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Literatur

Streit um rechte Verlage auf der Buchmesse

21. Oktober 2021

"Kein Platz für Nazis" - fordert die schwarze Autorin Jasmina Kuhnke und hat ihren Auftritt auf der Buchmesse abgesagt. Die Messe pocht auf Meinungsfreiheit.

Jasmina Kuhnke im Portrait.
Die Autorin Jasmina Kuhnke sagte ihren Buchmessenauftritt abBild: Marvin Ruppert

Es ist eine Kontroverse, die nicht zum ersten Mal geführt wird: Messechef Jürgen Boos verteidigt die Anwesenheit des neurechten Dresdner Verlags Jungeuropa auf der Buchmesse mit dem Hinweis auf die Meinungsfreiheit. Diese Haltung stiftet Unmut und sorgte bereits für eine Absage. Die schwarze Autorin Jasmina Kuhnke weigert sich, an der ARD-Buchnacht teilzunehmen, auf der sie ihren Debütroman "Schwarzes Herz" vorstellen wollte. Auf Twitter drückte sie ihre Empörung über die Buchmesse aus.

Warum darf der Verlag Jungeuropa auf die Messe?

Der Verlag Jungeuropa, der seinen Stand in Halle 3.1 der Buchmesse aufgebaut hat, wird von einem bekennenden neuen Rechten geleitet. Verleger ist der 30-jährige Dresdner Rechtsextreme und Aktivist Philip Stein. Davor war er Pressesprecher der Deutschen Burschenschaft. Heute organisiert er das rechte Crowdfunding-Projekt "Ein Prozent für unser Land", das im Umfeld der AfD für die Verbreitung nationalistischer und asylrechtsfeindlicher Ideen wirbt. Die Auftritte von "Ein Prozent" bei Facebook, Instagram und YouToube sind aktuell gesperrt. Im jüngsten Verfassungsschutzbericht wird "Ein Prozent" als Verdachtsfall aufgeführt.

Messechef Jürgen BoosBild: Michael Debets/picture-alliance/Pacific Press

"Neben mir ist kein Platz für Nazis - und deshalb werde ich an der diesjährigen Messe nicht teilnehmen", schrieb die Autorin Jasmina Kuhnke vor Beginn der Buchmesse auf Twitter. Die ARD habe sie zu einer Diskussionsrunde eingeladen. Dies sei "wegen der Bedrohung durch Rechte" nur unter besonderen Schutzmaßnahmen möglich und sei deshalb vorab nicht angekündigt worden. Dann habe sie erfahren, dass unweit der Bühne der Verlag Jungeuropa ausstellen darf.

Kuhnke fürchtet um ihre Sicherheit

Als Leiter des rechtsextremen Gemeinschafts-Projekts "Ein Prozent für unser Land" habe Philip Stein öffentlich geschrieben, dass sie abgeschoben werden solle, so Kuhnke. "Es ist also damit absehbar, dass über den Verlag und Autor*innen hinaus auch weitere Rechtsextreme die Messe besuchen werden, was die Gefahr für mich persönlich unübersehbar gegenwärtig macht."

Der rechte Verleger Philip SteinBild: picture alliance/dpa/M. Reichel

Davon abgesehen, so Kuhnke, empfinde sie es als untragbar, Nazis Raum zu bieten, sich darstellen zu dürfen. "Ich rede nicht mit Nazis. Ich höre Nazis nicht zu. Ich lese keine Bücher von Nazis", schreibt die schwarze Autorin auf Twitter, "deshalb habe ich mich entschieden, zum Nachteil für die Präsenz meines Buches und die damit verbundene Werbung für dieses, meine Auftritte im Rahmen der Frankfurter Buchmesse 2021 abzusagen." Ihr bleibe "nur das Mittel des Boykotts, um mich als Schwarze Frau zu schützen."

