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Politik

Streit unter Partnern

9. August 2017

Der Streit zwischen den NATO-Mitgliedern Deutschland und Türkei ist nur das jüngste Beispiel dafür, dass Konflikte unter den Verbündeten immer wieder vorkommen. Einige Beispiele im Rückblick.

Polen Militärmanöver Anakonda mit Nato-Staaten
Soldaten aus Nato-Staaten im Militärmanöver Anakonda in PolenBild: picture alliance/ZUMAPRESS

Streit um den Umgang mit Russland

Die Osterweiterung der NATO um die Jahrtausendwende hat Russland immer als Aggression verstanden. Mit Tschechien, Polen und Ungarn traten 1999 frühere sowjetische Satellitenstaaten dem westlichen Bündnis bei, weitere folgten fünf Jahre später, und mit Estland, Lettland und Litauen waren 2004 erstmals auch Länder dabei, die zum eigentlichen Staatsgebiet der Sowjetunion gehört hatten. Sie alle reagieren seitdem meist empfindlich, wenn alte, westliche NATO-Länder Rücksicht auf Russland nehmen wollen. Die USA unter George W. Bush, unterstützt von den neuen Mitgliedern im Osten, hätten am liebsten auch die Ukraine und Georgien als Mitglieder aufgenommen, was aber am Widerstand der Westeuropäer scheiterte. Auch amerikanische Pläne eines Raketenabwehrsystems mit Anlagen in Polen und Tschechien riefen diese widersprüchlichen Reaktionen hervor. Bushs Nachfolger Barack Obama hat die Pläne in der Form, wie sie Bush wollte, dann aufgegeben. Der Ukraine-Konflikt und die russische Annexion der Krim zeigen erneut, dass ein einheitlicher Umgang der NATO mit Russland oft nur mit Mühe zu erreichen ist.   

Angst vor Russland: Bundeswehr-Soldaten sind willkommen bei einem NATO-Manöver in LitauenBild: picture-alliance/AP Images/M. Kulbis

Bush spaltet die NATO

Präsident Bush erklärt im Jahr 2003 bei US-Soldaten die Irakmission "Wüstensturm" für beendetBild: HECTOR MATA/AFP/Getty Images

Ein einziges Mal in ihrer Geschichte hat die NATO den Bündnisfall ausgerufen. Das war nach den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001. Die USA unter Präsident Bush konnten damit militärischen Beistand der Mitglieder anfordern. Doch dazu kam es nie. Im Gegenteil, Bushs Reaktion auf 9/11 hat die NATO gespalten. Als der Präsident 2003 den Irak als angeblichen Unterstützer des Terrornetzwerks al-Kaida und Besitzer von Massenvernichtungswaffen angriff, nahm er nur eine "Koalition der Willigen" mit. Dazu gehörten die NATO-Länder Großbritannien, Italien und Spanien. Andere, etwa Deutschland, Frankreich und Belgien (wo die NATO ihren politischen Sitz hat), lehnten den Irakkrieg ebenso entschieden ab. Wohl nie zuvor in der Geschichte des Bündnisses war die NATO so gespalten wie in dieser Zeit. Es kam zum mehrfachen harten verbalen Schlagabtausch führender Politiker beider Seiten. Der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bezeichnete die europäischen Kriegsgegner abfällig als "das alte Europa". Der Ausdruck wurde 2003 in Deutschland zum Wort des Jahres gekürt.

Zwei Bündnispartner im Dauerstreit

1952 traten gleichzeitig Griechenland und die Türkei der NATO bei. Beide galten als strategisch wichtig, um den Südosten Europas vor möglicher sowjetischer Aggression zu schützen und um für Stabilität an der Schwelle zum notorisch unruhigen Nahen und Mittleren Osten zu sorgen. Dass sowohl in der Türkei als auch in Griechenland vorübergehend Militärdiktaturen herrschten, hat an der NATO-Mitgliedschaft nichts geändert. Die beiden Bündnispartner liegen aber seitdem auch im Dauerclinch und trauen sich nicht über den Weg. Ständig kommt es im griechischen Teil der Ägäis zu Luftraumverletzungen. Als türkische Truppen 1974 auf Zypern landeten, trat Griechenland für kurze Zeit aus der militärischen Integration der NATO aus. Immerhin ist es zwischen den beiden Bündnispartnern nie zum Krieg gekommen. Die empfundene türkische Bedrohung führt aber dazu, dass die relativen Verteidigungsausgaben Griechenlands überdurchschnittlich hoch sind, meist deutlich höher als die von den USA geforderten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Nur während der schweren Rezession nach 2010 und der von den Geldgebern erzwungenen Sparpakete fielen sie unter zwei Prozent.

Der Militärputsch in Griechenland 1967 war kein Problem für die NATO-MitgliedschaftBild: picture-alliance/UPI

Abweichler Frankreich

Frankreich war 1949 eines der zwölf Gründungsmitglieder der NATO gewesen. Doch Staatschef Charles de Gaulle ging Mitte der 1960er Jahre auf Distanz. Er wollte sich nicht mit der amerikanischen Dominanz der NATO abfinden und empfand das Bündnis als Instrument zur Durchsetzung amerikanischer Interessen. Frankreichs Streitkräfte sollten keinem fremden oder kollektiven Kommando unterstellt sein. Eine militärische Voraussetzung für de Gaulles Schritt war, dass Frankreich wenige Jahre zuvor zur Atommacht aufgestiegen war. 1966 zog sich Frankreich aus der Militärstruktur der NATO zurück, blieb aber Mitglied. Pikanterweise befand sich zu der Zeit das politische Hauptquartier der NATO in Paris. Auf Druck der USA zog es 1967 nach Brüssel. Die Zwitterstellung Frankreichs änderte sich erst Jahrzehnte später wieder. Seit Mitte der 1990er Jahre deutete sich ein Umdenken in Paris an, aber erst 2009 führte Präsident Nicolas Sarkozy sein Land wieder in die Kommandostruktur der Allianz zurück.

Zeichen französischer Souveränität: Flugzeugträger "Charles de Gaulle"Bild: picture-alliance/dpa/Marine Nationale

Eine Diktatur als Gründungsmitglied

In den vergangenen Jahren ist immer wieder von den Werten der NATO die Rede: Die Mitglieder fühlen sich demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen und den Menschenrechten verpflichtet. In diesem Zusammenhang weisen Kritiker auf die Mängel der heutigen Türkei in diesem Punkt hin. Übersehen wird dabei oft, dass nicht nur die Türkei und Griechenland zeitweise Militärdiktaturen waren, sondern dass Portugal sogar schon als Gründungsmitglieder der NATO unter António de Oliveira Salazar und bis in die 1970er Jahre eine Diktatur war. Für die NATO war das damals kein Problem. Portugal schien an der Südwestflanke Europas strategisch unersetzlich zu sein. Auch Salazars Antikommunismus passte vollkommen in die Stimmung während des Kalten Krieges. Übrigens hat sogar die noch junge Bundesrepublik Deutschland Salazar 1953 mit dem Orden "Großkreuz" geehrt.

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