel ist, eine gemeinschaftliche Nutzung der Wasserressourcen des Flusses zu erreichen.

"Unsere Vision ist eine nachhaltige, sozialwirtschaftliche Entwicklung durch gleichwertige Nutzung des Wassers und des Profits", so Innocent Ntabana von der NBI im DW-Interview. "Wir reden nicht darüber, das Flusswasser zu teilen, aber den gemeinsamen Profit, den die Wassernutzung liefert. Das ist der Weg, um die Konflikte zu lösen." Die NBI sei allerdings eine technische Organisation, gibt er zu bedenken. "Der Mechanismus, der die drei Länder zusammenbringt, liegt außerhalb unseres Arbeitsbereiches. Wir hoffen, dass alle Konflikte so gelöst werden, dass wir Frieden in der Region behalten."

Die Zeit drängt: Äthiopien will bald damit beginnen, das Wasser zu stauen. Das versetzt die Menschen am Unterlauf in Sorge. Denn noch ist nicht klar, wie schnell das passieren soll. Je mehr gestaut wird, desto tiefer der Wasserstand in Ägypten.

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