Messe: Kein Gesetzesverstoß

In Interviews verteidigte Messechef Jürgen Boos die Zulassung des rechten Verlags: "Solange die Meinung nicht gegen Gesetze verstößt, muss jeder am Meinungsaustausch auf der Messe teilnehmen können", so Boos im Deutschlandfunk: "Ich bedauere sehr, dass die Autorin nicht an diesem Diskurs teilnimmt." Die persönliche Unversehrtheit sei garantiert, sagt Boos: "Die Sicherheitsmaßnahmen auf der Frankfurter Buchmesse sind extrem hoch." Der Branchentreff sei immer auch Plattform für politischen Diskurs, so Boos: "Wir haben an allen Ecken und Enden Streitereien. Das gehört zur DNA der Buchmesse."

Unterdessen solidarisierte sich die Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank mit der Autorin Jasmina Kuhnke. "Es ist ein Desaster für unsere offene Debattenkultur, wenn sich Betroffene von Rassismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit von der Frankfurter Buchmesse als der größten Debattenmesse des Landes zurückziehen, weil sie sich dort nicht sicher fühlen", erklärte Bildungsstätten-Direktor Meron Mendel. Anschläge wie in Halle, Hanau oder auch der Mord an dem ehemaligen Landtagsmitglied Walter Lübcke vor zwei Jahren machten überdeutlich, dass die giftige Ideologie der Rechten eine konkrete Gefahr für Menschenleben bedeute. "Wer ihnen auf prominenten bürgerlichen Plattformen wie der Frankfurter Buchmesse ein Podium bietet, trägt zur weiteren Normalisierung und Verbreitung von Menschenhass bei." 

Ideologie der Rechten eine "Gefahr für Menschenrechte"

Ähnlich äußerte sich Michael Müller, kulturpolitischer Sprecher der Linken-Fraktion in Frankfurts Rathaus Römer. "Die Frankfurter Buchmesse darf diesen Verlagen keine Bühne bieten, auch nicht in der hinterletzten Ecke", betonte er. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung in Deutschland werde "damit ganz sicher nicht beschnitten".

Die Debatte um rechte Verlage auf der Buchmesse flammte bereits 2017 auf. Bereits im Vorfeld der damaligen Frankfurter Buchmesse wie auch auf der nachfolgenden Leipziger Buchmesse wurde die Frage diskutiert, ob rechte Verlage teilnehmen dürfen oder nicht. Die Buchmessen verstehen sich von jeher als Ort des Austausches und der Meinungsfreiheit. Doch wo genau liegt die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Hetze?Auch vor vier Jahren stellte Jürgen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, klar, dass es keine rechtliche Handhabe für ein Verbot rechter Verlage gebe. "Eine Idee verschwindet nicht, indem man sie verbietet", so Boos damals in einem Interview mit der DW. Der damalige Chef des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Heinrich Riethmüller, argumentierte: "Wenn wir Meinungsfreiheit ernst nehmen, müssen wir sie auch jenen zugestehen, deren Wertvorstellungen und Meinungen wir nicht teilen, ja deren Ansichten wir sogar für gefährlich halten." Der Verlag Jungeuropa reagierte - ebenfalls auf Twitter - auf die Erklärung Kuhnkes. "Die 'Überraschungsgästin' hat ihren Auftritt (angeblich) wegen unserer Teilnahme abgesagt. Was bleibt: Eine Frau, die anscheinend wirklich glaubt, irgend ein Rechter würde sie kennen oder sich für sie interessieren. Absurd." In Frankfurt kam es 2017 gegen Ende der Messe zu Tumulten am Stand eines rechtsgerichteten Verlags, die Polizei musste eingreifen. Deshalb überarbeiteten sowohl die Frankfurter als auch die Leipziger Messe ihr Sicherheitskonzept.

Protestaktion gegen rechte Verlage auf der Leipziger Buchmesse 2018Bild: picture-alliance/dpa/S. Willnow

Seit Mittwoch ist die Messe für das Fachpublikum geöffnet, ab diesem Freitag dann für alle Besucher. Die Messe endet am kommenden Sonntag mit der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an die 62-jährige Autorin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe.

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