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Streit ums Kohlendioxid beigelegt

Detlev Karg / arn30. März 2004

Bis zum 31. März müssen die EU-Staaten ihre Plandaten für den Emissionsrechtehandel an Brüssel melden. Ausgerechnet die Regierung der größten Volkswirtschaft Europas, Deutschland, war monatelang zerstritten.

Kohlekraftwerke: Verlierer im Rennen um die Zertifikate?Bild: AP

Brüssel wartet auf die deutschen Daten des "Nationalen Allokationsplans" zum Emissionsrechtehandel. Dieser soll die Zuteilung der Rechte-Zertifikate auf etwa 2400 Anlagen regeln, die an dem System in der ersten Phase von 2005 bis 2008 teilnehmen. Nach fünf Stunden Debatte im Kanzleramt sieht der Kompromiss der Streithammel Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) und Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) folgendermaßen aus: Der Ausstoß der beteiligten Industrieanlagen soll bis 2007 auf 503 Millionen Tonnen Kohlendioxid und bis 2012 auf 495 Millionen Tonnen begrenzt werden. Für 2012 solle es eine Überprüfungsklausel geben. Der Umweltminister rückte damit von seiner ursprünglichen Forderung ab, den CO2-Ausstoß der Industrie bis 2012 auf 480 Millionen Tonnen zu senken. Damit liegen beide Kennzahlen um jeweils 15 Millionen Tonnen über den Vorstellungen Trittins und relativ nahe an den Forderungen Clements.

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang ClementBild: AP

Polittheater á la Deutschland

Der Emissionshandel soll zum 1. Januar 2005 in der Europäischen Union eingeführt werden. Kraftwerke, Industrieanlagen und große Fabriken müssen für jede Tonne Kohlendioxid ein entsprechendes Verschmutzungsrecht vorweisen. Wird mehr ausgestoßen, müssen Zertifikate zugekauft werden. Dass es den Emissionsrechtehandel geben soll, ist unstrittig. Strittig waren aber seit einem halben Jahr die Eckdaten, die für Deutschland gelten sollen. Auf der Berliner Polit-Bühne kämpften der grüne Umweltminister Jürgen Trittin und SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement. Ganz nach dem Muster des Dosenpfand-Streits legte sich Trittin mit den Sozialdemokraten und Teilen der Industrie gleichermaßen an - die Debatte verkam zum reinen Machtspiel. Schlussendlich musste Bundeskanzler Gerhard Schröder wieder einmal eingreifen.

Gegen zu hohe Auflagen

Clement sprach von einem "vernünftigen Weg", auf den sich beide Seiten verständigt hätten. Die Übereinkunft stärke den Klimaschutz, trage aber auch der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft Rechnung. Er hatte ohnehin genug von den Vorstellungen der grünen Ökopartei, die die deutsche Wirtschaft zu Gunsten einer Musterschülerrolle in der Welt Geld kosten. "Wir sind heute schon weltweit Vorreiter im Klimaschutz. Wir dürfen nicht Alleingänger werden", sagte Clement kürzlich in einem Zeitungsinterview. Warum? Wenn ein Unternehmen die ehrgeizigen deutschen Klimaziele nicht erfüllen kann oder will, besteht ein Anreiz zur Verlagerung ins Ausland.

Unterschiedliche Interessen in der Industrie

Beispiel Energieversorger: Die Folgen für die ostdeutsche Braunkohleindustrie wären hart. Deren Besitzer Vattenfall Europe müsste von Anfang an Zertifikate zukaufen und rechnet mit Zusatzkosten bis zu 360 Mio Euro. Andere Versorger hoffen dagegen auf Gewinne. So fordern Eon und RWE zusätzliche Zertifikate für ihre emissionsfreien Kernkraftwerke. Thyssen Krupp wiederum wehrt sich gegen die Pläne. Um die Emissionen weiter zu verringern, müsste bei den Stahlkochern die Rohstahlproduktion eingeschränkt werden - und das in Zeiten eines boomenden Stahlmarktes. Deshalb ist es auch Teil der nun gefundenen Vereinbarung, dass energieintensive Betriebe wie Stahlwerke sowie die Glas- und Keramikindustrie von der Reduktionsverpflichtung ausgenommen sind.

Gleichzeitig gibt es einen Parlamentsvorbehalt. Damit soll der Bundestag die Möglichkeit haben, den Zuteilungsplan noch einmal zu ändern oder zu ergänzen, wenn etwa andere EU-Staaten Abstriche an ihren Reduktionszielen machen. Und die fiktive Rechnung hat noch einen Haken: Die Zertifikate werden vom Bund kostenlos ausgegeben, den Preis soll der Markt regeln. Das Konzept macht vor allem die Kohleverstromung teuer und setzt auf Erdgas. Letzeres wird aber zum Löwenanteil importiert, während Kohle, wenn auch subventioniert, aus heimischen Zechen kommt.

Jürgen TrittinBild: AP

Kritik gibt es vor allem vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). "Das Umweltministerium hat de facto die Zusage zurückgezogen, dass der Wirtschaft durch den Emissionshandel nicht mehr Minderungspflichten auferlegt werden, als sie in den freiwilligen Klimavereinbarungen zugesagt hat", sagte BDI-Präsident Michael Rogowski. Die Energiepreise in Deutschland seien ohnehin "mit am höchsten in Europa" und das Land habe seine Zusagen zum Klimaschutz nach dem Kyoto-Protokoll nahezu erfüllt, so dass keine schärferen Auflagen notwendig seien.

Zwischen Umweltschutz und Weltmarkt

Jürgen Trittin hat die ganze Zeit mit der Grenze des CO2-Ausstoßes im Jahr 2012 argumentiert. Dann dürften laut Kyoto-Protokoll in Deutschland insgesamt nur noch 846 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen werden. Wenn die Industrie jetzt nicht mitziehe, müssten die Autofahrer und alle Bürger noch mehr zahlen. In diesem Zahlenspiel wird allerdings nicht berücksichtigt, dass sich konkurrierende Industrienationen wie die USA, Japan und Russland bei der Investition in den Umweltschutz vornehm zurückhalten - zu Lasten derer, die investieren.

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