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Politik

"Worte reichen nicht mehr"

9. März 2017

Die türkische Regierung erlaubt dem Linken-Abgeordneten Jan van Aken nicht, Bundeswehr-Soldaten auf der Basis in Konya zu besuchen. Im DW-Interview fordert van Aken eine härtere Gangart Berlins gegenüber Ankara.

Jan van Aken
Bild: picture-alliance/Eventpress

DW: Herr van Aken, die türkische Regierung verweigert Ihnen den Besuch deutscher Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Konya. Sucht die Türkei weiter die Eskalation im Streit mit Deutschland?

Jan van Aken: Hier geht es im Moment ganz klar um Eskalation. Ich versuche ja auch seit fünf Monaten, auf den Stützpunkt Incirlik zu kommen. Da hat die Türkei bislang einfach immer nicht geantwortet, nur ignoriert. Dass sie jetzt richtig Nein sagen, das machen sie tatsächlich, um zu eskalieren, um die Debatte in Deutschland voranzutreiben.

Es ist also nicht das erste Mal, dass Sie nicht in die Türkei reisen können. Warum hat sich denn der Streit innerhalb der vergangenen Monate zugespitzt?

Ich glaube, der Grundfehler liegt bei der Bundesregierung, weil sie alle Provokationen aus Ankara einfach immer geschluckt hat. Es wurde - wenn überhaupt - nur mit Worten reagiert und da fühlt sich natürlich ein Erdogan, eine AKP-Regierung, ermächtigt, immer weiter diese Spirale zu drehen. Deswegen sagen wir ja auch: Mittlerweile reichen nicht mehr nur Worte, es müssen konkrete Handlungen folgen.

Was schlagen Sie vor? Trotz des Streits ist die Türkei ja weiter ein enger Partner Deutschlands - wirtschaftlich wie militärisch.

Es geht mir jetzt überhaupt nicht um Wirtschaftssanktionen oder die EU-Beitrittsverhandlungen, da darf man jetzt nicht ran. Aber ich finde, die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich, bei Polizei und Militär, die muss man einstellen. Es kann doch nicht sein, dass der Welt-Korrespondent Deniz Yücel möglicherweise von einem Polizisten in der Türkei festgenommen wurde, der vorher von deutschen Polizisten ausgebildet wurde. Der Sicherheitsapparat in der Türkei hilft Präsident Erdogan gerade bei seinem Umbau des Landes in eine Diktatur. Der darf nicht weiter unterstützt werden und die Bundeswehr gehört da auch mit dazu.

Bundeswehr-Soldaten sind in der Türkei im Rahmen des Kampfes gegen die Terrororganisation IS stationiertBild: picture-alliance/dpa/Bundeswehr/F. Bärwald

Wird sich Erdogan davon beeindrucken lassen?

Das wird man sehen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Erdogan sehr empfindlich auf Druck reagiert. Die schnelle Wendung im Konflikt mit Russland hat das gezeigt. Ich bin dagegen, immer gleich die große Keule rauszuholen. Ich finde, man muss jetzt kleine Schritte gehen und der erste Schritt ist, dass man sagt: Diejenigen, die Erdogan in der Diktatur mit Gewalt unterstützen, Polizei, Militär, die werden wir nicht weiter unterstützen. Das ist ein kleiner Schritt, den sollte man erst einmal machen und dann weiterschauen.

Ist die Bundesregierung Ihrer Meinung nach selbst Schuld - hat sie sich zu abhängig gemacht von Erdogan?

Ich glaube ja. Aber es ist weniger die Abhängigkeit, sondern sie hat bis jetzt immer darauf gesetzt, dass Erdogan ein guter Partner ist, mit dem man keinen Konflikt will. So haben sie eine Provokation nach der anderen geschluckt und jetzt sehen wir das Ergebnis, dass Erdogan sich ermächtigt fühlt, immer weiter zu gehen. Und deshalb muss jetzt hier einmal grundsätzlich umgedacht werden und gesagt werden: bis hier hin und nicht weiter.

Ist die Empörungswelle in Deutschland nicht direkte Wahlkampfhilfe für Erdogan? Vor allem der Wunsch türkischer Regierungsmitglieder, in Deutschland Werbung für die Verfassungsänderung zu machen, hat zu Protesten geführt.

Ja, aber ich finde auch diese Auftrittsverbote in Deutschland völlig falsch. Es geht jetzt hier für uns doch darum, unsere Freiheitsrechte zu verteidigen. Dazu gehört auch das Rederecht, auch für abgeordnete Minister anderer Länder, sollen Sie doch kommen.

Jan van Aken sitzt für die Oppositionspartei "Die Linke" seit 2009 als Abgeordneter im deutschen Parlament. Der ehemalige UN-Waffeninspektor ist Mitglied des Auswärtigen Ausschusses.

Das Gespräch führte Peter Hille.