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Streit um Kompromiss-Vorschlag für Ostukraine

Dmytro Kaniewski (mo)1. Oktober 2015

Ein Plan des ehemaligen französischen Diplomaten Pierre Morel könnte zu einem Kompromiss im Konflikt um den Donbass führen. Doch in Kiew gibt es Zweifel an dem neuen Vorstoß.

Ukraine Donezk Überwachungen an Grenze (Foto: ANATOLII STEPANOV/AFP/Getty Images)
Bild: Anatoli Stepanov/AFP/Getty Images

Kiew besteht darauf, dass die Kommunalwahlen am 25. Oktober auch im Donbass nach ukrainischem Recht abgehalten werden. Doch die selbsternannten "Volksrepubliken Donezk und Luhansk" haben einen anderen Wahltermin festgelegt und wollen ihren Urnengang nicht mit Kiew abstimmen. Das wertet die ukrainische Regierung als Bruch der Minsker Vereinbarungen. In Minsk hatten sich Anfang des Jahres Kiew und die prorussischen Separatisten auf einen Fahrplan für eine Lösung des Konflikts in der Ostukraine geeinigt.

Pierre Morel, Koordinator der Arbeitsgruppe Politik in der trilateralen Kontaktgruppe Ukraine-Russland-OSZE zur friedlichen Beilegung des Konflikts im Donbass, hat nun einen neuen Plan vorgelegt. Medienberichten zufolge sieht er vor, dass nach der Annahme eines Sondergesetzes durch das ukrainische Parlament separate Wahlen im Donbass stattfinden sollen.

Pierre Morel sucht nach Kompromissen zwischen Kiew und dem DonbassBild: cc-by-sa/Jwh

Der Kompromiss bestehe darin, dass die Wahlen, wie es Kiew wünsche, zwar nach ukrainischem Recht abgehalten würden, aber die nicht anerkannten Republiken die Möglichkeit bekämen, sie nach ihren eigenen Regeln selbst durchzuführen. So könnte, meint der Autor des Plans, der Weg zu einem vollwertigen politischen Dialog und zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen geebnet werden. Diese sehen vor, dass der Donbass Teil der Ukraine bleibt und Kiew seine Souveränität über die Region wiederherstellt.

"Morels persönliche Meinung"

In Kiew ist man von Morels Plan aber nicht begeistert. Präsident Petro Poroschenko sagte, er bewerte ihn lediglich als "Morels persönliche Meinung". Oleksij Makejew vom ukrainischen Außenamt sagte der DW, die Ukraine lehne den "Morel-Plan" nicht grundsätzlich ab und könnte ihn als einen von mehreren Vorschlägen erörtern. Er betonte aber, die Minsker Vereinbarungen seien für Kiew das Hauptdokument.

Doch Deutschland, Frankreich und Russland, die gemeinsam mit der Ukraine das sogenannte "Normandie-Format" bilden, sehen dies anders. Das Auswärtige Amt teilte mit, Berlin ziehe den "Morel-Plan" als Grundlage für die weitere Lösung der Krise im Donbass in Betracht. Diese Position spiegelt sich auch in der Mitteilung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach den Gesprächen der Außenamtschefs des "Normandie-Formats" in Berlin am 12. September wider. Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow schlug vor, sich auf Morels Ideen zu stützen. Das französische Außenministerium begrüßte ebenfalls in einer Stellungnahme für die DW Morels Bemühungen.

Russland, Deutschland, Frankreich und die Ukraine bilden das "Normandie-Format"Bild: picture-alliance/dpa/RIA Novosti/V. Tolochko

Experten äußern Bedenken

Doch in der Ukraine wird der "Morel-Plan" sogar als Ultimatum wahrgenommen. Maria Solkina vom Kiewer Forschungszentrum "Demokratische Initiativen" sagte der DW, die westlichen Partner würden Kiew zu einem Kompromiss drängen und dabei den Hebel der wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeit von westlicher Hilfe einsetzen. Solkina warnt, mit einer Zustimmung der ukrainischen Führung zum "Morel-Plan" würden die "Quasi-Republiken" im Donbass de facto anerkannt. "Letztlich werden wir diese Gebiete wirtschaftlich unterhalten müssen, aber politisch werden wird dort keinen Einfluss haben", so die Expertin.

Auch Andrew Wilson vom Europäischen Rat für Auslandsbeziehungen (ECFR) sieht große Risiken für Kiew. Morels Vorschläge gehörten in den "Papierkorb", sagte er der DW. Die formale Zugehörigkeit des Donbass zur Ukraine ermögliche es Moskau, den Rest des Landes zu destabilisieren. Kiew, so Wilson, könne Morels Plan ablehnen und sich ausschließlich auf die Minsker Vereinbarungen berufen.

Nach Ansicht des französischen Sicherheits- und Politikexperten Mathieu Boulègue hat die Ukraine allerdings wegen ihrer schwierigen wirtschaftlichen und politischen Lage kaum Spielraum für diplomatische Manöver. "Die Ukraine muss einen Kompromiss eingehen. Das wissen die Ukrainer, aber das Problem ist, dass sie das nicht wollen", so Boulègue im Gespräch mit der DW.

Absprachen zwischen Washington und Moskau?

Nach Angaben von Vertretern diplomatischer Kreise in Paris, die nicht genannt werden wollen, ist der "Morel-Plan" kein rein europäisches Angebot. Einige Vorschläge zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen wurden bereits zwischen Washington und Moskau direkt erörtert. Noch im Mai erklärte die Europabeauftragte der US-Regierung, Victoria Nuland, Washington wolle seine Rolle bei der Beilegung des Konflikts im Donbass stärken.

Victoria Nuland führt auch Gespräche mit der Führung in MoskauBild: Getty Images/AFP/A. Nemenov

Ende Juli sollen, so jene Vertreter diplomatischer Kreise, zwischen Nuland und Grigorij Karasin, Staatssekretär im russischen Außenamt, allgemeine Grundzüge von Kompromissen in strittigen Fragen diskutiert worden sein.

Später wurde Morel beauftragt, Details zu erarbeiten. Nachdem sein Paket mit Vorschlägen geprüft wurde, schlug der französische Präsident François Hollande ein Treffen der Staats- und Regierungschefs der Länder des "Normandie-Formats" im Oktober in Paris vor.

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