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Streit um WM-Vergabe zwischen FIFA und Marokko

Bachir Amroune
5. April 2018

Weniger als 24 Stunden vor Bewerbungsschluss für die WM 2026 führt die FIFA neue Bewertungskriterien ein, die nachteilig für Marokkos Chancen sind. Der marokkanische Fußballverband legt nun Beschwerde ein.

Fußball-WM 2026 in Marokko
Bild: picture-alliance/dpa/B. Horvat

Bei Bekanntgabe seiner Kandidatur für die Ausrichtung der Fußball-WM 2026 im vergangenen August, galt Marokko noch als absoluter Außenseiter. Außerhalb jeder Konkurrenz schien damals die gemeinsame Bewerbung von Mexiko, Kanada und der USA. Seit einigen Monaten zeichnet sich aber, vor allem dank Präsident Donald Trumps Krawallpolitik, ein Stimmungswechsel hinter den Kulissen des Fußballweltverbands FIFA ab.

Viele Länder hat Trumps undiplomatische Rhetorik sehr verärgert. Gerade die weniger entwickelten unter ihnen, die einen Großteil der 207 stimmberechtigten FIFA-Mitglieder ausmachen, und die von Trump als "Drecksloch-Staaten" bezeichnet wurden, wollen den USA deswegen einen Denkzettel verpassen. Aber auch mehrere UEFA-Mitglieder, allen voran Frankreich, Russland und Belgien, haben sich auf Marokkos Seite geschlagen.

Außerdem ist es um das Verhältnis zwischen den USA und deren beider Nachbarn nicht zum Besten bestellt. Gegen Kanada ließ Trump schmerzhafte Strafzölle verhängen und Mexiko soll selbst die Milliardenkosten für die Grenzmauer tragen. Streit gibt es auch, weil der Fußballzwerg USA im Falle der WM-Vergabe 60 der 80 Spiele austragen soll. Für die Fußballnation Mexiko ist das inakzeptabel.

Der Erfolg der marokkanischen Bewerbung schien daher in greifbarer Nähe. Viele räumten dem Land an der Nordwestspitze Afrikas realistische Chancen ein, auch weil die Vergabe der WM 2026 erstmals in der Geschichte der FIFA durch die Wahl aller Mitglieder in der Generalversammlung geschehen soll - und nicht wie bisher vom korruptionsanfälligeren, 25-köpfigen Exekutivkomitee.

Infantinos Gegenangriff

FIFA-Präsident Infantino favorisiert die NordamerikanerBild: picture-alliance/dpa/C. Charisius

Doch wen der Stimmungswandel in der FIFA von einem sicheren Sieg der marokkanischen Bewerbung überzeugt hat, der hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht: FIFA-Präsident Gianni Infantino. Der Schweizer beerbte im Februar 2016 seinen wegen Korruptionsvorwürfen geschassten Landsmann Sepp Blatter und versprach das lädierte Image des Fußballweltverbands aufzupolieren.

Infantinos Nähe zum amerikanischen Fußballverband ist kein Geheimnis. Beobachter gehen davon aus, dass er dem USSF im Gegenzug für seine Unterstützung bei seiner Wahl zum FIFA-Präsidenten die Ausrichtung der WM 2026 versprochen hatte und seitdem mehrere Maßnahmen in die Wege leiten ließ, um den marokkanischen Konkurrenten zu benachteiligen.

Für einen ersten Aufschrei sorgte bereits im vergangenen Februar das von der FIFA ausgesprochene Verbot, die marokkanische Kandidatur während der Versammlung der 54 Mitglieder der afrikanischen Fußballkonföderation CAF in Casablanca zu bewerben. Während die Nordamerikaner dies vor den Mitgliedern des Fußballverbands des südlichen Afrikas (COSAFA) aber taten. Als Reaktion darauf erklärte der Präsident des afrikanischen Verbands - eigentlich ein Verbündeter Infantinos - dass er keine Mühen scheuen werde, um Marokko zu unterstützen.

Neue Kriterien für Bewerbung

Jetzt soll eine fünfköpfige Kommission nach Vorort-Besuchen Mitte April bewerten, inwiefern die jeweiligen Kandidaturen den FIFA-Kriterien genügen. Darunter sind auch Kriterien, die die FIFA den Marokkanern erst wenige Stunden vor Bewerbungsschluss mitteilte und die Bedingungen enthalten, die Marokko eindeutig benachteiligen. Plötzlich müssen die Flughäfen des WM-Organisators 60 Millionen Passagiere jährlich abfertigen, die Strecke zwischen Austragungsort und Flughafen eineinhalb Stunden nicht überschreiten und die Austragungsstädte mindestens 250.000 Einwohner haben. Während diese Bedingungen einen Klacks darstellen für den nordamerikanischen Kontinent mit seinen zahlreichen Metropolen und seiner gut ausgebauten Infrastruktur, scheitern am Einwohnerkriterium alleine bereits drei potentielle Austragungsorte in Marokko. Dadurch droht dem ganzen Land das Aus noch vor der eigentlichen Abstimmung im Juni.

Die Zahlen sprechen für Nordamerika

Der Traum von der eigenen WM: bereits 4 mal ist Marokko mit seiner Kandidatur gescheitertBild: picture-alliance/Pressefoto ULMER

Marokko aber wehrt sich. Der Präsident des marokkanischen Fußballverbands FRMF, Fouzi Lekjaa, hat sich bei der FIFA beschwert und angekündigt, das neue "unfaire und intransparente" Bewertungssystem nicht zu akzeptieren. Mehrere afrikanische Unterstützer Marokkos haben auch ihren Unmut über Infantinos Winkelzug geäußert und eine Intervention der CAF gefordert. Es bleibt daher abzuwarten, ob der FIFA-Präsident seine Favoriten wirklich auf diese wenig elegante Art gewinnen lässt. Denn um genau solche Skandale zu verhindern ist er damals angetreten.

Ungeachtet der politischen Ränkespiele ist die nordamerikanische Kandidatur klar im Vorteil. Während die USA, Mexiko und Kanada theoretisch jetzt schon für das Fußballfest bereit wären, müsste Marokko, das seit 1990 mit vier Bewerbungen gescheitert ist, mindestens 13 Milliarden Euro investieren. Das Land müsste mindestens sieben neue Stadien bauen, um die erste WM mit 48 Mannschaften austragen zu können, die Infrastruktur müsste massiv modernisiert und zusätzlich 30.000 Hotelzimmer gebaut werden.

Marokko hat andere Probleme

Laut den offiziellen - optimistischen - Berechnungen der marokkanischen WM-Kommission fehlen dem hochverschuldeten Land mindestens zwei Milliarden Euro. Die Saudis, in den vergangenen Jahrzehnten waren sie die traditionellen Sponsoren der absoluten Monarchie, haben klar gemacht, dass sie die aktuellen WM-Ambitionen nicht finanzieren werden - sie sind immer noch erbost über Marokkos Unterstützung für Katar in der aktuellen Golfkrise. 

Wenn man sich das finanzielle Fiasko anschaut, das von den letzten sportlichen Großereignissen verursacht wurde, dann bleibt zu hoffen, dass der WM-Kelch an Marokkos Bevölkerung vorübergeht. Ihre wirklichen Sorgen gelten der hohen Arbeitslosigkeit, den maroden Gesundheits- und Bildungssektoren. Der Traum von der WM ist vielmehr ein Prestigeprojekt von König Mohamed VI.

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