Streit eskaliert: Indien und Kanada weisen Diplomaten aus
15. Oktober 2024Der Streit zwischen den G20-Partnern Indien und Kanada im Zusammenhang mit der Ermordung eines führenden Sikh-Separatisten im Jahr 2023 in Kanada spitzt sich zu. Die Regierungen in Neu-Delhi und Ottawa weisen gegenseitig Diplomaten aus.
Die Vorwürfe der Regierung in Ottawa wiegen schwer, die sich dabei auf aktuelle Ermittlungen der kanadischen Polizei stützt. Demnach gibt es "Beweise" für die Beteiligung der indischen Regierung an Fällen von "Einschüchterung, Belästigung, Erpressung und Nötigung" auf kanadischem Hoheitsgebiet, so die Polizei. Als Reaktion wies Kanada den ranghöchsten indischen Diplomaten in Kanada sowie einige weitere aus. Außenministerin Melanie Joly betonte, die Ausweisung sei nach sorgfältiger Prüfung angeordnet worden.
Festnamen im Mai
Die kanadische Polizei hatte nach Informationen des Fernsehsenders CBS im Mai Mitglieder eines mutmaßlichen Tötungskommandos festgenommen. Die Männer sollen demnach in verschiedenen Rollen an der Ermordung eines Sikh-Aktivisten im Juni vergangenen Jahres in Surrey an der kanadischen Westküste beteiligt gewesen sein.
Der kanadische Premierminister Justin Trudeau sagte jetzt vor Journalisten in Ottawa, die indische Regierung habe "einen fundamentalen Fehler begangen, als sie glaubte, sie könne kriminelle Aktivitäten gegen Kanadier hier auf kanadischem Boden unterstützen, seien es Morde, Erpressungen oder andere Gewalttaten".
Indien wies die Vorwürfe zurück und beschloss im Gegenzug, sechs kanadische Diplomaten auszuweisen. Die Regierung in Neu-Delhi kündigte zudem an, der ranghöchste Gesandte in Kanada werde abgezogen. Das indische Außenministerium bestellte nach eigenen Angaben den Geschäftsträger der kanadischen Botschaft, Stewart Wheeler, ein und informierte ihn über seine Ausweisung.
In einer Erklärung heißt es zudem, Indien habe kein Vertrauen mehr, dass die derzeitige kanadische Regierung die Sicherheit der indischen Diplomaten in Kanada gewährleisten könne. Indien habe eine Mitteilung Kanadas zurückgewiesen, wonach indische Diplomaten im Rahmen laufender Ermittlungen als "Personen von Interesse" betrachtet würden.
Der Mordfall Hardeep Singh Nijjar
Die Ermordung des Sikh-Aktivisten und kanadischen Staatsbürgers Hardeep Singh Nijjar 2023 brachte die Beziehungen beider Länder auf einen Tiefpunkt. Kanadas Premierminister Trudeau hatte der indischen Regierung die gezielte Tötung des Kanadiers mit indischen Wurzeln vorgeworfen. Die Regierung in Neu-Delh bestreitet die Vorwürfe.
Im Juni 2023 war Hardeep Singh Nijjar erschossen auf dem Parkplatz eines Tempels in der kanadischen Provinz British Columbia gefunden worden. Nijjar war ein bekannter Befürworter eines unabhängigen Staates für Sikhs auf indischem Staatsgebiet. Indische Behörden hatten ihn lange gesucht und ihm "Terrorismus" vorgeworfen.
Der indischen Regierung sind die Aktivitäten separatistischer Sikhs in Kanada seit langem ein Dorn im Auge. In Kanada lebt die weltweit größte Sikh-Gemeinschaft außerhalb des nordindischen Bundesstaats Punjab. 2021 gaben 770.000 Menschen in Kanada den Sikhismus als ihre Religion an.
Punjab, wo etwa 58 Prozent der Bevölkerung Sikh und 39 Prozent Hindus sind, wurde in den 1980er- und 1990er-Jahren von einer gewalttätigen Unabhängigkeitsbewegung erschüttert. Tausende Menschen wurden damals getötet.
AR/kle (dpa, rtr, afp)
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