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Politik

Streit in der EU um Topjobs

Barbara Wesel
30. Juni 2019

Die EU-Regierungschefs wollen in Brüssel über die Neubesetzung der Topjobs entscheiden. Wichtigster Posten: der EU-Kommissionspräsident. Es könnte ein Sozialdemokrat werden. Barbara Wesel aus Brüssel.

Belgien EU-Sondergipfel Brüssel | Emmanuel Macron
Bild: picture-alliance/AP Photo/O. Matthys

Man richtet sich auf eine lange Nacht ein in Brüssel. "Ich hoffe, dass es schnell geht, aber es könnte spät werden", unkte der niederländische Premier Mark Rutte bei seiner Ankunft im Ratsgebäude. Es geht um eine Paketlösung für die Topjobs in Brüssel, und der erste Preis ist der des Kommissionspräsidenten. Er hat die meiste Macht und steuert die größte der Behörde der EU über die nächsten fünf Jahre. Zwar kann auch er nicht allein entscheiden, aber der Präsident setzt doch den politischen Ton.

Hat Timmermans wieder Chancen?

Auf dem G20-Gipfel in Osaka hatten Deutschland, Frankreich und Spanien ein Paket ausgearbeitet, dass erstaunlicherweise den bereits als chancenlos geltenden Niederländer Frans Timmermans wieder auf Platz 1 hievt. Er ist der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten im Europaparlament, wo sie allerdings nur einen geschwächten zweiten Platz einnehmen. Den Spitzenjob hatte die konservative EVP für ihren Kandidaten Manfred Weber seit Monaten für sich reklamiert. Aber ihn lehnt nicht nur Frankreichs Präsident Macron, sondern auch eine Reihe anderer Länder ab.

Hat plötzlich wieder Chancen: der niederländische Sozialdemokrat Frans TimmermansBild: picture-alliance/XinHua

Außerdem hat er keine Mehrheit im Parlament, weil die alte große Koalition zwischen Christ- und Sozialdemokraten nicht mehr funktioniert. Letztere fühlen sich außerdem gestärkt, weil Skandinavien und Spanien inzwischen wieder sozialdemokratische Regierungen haben. Im Gegenzug dafür, dass sie auf den Kommissionspräsidenten verzichten, müsste die EVP dann entschädigt werden: Durch den Parlaments-und oder Ratspräsidenten. Außerdem bedeutet dieses Lockangebot, dass der umstrittene Prozess der Auswahl von Spitzenkandidaten im Parlament erhalten bleiben würde.

Schließlich gibt es noch einen Trostpreis mit dem Amt des Chef-Diplomaten und am Ende die Nachfolge in der EZB. All dies muss so verteilt werden, dass nicht nur die großen Parteien sondern auch Nord und Süd, Ost und West irgendwie vorkommen. Es ist kompliziert.

Deswegen wollte sich auch Rutte zu den Chancen für seinen Landsmann Frans Timmermans nicht einlassen, obwohl er konsultiert worden war. "Es ist ein bewegtes Bild", eine Menge Namen seien noch im Spiel. Allerdings: Wenn die Timmermans-Lösung klappt, wäre es ein Sieg für die Mitte-Links Kräfte in der EU,  denn sie würden das fünfzehn Jahre dauernde Machtmonopol der Konservativen in der Kommission brechen.

Sein Job ist der wichtigste: der scheidende Kommissionspräsident JunckerBild: Reuters/J. Geron

Macron will einen "kompetenten Kandidaten"

Wenn es kommt wie geplant, dann hätte der französische Präsident zumindest den Machtkampf mit Angela Merkel gewonnen. Denn er hatte die Ablehnungsfront gegen den deutschen Kandidaten Manfred Weber aufgebaut und war dessen schärfster Gegner. Es gehe ihm vor allem um "Kompetenz", wiederholt Emmanuel Macron zu Beginn des Treffens, denn hinter der Person des neuen Kommissionspräsidenten müsse ein Programm stehen beim Klimaschutz sowie der Sozial- und Wirtschaftspolitik.

Solche Kompetenz würden der Franzose Michel Barnier, die Dänin Margrethe Vestager und Frans Timmermans mitbringen. Alle haben Erfahrung als Minister und EU-Kommissare -  das größte Manko von Manfred Weber. Darüber hinaus müsse es ein geographisches Gleichgewicht geben, sagt Macron noch und man suche zwei Männer und zwei Frauen. Aber klar ist: Wenn kein Deutscher zum Zuge kommt, dann wird es auch kein Franzose, Brexit-Unterhändler Michel Barnier wäre also ebenfalls raus.

Der größte Widerstand gegen den Sozialdemokraten Timmermans aber kommt von den Visegrad-Staaten. Sie hatten vorab sogar einen Brief an Ratspräsident Tusk geschrieben und der tschechische Premier Andrej Babis sagte zum Beginn der Sitzung deutlich, dass er den Niederländer nicht "für den richtigen Mann halte, Europa zu einen".

Allerdings braucht man zur Wahl des Kommissionspräsidenten eine Mehrheit von 21 Ländern und 75 Prozent der Bevölkerung. Wenn nur eine kleine Hand voll Osteuropäer gegen den Kandidaten sind, wäre das zu verkraften.

Noch skeptisch hinsichtlich der Erfolgschancen: Angela Merkel auf dem Gipfel in BrüsselBild: picture-alliance/AP/R. Pareggiani

Merkel skeptisch

Die Bundeskanzlerin, die geholfen hatte das Kompromisspaket für die EU-Jobs in Osaka zu schnüren, zeigte sich vor den Türen in Brüssel ziemlich skeptisch über die Erfolgschancen. "Es wird keine einfache Beratung - vorsichtig gesagt". Das Vorbereitungstreffen mit ihren konservativen Parteikollegen muss wohl schwierig gewesen sein. Ihnen fällt es extrem schwer, sich von ihrem Anspruch auf den EU-Kommissionspräsidenten und/oder dem Prinzip der Spitzenkandidaten im Europaparlament zu lösen.

Aber Angela Merkel weist noch einmal darauf, dass die Konservativen eben keine Mehrheit zustande gebracht hätten für Manfred Weber, weder im Parlament noch im Rat. Ratspräsident Donald Tusk habe also eine schwierige Aufgabe vor sich, um die widerstrebenden Interessen zusammen zu bringen.

Was der Kanzlerin dabei wichtig ist: Sie will keine Blockade der beiden Institutionen, dem Rat der Regierungen und dem Parlament, die sich in einem politischen Patt über Monate neutralisieren könnten. Beide Seiten müssen also Kompromisse machen, um eine Lösung zu finden. "Es wird eine Weile dauern", fügt Merkel hinzu. Sie wird, noch müde vom Rückflug aus Osaka, einmal mehr  ihre berühmte Durchhaltekraft in einer langen Nacht in Brüssel beweisen müssen.

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