Streit um Sanierung der Krankenversicherungen
17. März 2010Im Zeichen des anhaltenden Streits über die Reform der Krankenkassenfinanzierung ist die von der Bundesregierung eingesetzte Gesundheits-Kommission am Mittwoch (17.03.2010) erstmals zusammengekommen. Acht Bundesminister berieten bei der Auftakt-Sitzung in Berlin über das angestrebte Gesamtpaket für eine Gesundheitsreform. Zunächst ging es nach Angaben des Gesundheitsministeriums darum, die Schwerpunkte zu setzen und eine Bestandsaufnahme vorzunehmen. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) zeigte sich trotz der Fülle der Probleme demonstrativ zuversichtlich, dass es der Kommission gelingen werde, eine "konstruktive Lösung" für den Einstieg in eine "sozial ausgewogene Finanzierung" zu finden.
Massive Vorbehalte der CSU
Schon vor der Sitzung machte die CSU nochmals deutlich, sie werde die von der FDP geforderten gehaltsunabhängigen - also einheitlichen - Krankenkassenbeiträge in keinem Fall mittragen. Sie befürchtet soziale Unausgewogenheit und neue unkontrollierbare Steuerbelastungen.
Diese so genannten Kopfpauschalen sollten aber ein zentrales Thema der Kommission sein. CSU-Sprecherin Dagmar Kaiser sagte, geklärt werden müsse, wie der Einstieg in eine sozial ausgewogene Finanzierung des Gesundheitswesen aussehe.
Minister Rösler hatte bereits für diejenigen, die diese Kopfpauschale nicht zahlen könnten, einen automatischen Sozialausgleich angekündigt. Über das Steuersystem würden damit auch Bezieher hoher Einkommen und andere Einkunftsarten herangezogen. Nach Medienberichten will Rösler den 2005 eingeführten Zusatzbeitrag der Arbeitnehmer in Höhe von 0,9 Prozentpunkten durch eine Pauschale in Höhe von 29 Euro ersetzen. Die CSU kritisiert hier, dieser Zwischenschritt koste zusätzlich fünf bis zehn Milliarden Euro und müsse über Steuern finanziert werden.
CDU will Sozialausgleich aus Steuermitteln
Ungeachtet der Bedenken aus der CSU verteidigte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Pläne der Koalition. Ihr Hauptargument: Der angestrebte Sozialausgleich aus Steuermitteln sei gerechter als ein Ausgleich zwischen Arm und Reich allein über Beiträge zu den Krankenversicherungen. Die CDU-Chefin verwies auf die beitragsfreie Mitversicherung für Kinder - sowohl in der gesetzlichen als auch in der privaten Krankenversicherung -, die inzwischen im Wesentlichen aus dem Steuertopf bezahlt werde. "Warum soll für Erwachsene falsch sein, was für ein Kind richtig ist", sagte Merkel.
Befürchtungen: "Leistungen sollen gestrichen werden"
Die Opposition befürchtet vor allem einen Abbau der Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte der "Passauer Neuen Presse", eine Kopfpauschale koste 35 Milliarden Euro Sozialausgleich im Jahr, der Gesundheitsminister wolle weniger als zehn Milliarden Euro ausgeben. Daraus könne man nur einen Schluss ziehen: "Es sollen Leistungen gestrichen werden, die die gesetzlich Versicherten in Zukunft bei den Privatkassen einkaufen müssten."
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erklärte, die Einführung einer Kopfpauschale würde dazu führen, dass die 70 Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung alle Kostensteigerungen im Gesundheitswesen oder krisenbedingte Defizite allein tragen müssten. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte, allein im nächsten Jahr werde ein Defizit der gesetzlichen Krankenversicherung von elf Milliarden Euro befürchtet. "Eine solch ungerechte Lastenverschiebung wäre reine Abzocke der Bürger."
Zusammensetzung der Kommission
Für die Bestandsaufnahme in der Gesundheits-Kommission wurden Experten in die Ministerrunde geladen: der Präsident des Bundesversicherungsamtes, Maximilian Gaßner, und der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Eberhard Wille.
Die achtköpfige Kommission wird von Bundesminister Rösler geleitet. Ihr gehören außerdem die Bundesminister für Finanzen, Wirtschaft, Inneres, Verbraucher, Familie, Arbeit und Justiz an.
Autor: Herbert Peckmann (rtr, dpa apn, afp)
Redaktion: Martin Schrader