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Streit in Berlin: Panzerwrack vor Russischer Botschaft?

12. Oktober 2022

Darf man in Berlin ein Panzerwrack als Mahnmal ausstellen? Die Entscheidung eines Berliner Gerichts dürfte Russlands Präsident Wladimir Putin missfallen.

Der Panzer war komplett mit der blau-gelben ukrainischen Flagge eingehüllt; Polizisten entfernen sie.
Protest: Kurz nach Kriegsbeginn wurde ein Panzer vor dem sowjetischen Ehrenmal mit der ukrainischen Flagge verhülltBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Panzer erregen in Deutschland immer wieder die Gemüter. Eine Frage lautet: Soll Deutschland schwere Waffen, also auch Panzer, an die Ukraine liefern? Bundeskanzler Olaf Scholz warnt seit Kriegsbeginn vor einem nationalen Alleingang. Der Sozialdemokrat verweist wie seine Parteifreundin, Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, auf Absprachen innerhalb des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses (NATO).

Das letzte Wort, so scheint es, ist in dieser Angelegenheit längst noch nicht gesprochen. Anders verhält es sich mit zwei sehr unterschiedlichen Debatten, die jenseits der großen politischen Bühne geführt werden. In einem Fall geht es genaugenommen um das Wrack eines russischen Panzers aus dem Ukraine-Krieg, das der Verleger und Museumsbetreiber Wieland Giebel mit seinem Geschäftsfreund Enno Lenze vor der Russischen Botschaft als temporäres Kunstwerk installieren will.

Gericht gibt grünes Licht für Panzerwrack

Das hatte die zuständige Behörde im Bezirksamt Berlin-Mitte jedoch schon im Juni abgelehnt. Die Begründung: In einem solchen Wrack seien "wahrscheinlich Menschen gestorben". Daher sei die Ausstellung nicht angemessen. Zudem berühre sie die außenpolitischen Interessen Deutschlands. Gegen diese Entscheidung hatten die Initiatoren einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht gestellt. Das gab nun grünes Licht für die Aktion. 

Allerdings darf das Wrack aus bau- und verkehrstechnischen Gründen wahrscheinlich nicht auf dem Mittelstreifen vor der Russischen Botschaft ausgestellt werden, sondern in der Querstraße auf der anderen Seite. Das wäre für Wieland Giebel aber kein Problem, wie er der DW bestätigte, denn die Blickachse zwischen Panzer und Botschaftsgebäude bliebe erhalten.

Sind sowjetische Panzer in Berlin noch zeitgemäß?

Rechtlich unumstritten ist hingegen, dass die seit 1945 im Stadtzentrum stehenden T34-Panzer aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs auf Dauer im Berliner Stadtzentrum stehen bleiben. Als Symbol des Sieges der Sowjetunion über Nazi-Deutschland gehören sie zum weitläufigen Ehrenmal, das kaum 500 Meter entfernt vom Brandenburger Tor, dem Wahrzeichen der deutschen Hauptstadt, errichtet wurde. Aber sind sowjetische Panzer, die viele mit Russland in Verbindung bringen, angesichts des Ukraine-Kriegs noch zeitgemäß?Die Christdemokratin Stefanie Bung, Abgeordnete im Berliner Landesparlament, hat dazu gegenüber der DW eine klare Meinung: "Mahnmale müssen erhalten bleiben, aber ich fordere den Abbau der ausgestellten russisch-sowjetischen Geschütze und Panzer, die sich in Deutschland befinden." Dabei ist der Politikerin klar, dass ihr Wunsch im Grunde ein Griff nach den Sternen ist. Denn Deutschland hat sich im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung verpflichtet, sowjetische Denkmäler zu erhalten und zu pflegen.

Zwei T34-Panzer stehen in Sichtweite zum Brandenburger Tor vor dem sowjetischen Ehrenmal in BerlinBild: Carsten Koall/dpa/picture alliance

Kriegsgerät im öffentlichen Raum

Dennoch hofft Bung, die europapolitische Sprecherin ihrer Fraktion, eine Debatte über Kriegsgerät an Mahnmalen im öffentlichen Raum anstoßen zu können. "Wenn wir in dieser Angelegenheit in Europa ernst genommen werden wollen, können wir uns nicht hinter der rechtlichen Machbarkeit verstecken, wenn die politischen Bedingungen sich grundlegend verändert haben", meint die gebürtige Berlinerin.Man müsse sich moralisch darüber klar werden, wie man seinen Kindern und europäischen Nachbarn erklären wolle, dass russisches Kriegsgerät in Deutschland als Zeichen des Friedens gelten solle, "wenn gleichzeitig Russland seit Jahren Europa und unsere Werte bekämpft und in der Ukraine mit brutalster Gewalt Krieg führt". 

Stefanie Bung: "Das Baltikum zeigt, dass die Zeit russischer Kriegsgeräte und Sieger-Monumente vorbei ist" Bild: Ines Grabner

CDU-Politikerin verweist auf das Baltikum

International habe das Thema inzwischen an Fahrt aufgenommen, freut sich Stefanie Bung und verweist insbesondere auf die früheren Sowjetrepubliken und seit 1991 wieder unabhängigen baltischen Staaten Lettland, Estland und Litauen. Dort werden seit Kriegsbeginn viele der verbliebenen Monumente aus sowjetischen Zeiten entfernt.

"Das Baltikum zeigt, dass die Zeit russischer Kriegsgeräte und Sieger-Monumente vorbei ist und diese nun konsequent abgetragen werden", sagt die 44-Jährige. Panzer seien "materialisierte Symbole der Gewalt", die dazu entwickelt worden seien, zu töten, einzuschüchtern und Macht über Menschen auszuüben. Diese Auffassung teile sie nicht nur mit der estnischen Ministerpräsidentin Kaja Kallas, betont Stefanie Bung.

