Streit um ein Goethe-Institut
2. September 2016Als Kubas Außenminister Brono Rodriguez Parilla im Mai nach Berlin kam, schien die Welt noch in Ordnung. Es war sein Gegenbesuch. Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier hatte zuvor Havanna besucht, als erster Außenminister der Bundesrepublik und begleitet von Kulturpolitikern aller Parteien. Es roch nach Tauwetter. Wichtiges Gesprächsthema war das Kulturabkommen. Es soll den Austausch im Kulturbereich vereinfachen und den Weg ebnen für die Eröffnung eines Goethe-Instituts und anderer Kulturinstitutionen. Steinmeier gab sich optimistisch: Er sei zuversichtlich, das Abkommen werde "noch in diesem Jahr" unterzeichnet.
Nun aber wendet sich das Blatt: Der kubanische Minister habe ihm in Berlin gesagt, "das Abkommen sei in trockenen Tüchern und könne nächste Woche unterzeichnet werden", so der Vorsitzende des Unterausschusses für Auswärtige Kulturpolitik und Bildung, Bernd Fabritius, in einem Gespräch mit dem Deutschlandradio. "Damit er nachher zurückfährt nach Kuba und der deutschen Botschaft ein Abkommen übermittelt - ohne Kulturinstitut." Der Politiker stellt klar: "Das geht natürlich nicht!" Schon einmal waren beide Länder nahe an einem Kulturabkommen. Doch dann ging das Castro-Regime 2003 mit einer Verhaftungswelle gegen Künstler und Intellektuelle vor. 75 Oppositionelle wurden verhaftet und zu teils langen Haftstrafen verurteilt. Berlin reagierte scharf und fror die offizielle Entwicklungszusammenarbeit ein, ebenso das bereits ausgehandelte Kulturabkommen.
"Kuba hat Angst vor der Konterrevolution"
Offenbar ist das Misstrauen immer noch groß: "Kuba hat Angst", vermutet Kulturpolitiker Fabritius, "dass wir mit einem Goethe-Institut, mit dem wir Sprachvermittlung und Kulturvermittlung betreiben, die Konterrevolution fördern." Kubas Nein zu einem Goethe-Institut zeige, "wie sehr die Systeme in diesen Staaten sich selbst noch als verletzlich betrachten."
In diesen Tagen steigt auf der Karibikinsel wieder die Nachfrage nach Deutsch als Fremdsprache, wie Christine Arndt vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) bestätigt. Seit 1990 unterhält der DAAD in Havanna ein Lektorat, das Deutschunterricht an der Fremdsprachlichen Fakultät der Universität Havanna organisiert. Das vorherige "Herder-Lektorat" der DDR wurde übernommen. Rund 30.000 Kubaner hatten, wie das Auswärtige Amt auf seiner Website vorrechnet, in der DDR studiert oder gearbeitet. Zwar liege das Bildungsniveau Kubas noch heute über dem der Nachbarländer, sagt Arndt. "Aber dieses Pfund geht langsam verloren!" Es sei an der Zeit, den Bildungsdialog mit Deutschland "neu aufzugreifen", auch mit einem Kulturabkommen.
Große Nachfrage nach Deutschkursen
Das Auswärtige Amt hält sich im aktuellen Streit bedeckt, ebenso die Zentrale des Goethe-Instituts. Ohnehin laufen die Kulturbeziehungen zwischen Deutschland und Kuba besser, als die Vertragslage vermuten ließe – nicht zuletzt infolge der Annäherung zwischen den USA und Kuba. "Das Interesse auf deutscher Seite am Dialog mit Kuba ist hoch", heißt es beim Auswärtigen Amt. "Seit Jahren beteiligt sich Deutschland an internationalen Kulturereignissen auf Kuba."
So unterhält die Frankfurter Buchmesse einen Stand auf der Buchmesse Havanna mit Lesungen deutscher Autoren. Es gibt deutsche Theaterwochen. Und beim Internationalen Festival des neuen Lateinamerikanischen Films etablierte sich eine Deutsche Reihe. Umgekehrt hospitieren junge Dramatiker aus Kuba an deutschen Theatern, werden Filmemacher nach Deutschland eingeladen. Kubanische Musiker gaben und geben Gastspiele. Eigentlich stehen die Zeichen weiter auf Tauwetter. Eigentlich.