Streit um Barroso
10. Juli 2009Die Aussichten für Barroso standen eigentlich denkbar gut: Alle Staats- und Regierungschefs, egal, welcher politischen Couleur, unterstützen ihn. Und die Volkspartei im Europaparlament, die ihm parteipolitisch wahrscheinlich am nächsten steht, ist auch nach der Europawahl die mit Abstand größte Fraktion. Viel sprach dafür, dass das Parlament Barroso gleich bei seiner konstituierenden Sitzung am 14. Juli zustimmen würde. Doch dann stellten sich vor allem die Sozialisten und die Grünen quer.
"Ich glaube, die Ratspräsidentschaft hat, sowohl die tschechische als auch die schwedische, eine Niederlage erlebt", sagt Martin Schulz, Vorsitzender der Sozialistischen Fraktion. "Sie wollten das durchpeitschen. Das ist ihnen nicht gelungen. Das ist ein großer Erfolg für uns als sozialdemokratische Fraktion, denn das haben wir zurückgewiesen." Es geht den Gegnern um zwei Dinge. Einmal wollten sie sich nicht vom Rat den Zeitplan vorschreiben lassen. Dieses Ziel haben sie bereits erreicht, die Abstimmung findet nun erst Mitte September statt. Sie kritisieren Barroso aber auch politisch als neoliberal.
"Es kommt auf das Programm an"
Gegen dieses Etikett ging Barroso vor wenigen Tagen in die Offensive: "Hören Sie, ich war nie und bin auch heute kein Neoliberaler", sagte er. "Ich finde es zwar völlig in Ordnung, liberal zu sein, aber ich bin es nicht. Ich bin ein Reformer der Mitte. Ich glaube auch, bei der Führung der EU sollte es nicht in erster Linie um Ideologie gehen, sondern darum, die proeuropäischen Kräfte zu sammeln."
Unterstützer für sich selbst wird Barroso jetzt sammeln müssen, denn das Parlament hat auch erreicht, dass der Kandidat dort seine politischen Ziele erläutern muss. "Für uns hängt alles vom Programm ab, das Herr Barroso vorstellen wird", meint Guy Verhofstadt, der neue Chef der liberalen Fraktion. "Ob wir für oder gegen ihn stimmen werden, das kommt auf sein Programm an."
Die Liberalen sind in ihrer Haltung zu Barroso gespalten. Dagegen steht für die Grünen-Kovorsitzende Rebecca Harms das Ergebnis bereits fest. "Ich bin der Meinung, dass es derzeit gar keine Mehrheit für Präsident Barroso gibt und das Ergebnis einer Abstimmung, wenn sie durchgeführt wird, wird meiner Meinung nach negativ für Herrn Barroso sein."
Parlament entscheidet
Der scheidende Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering ist zwar als Christdemokrat für Barroso, hält sich aber durch seine Funktion mit Empfehlungen zurück. Er versteht die ganze Aufregung über den Streit nicht. "Es ist ja ganz normal, dass der Europäische Rat und das Europäische Parlament in Einzelfragen mal unterschiedlicher Meinung sind", sagt er. "Wir haben ein klares Verfahren für die Benennung des Präsidenten der Kommission, und es ist jetzt Aufgabe des Europäischen Parlaments, darüber zu entscheiden. Der Kommissionspräsident wird sicher mit den Fraktionen das Gespräch suchen, und auf der Grundlage der Gespräche wird dann die Entscheidung hoffentlich im September gefällt werden können."
Wie immer das Parlament am Ende entscheiden wird, es hat schon jetzt etwas sehr wichtiges erreicht: Der Rat der Staats- und Regierungschefs wird das Europaparlament in Zukunft sehr viel ernster nehmen müssen als bisher.
Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Andreas Ziemons