27 Millionen Tote in der Sowjetunion

Den kriegerischen Charakter von Panzern sieht auch Wieland Giebel, der seinem Ziel eines Panzerwracks vor der Russischen Botschaft einen wichtigen Schritt näher gekommen ist. Anders als die Politikerin Stefanie Bung ist er aber dagegen, die T34-Panzer vor dem sowjetischen Ehrenmal zu entfernen. "Sie stehen deswegen da, weil Deutschland den Zweiten Weltkrieg angefangen und es 27 Millionen Tote in der Sowjetunion gegeben hat." Darunter seien etwa acht Millionen Ukrainer gewesen, erinnert Giebel im DW-Gespräch daran, dass die Ukraine damals zum sowjetischen Imperium gehörte.

Das sei eine ganz andere Zeit und historische Situation gewesen, sagt der Autor zahlreicher Bücher über die Geschichte Berlins und Deutschlands. "Unter schlimmsten Bedingungen haben die sowjetischen Soldaten den Nationalsozialismus niedergeschlagen." Um das weiterhin zu ehren und anzuerkennen, müsse das sowjetische Ehrenmal im Berliner Stadtzentrum so erhalten bleiben, wie es sei – also mit den Panzern.

Ein Zeichen gegen Putins Verbrechen

Dass im Jahr 2022 Millionen Menschen in der Ukraine wegen des russischen Angriffs auf ihr Land um ihr Leben bangen müssen, schmerzt Wieland Giebel sehr. Schon kurz nach Kriegsbeginn engagierte er sich als Helfer in der Welcome Hall für ukrainische Flüchtlinge am Berliner Hauptbahnhof. Sein Entsetzen über Wladimir Putins Überfall war der Auslöser für seine Idee mit dem Panzerwrack vor der Russischen Botschaft. "Ich möchte gerne dem Verbrechen etwas entgegensetzen."

Wieland Giebel: "Unter schlimmsten Bedingungen haben sowjetische Soldaten den Nationalsozialismus niedergeschlagen"Bild: Marcel Fürstenau/DW

Vorbild sind erbeutete russischer Panzer, die im Juni zunächst in Warschau und anschließend in Prag öffentlich ausgestellt worden waren. So etwas müsste doch auch in Berlin möglich sein, dachte sich Wieland Giebel. "Um zu zeigen: Wir sind gegen diesen Krieg! Diese Panzer bringen die Gewalt in die Ukraine."

Ein Plädoyer, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern

Von einem russischen Panzerwrack mitten in Berlin ginge aus Sicht des 72-Jährigen aber noch eine weitere Botschaft aus: dass die Ukraine in der Lage sei, solche Panzer zu zerstören. "Und es wäre eine große Hilfe, wenn Deutschland die Ukraine besser mit schweren Waffen unterstützen würde." Doch das lehnt die Bundesregierung weiterhin ab.

Blumen und Botschaften der Solidarität vor der russischen Botschaft; hier will Wieland Giebel ein Panzerwrack aufstellenBild: Marcel Fürstenau/DW

Derweil treibt Wieland Giebel seinen Panzerwrack-Plan voran. Er war schon in Kiew, um im Außen-, Verteidigungs- und Kulturministerium für seine Idee zu werben. Man habe ihm angeboten, "aus einem zerstörten Panzer ein Museumsstück zu machen". Um es von der ukrainischen in die deutsche Hauptstadt transportieren zu können, benötigt Giebel ein Dokument, aus dem hervorgehe, "dass dieses Stück Schrott nicht mehr zum Krieg verwendet werden kann". Auch dieses Dokument sei ihm schon zugesagt worden.

Ist ein ausgestelltes Panzerwrack Populismus?

Ginge es nach der Berliner Landespolitikerin Stefanie Bung, die sich an den T34-Panzern des sowjetischen Ehrenmals stört, sollte vor der Russischen Botschaft kein Panzerwrack aufgestellt werden. "Dies wäre aus meiner Sicht ein rein populistisches Mittel, den Krieg medial für Aufmerksamkeit zu nutzen, und kann auch aus ethischen Überlegungen nicht das Mittel der Wahl sein", begründet die Christdemokratin ihre ablehnende Haltung.

Schaulustige staunen über den mitten in Prag ausgestellten russische Panzer aus dem Ukraine-Krieg.Bild: Libor Sojka/CTK/dpa/picture alliance

Waffen des Gegners – egal in welchem Zustand – seien keine geeignete Symbolik gegen den Krieg und für den friedlichen europäischen Gedanken, meint Stefanie Bung. "Stattdessen sollten Bilder von Opfern des Krieges, Dokumentationen von Kriegsverbrechen und Fragmente der bereits zerstörten Kulturschätze als Anklage gegen Russlands Außenpolitik ausgestellt werden."

Testament von Butscha

Als Anklage gegen den Ukraine-Krieg ist auch das zu verstehen, was bereits im August im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf unter freiem Himmel unter dem Titel "Testament von Butscha" ausgestellt wurde: ein ausgebranntes Autowrack, in dem nach einem russischen Angriff drei Frauen und ein 14-jähriges Mädchen getötet wurden. Die Stadt Butscha in der Nähe von Kiew gilt seit dem Abzug russischer Truppen aus dieser Region als Ort mutmaßlicher Kriegsverbrechen. 

Dieser Artikel wurde erstmals am 21.09.2022 veröffentlicht und am 12.10.2022 aktualisiert.

 

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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