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Streit um staatliche Gelder

26. Mai 2004

Der Konflikt um staatliche Gelder zwischen dem Zentralrat der Juden und der Union progressiver Juden (UPJ) eskaliert. Bundeskanzler Schröder weigert sich, einzugreifen. Die UPJ droht jetzt mit einer Klage.

In Deutschland leben rund 100.000 Menschen jüdischen GlaubensBild: AP

Am Mittwoch (21.4.) trafen Gerhard Schröder und der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, zusammen. Der Zentralrat der Juden ist die von staatlichen Mitteln Hauptbegünstigte jüdische Organisation in Deutschland. Schröder und Spiegel konnten bei ihrem Treffen keine Lösung für den andauernden Konflikt zwischen dem Zentralrat und der UPJ finden.

Schröders Sprecher Thomas Steg sagte, die Regierung werde sich nicht in innere jüdische Angelegenheiten einmischen. Die Regierung sei durch ihre weltanschauliche Neutralität verpflichtet, sich aus Angelegenheiten wie dieser herauszuhalten.

Vertrag als Konfliktherd

Im Mittelpunkt des Konflikts, der schon seit Jahren vor sich hin brodelt, liegt ein historischer Vertrag. Der Vertrag wurde im Januar 2003 von der deutschen Regierung und dem traditionell-orthodoxen Zentralrat der Juden unterschrieben. Laut diesem Vertrag bekam der Zentralrat denselben Status wie die protestantische und katholische Kirche in Deutschland.

Der Staatsvertrag verpflichtet die deutsche Regierung, dem Zentralrat jährlich drei Millionen Euro zu zahlen. Diese Zahlung soll das "deutsch-jüdische Kulturerbe erhalten und pflegen, die jüdische Gemeinde weiter aufbauen und einen Beitrag leisten zur Integration sowie bei der Erfüllung sozialer Aufgaben helfen."

Zentralrat verweigert Anerkennung

Die UPJ, die nach eigenen Angaben 3000 Mitglieder hat, sagt, die Bundesregierung sei rechtlich verpflichtet, alle jüdischen Richtungen zu unterstützen. Deshalb sei es nicht rechtmäßig, dass sie von den Zahlungen ausgeschlossen werde. Laut UPJ weigere sich der Zentralrat, der die Mehrheit der Juden in Deutschland vertritt, die reformierten jüdischen Gemeinden anzuerkennen.

Nach dem Gespräch zwischen Schröder und Spiegel am Mittwoch kritisierte der UPJ-Vorsitzende Jan Mühlstein Schröders Standpunkt. Der Streit sei keine interne jüdische Angelegenheit. Es gehe im Gegenteil um die Anwendung des Staatsvertrags von 2003. "Wenn es keine Lösung gibt, werden wir uns wieder an die Regierung wenden", sagte Mühlstein. "Als letzte Möglichkeit werden wir vor Gericht gehen."

Uneinigkeit über Bedeutung der Union

Der Zentralrat, der 84 Gemeinden in Deutschland vereint, stellt die Bedeutung der Union für das Judentum in Deutschland in Frage. "Es wird merkwürdig, wenn angesichts von 2000 Mitgliedern in den Reformgemeinden und 100.000 organisierten Juden im Zentralrat von einer wachsenden Bedeutung der progressiven Juden gesprochen wird", sagte Spiegel dem "Tagesspiegel".

Außerdem gehe es in dem mit Deutschland geschlossenen Vertrag nur um Gelder, "die ausschließlich für die satzungsgemäßen Aufgaben des Zentralrates auf Bundesebene Verwendung finden.

Weiterentwicklung des Glaubens

Deutschlands progressive Juden, deren Zahl mit den Migranten aus Ost-Europa seit 1989 ständig zunimmt, haben die Union progressiver Juden 1990 gegründet. Heute repräsentiert die UPJ 14 Gemeinden. Die progressiven Juden, die den berühmten Rabbi Leo Baeck als einen der wichtigsten Vertreter des fortschrittlichen Judentums ansehen, betrachten sich selbst als Alternative zum Zentralrat.

Sie betonen die Weiterentwicklung ihres Glaubens in der Gegenwart. Dazu gehört das ständige Weiterschreiben ihrer Gebetsbücher - nicht nur auf hebräisch, sondern auch in ihrer jeweiligen Landessprache. Ein weiterer wichtiger Punkt ist für sie die Teilnahme von Frauen an religiösen Zeremonien in der Synagoge.

Neue Wendung im Konflikt

Wie die "Netzeitung" berichtete, nahm der Konflikt jetzt eine weitere Wendung: Die Nachkommen von Leo Baeck sollen dem US-amerikanischen Zentralrat verboten haben, Baecks Namen zu verwenden. "Wir können als Familie von Leo Baeck nicht verantworten, dass eine Organisation, die sein Erbe ausschlägt, seinen Namen missbraucht", sagte Baecks Enkelin Marianne Dreyfus in der Erklärung. (sp)

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