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Politik

Streit um Fischrechte im Ärmelkanal eskaliert

1. November 2021

Kurz vor Ablauf eines Ultimatums sind die Fronten bei den Nachwehen des Brexit verhärtet. London poltert, Paris droht, und in Nordirland wird ein Bus angezündet.

G20 Rom | Emmanuel Macron und Boris Johnson
Zwischen Emmanuel Macron und Boris Johnson, hier beim G20-Gipfel am Wochenende in Rom, steht der Brexit-StreitBild: Guglielmo Mangiapane/REUTERS

Wenige Stunden vor dem Ablauf eines Ultimatums hat die britische Regierung im Fischerei-Streit mit Frankreich noch einmal den Ton verschärft. Außenministerin Liz Truss sagte dem Sender Sky News: "Dieses Problem muss innerhalb der nächsten 48 Stunden gelöst sein." Sie nannte die französischen Drohungen unfair und kündigte juristische Schritte als Gegenmaßnahmen an.

"Hört auf, britischen Fischerbooten zu drohen. Hört auf, den Kanalhäfen zu drohen", sagte Truss. "Akzeptiert, dass wir völlig im Recht sind, Fischereilizenzen im Einklang mit dem Handelsvertrag zu vergeben." Ein Sprecher von Premierminister Boris Johnson sagte, Truss habe keine neue britische Frist gesetzt, sondern sich auf die französische bezogen.

Streit um britische Lizenzen für französische Fischer

Frankreich will einige Häfen für britische Boote sperren und Fischer aus dem Vereinigten Königreich schärfer kontrollieren, falls bis zum 2. November keine Einigung zustande kommt. Paris fordert, dass London mehr französischen Fischern den Fang auch in britischen Gewässern gestattet.

Im Mai blockierten französische Fischer den Hafen von JerseyBild: Oliver Pinel/AP/picture alliance

Die französische Regierung wittert im Verhalten Londons ein politisches Manöver. Nach britischen Angaben geht es um wenige Dutzend Boote, die aufgrund fehlender Nachweise keine Lizenz erhalten haben. Seit dem EU-Austritt Großbritanniens müssen sich die beiden Nachbarn auf gegenseitige Rechte im Ärmelkanal, der beide Länder trennt, verständigen.

Der Streit schwelt bereits seit Monaten und fand seinen vorläufigen Höhepunkt im Mai, als französische Fischer den Hafen der Kanalinsel Jersey blockierten und Großbritannien ein Kriegsschiff zu Hilfe schickte. Auch die französischen Sanktionen stehen bereits seit Wochen im Raum. Außerdem drohte Frankreich, die Preise für Stromlieferungen auf die vor der Küste gelegenen britischen Kanalinseln zu überprüfen.

Fischereistreit um Fanggründe

04:35

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Die Lage hatte sich in der vergangenen Woche zugespitzt, als Frankreich ein französisches Boot in Le Havre festsetzte. Beide Seiten bestellten die Botschafter des jeweils anderen Landes ein, London drohte mit Vergeltung. Auch auf dem Weltklimagipfel COP26 in Glasgow zeigten sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und COP-Gastgeber Johnson verstimmt. Macron sagte, der Ball liege im Feld der Briten.

Auch Frust in Nordirland

Der britische Tonfall zu diesem im Gesamtkontext des Brexit doch eher kleineren Streitpunkt wird in Brüssel besorgt aufgenommen. Der Brexit-Beauftragte der EU, Maros Sefcovic, warf London vor, einem "Pfad der Konfrontation" zu folgen. Das Thema, das die Atmosphäre zwischen London und Brüssel derzeit wohl am meisten belastet, ist das Nordirland-Protokoll: Das Abkommen sorgt für reibungslosen Grenzverkehr auf der irischen Insel, indem es Nordirland de facto im EU-Binnenmarkt hält. Doch drohte London, den selbst verhandelten Vertrag zu verlassen und den Europäischen Gerichtshof nicht mehr als Schlichtungsstelle für die nordirischen Handelsbelange zu akzeptieren. Die EU hat im Oktober einen Vorschlag für deutlich weniger Kontrollen gemacht, beharrt jedoch auf der Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs für den gesamten Binnenmarkt.

In Nordirland verstrich mit dem Monatswechsel ein selbst gesetztes Ultimatum der Regierungspartei DUP: Die London-treuen Unionisten sind generell unzufrieden mit dem Protokoll und hatten ihren Ausstieg aus der Belfaster Regionalregierung angekündigt, sollte es bis November nicht substantiell verändert werden.

Dieses Wrack in Newtownards war mal ein Bus - bis er in Brand gesetzt wurdeBild: David Young/empics/picture alliance

Mutmaßliche militante radikale Unionisten stürmten am Montag einen Doppeldecker-Bus in Newtownards bei Belfast und setzten ihn in Brand. Der Fahrer konnte sich in Sicherheit bringen, Fahrgäste waren nicht an Bord. Infrastrukturministerin Nichola Mallon sagte der BBC, die Angreifer hätten "etwas über das Protokoll gebrummt", als sie den Fahrer mit einer Waffe bedrohten. Im Frühjahr hatte es schon einmal Sorgen über die Sicherheitslage in der früheren Bürgerkriegsregion gegeben. Damals hatten zumeist junge mutmaßliche Unionisten sich Krawalle mit Einsatzkräften und Anhängern der Irland-treuen Bevölkerungsgruppe geliefert und ebenfalls einen Bus in Brand gesetzt.

ehl/hf (dpa, ap, rtr)