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Politik

Streit um Isaakskathedrale

Roman Goncharenko
5. Februar 2017

Die größte Kirche Sankt Peterburgs, die Isaakskathedrale, soll aus staatlichem Museumsbesitz an die orthodoxe Kirche übergehen. Die Entscheidung sorgt für Proteste und ist kein Einzelfall.

Russland Kirche Isaakskathedrale Sankt Petersburg
Bild: eichinger.ch

Die Isaakskathedrale ist ein Muss für Touristen. Sie ist die größte und berühmteste Kirche in Sankt Petersburg und zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe. Der prächtige Bau mit seiner weit sichtbaren goldenen Kuppel lockte 2016 nach eigenen Angaben rund 3,8 Millionen Besucher an. In diesen Tagen sorgt die Kathedrale jedoch für Streit in der russischen Kulturmetropole, die auch Heimatstadt des Präsidenten Wladimir Putin ist.

Nie im kirchlichen Besitz

Das Büro des Sankt Petersburger Gouverneurs Georgi Poltawtschenko verkündete Anfang Januar, die Isaakskathedrale werde aus staatlichem Museumsbesitz an die Russisch-Orthodoxe Kirche übergeben. Poltawtschenko habe das mit dem Moskauer Patriarchen Kirill vereinbart, sagte ein Sprecher. Details werde man noch klären, doch die "Funktion als Museum" solle auch künftig erhalten bleiben. Geplant sei, die Kathedrale spätestens ab 2019 für 49 Jahre der Kirche zu übergeben.

Dabei war die Isaakskathedrale seit ihrem Bau Mitte des 19. Jahrhunderts nie im kirchlichen Besitz und war schon zu Zarenzeiten dem Hof unterstellt. Das jetzige staatliche Museum wurde zu Sowjetzeiten geschaffen und beheimatete zunächst auch atheistische Ausstellungen. Seit den 1990er Jahren werden in der Kathedrale wieder orthodoxe Gottesdienste abgehalten. Die Kirche bemühte sich zuletzt immer stärker um eine Übernahme. 2015 hatte sie noch eine Absage von der Stadt bekommen. Warum jetzt anders entschieden wurde, ist unklar. Gouverneur Poltawtschenko gilt jedenfalls als streng gläubig.

Foucaultsches Pendel in der IsaakskathedraleBild: Imago/Itar-Tass

Sorge um das Museum

Die Übergabe-Pläne lösten jedoch Proteste aus. Für Aufsehen sorgte ein offener Brief des Vorsitzenden des Russischen Museumsverbandes und Leiters des berühmten Eremitage-Museums, Michail Piotrowski, an Kirill. Darin bat er den Patriarchen, die Übernahme der Isaakskathedrale auf Eis zu legen, da die Pläne zu Konflikten geführt hätten. In einer Erklärung des Museumsverbands heißt es, die Übergabe an die Kirche "zerstört das Museum": "Hinter jedem Museum steht ein Team und bei weitem nicht jeder Mitarbeiter einer staatlichen Einrichtung ist bereit, Mitglied einer religiösen Organisation zu werden." Kirill ließ mitteilen, er sei für einen Dialog offen.

Die Gegner der Übergabe organisierten bereits zwei Kundgebungen in Sankt Petersburg. Zuletzt versammelten sich am vergangenen Samstag rund 2000 bis 3000 Menschen auf dem Marsfeld, um für den Erhalt der Isaakskathedrale als Museum zu demonstrieren. Die Teilnehmer schlagen ein Referendum über das Schicksal der Isaakskathedrale vor. Der Protest könnte für seine Teilnehmer unangenehme Folgen haben. Der Stadtrat appellierte am Mittwoch an die Sicherheitsorgane, darunter den Generalstaatsanwalt, die Protestler wegen "Beleidigung der Gefühle Gläubiger" zu bestrafen.

Demonstration gegen die Übergabe der Isaakskathedrale vom Staat an die KircheBild: DW/W. Isotow

Kein Einzelfall

Die Geschichte mit der Isaakskathedrale ist kein Einzelfall und scheint eine Tendenz fortzusetzen. In Sankt Petersburg wurden bereits die Smolny-Kathedrale und die Sampson-Kathedrale der orthodoxen Kirche übergeben. Die eine war ein Konzertsaal, die andere ein Museum.

Auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim gibt es einen ähnlichen Streit um das archäologische Museum "Chersones" in Sewastopol. Im Sommer 2015 wurde ein Priester zum neuen Museumsdirektor ernannt, was Proteste der Mitarbeiter auslöste. Der Priester machte daraufhin einen Rückzieher. Nun sorgt "Chersones" wieder für Schlagzeilen. Die Krim-Diözese der orthodoxen Kirche möchte insgesamt 24 Bauten des Museumskomplexes, die früher Teil eines Klosters waren, 50 Jahre kostenlos nutzen und stellte einen entsprechenden Antrag. Das Museum hofft auf eine Kompromisslösung. "Chersones" hat für den russischen Präsidenten Putin offenbar eine besondere Bedeutung. In seiner Rede anlässlich der Krim-Annexion im März 2014 hat der Kremlchef den Ort als "heilig" bezeichnet, weil sich dort der mittelalterliche Fürst Wladimir von Kiew taufen ließ.

Präsident, Armee, Kirche

Die Befürworter der Übergabe der Isaakskathedrale an die orthodoxe Kirche planen am 11. Februar eine Prozession durch Sankt Petersburg und rechnen mit rund 10.000 Teilnehmern. Lokale Politiker der regierenden Kreml-Partei "Einiges Russland" werden als Mitveranstalter dabei sein.

Der Einfluss der orthodoxen Kirche im heutigen Russland ist nicht zu unterschätzen. Präsident Putin gilt als gläubig und lässt sich gerne in Kirchen filmen. Auch Patriarch Kirill soll eine enge Verbindung zu den Machthabern haben. Am 1. Februar sind es genau acht Jahre, die er der Russisch-Orthodoxen Kirche vorsteht. Aus diesem Anlass kam der Ministerpräsident Dmitri Medwedew persönlich in die Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau und überreichte dem Kirchenoberhaupt Glückwünsche und weiße Rosen.

Laut Umfragen des staatsnahen Meinungsforschungsinstituts WZIOM ist die Kirche eine Institution, die in Russland ein besonders hohes Ansehen genießt. Rund drei Viertel (73 Prozent) der Russen würden der Russisch-Orthodoxen Kirche vertrauen. Nur der Präsident und die Armee seien noch beliebter.

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