Streitkräfte übernehmen Spritversorgung
1. August 2010Nach tagelangem Streik der griechischen Tank- und Lastwagenbesitzer hat sich die Versorgungssituation im Land deutlich entspannt. Das Militär übernahm die Belieferung von Krankenhäusern, staatlichen Behörden, Elektrizitätswerken und anderen logistisch wichtigen Bereichen wie Häfen und Flughäfen. Rund 250 Militär-Tankwagen waren im Einsatz, berichtete die Athener Zeitung "To Vima". Die Marine hilft bei der Versorgung der abgelegenen Inseln.
Die Regierung in Athen rechnet bis Montag (02.08.2010) mit einer Normalisierung der Lage. "Wir werden das Militär über das Wochenende einsetzen, erwarten aber eine Rückkehr zur Normalität mehr oder weniger am Montag", sagte Regierungssprecher Giorgos Petalotis der Nachrichtenagentur apn.
Den Notfallplan hatten die zuständigen Minister am Freitagabend bei einer Sitzung in Athen angesichts der schlechter werdenden Versorgungslage beschlossen. In der Urlaubszeit war durch den Streik der Sprit knapp geworden, was zu langen Schlangen an den Tankstellen sowie Belastungen für den Import und Export führte.
Lastwagenbesitzer protestieren gegen Gesetzentwurf
Die Lastwagenbesitzer protestieren seit Montag gegen ein geplantes Gesetz der Regierung, wonach jeder Inhaber eines Lkw-Führerscheins eine Transport-Lizenz bekommen kann. Er muss nur in der Lage sein, sich einen Laster zu kaufen. Bisher war die Zahl dieser Lizenzen auf etwa 30.000 limitiert. Sie kosteten bis zu 300.000 Euro. Die bisher tätigen Transporteure sehen in der geplanten Gesetzesänderung deshalb eine Art Enteignung ihres Vermögens, weil mit der Öffnung ihres Berufes der Wert ihrer Lizenzen deutlich fallen wird.
Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou erklärte, das Gesetz werde ungeachtet der Proteste in die Tat umgesetzt. "Wenn es geschlossene Berufe gibt, ist es logisch, dass die Transportkosten teurer und damit auch unsere Produkte teurer sind", sagte Papandreou. Das werde es "bald nicht mehr geben", meinte er im Fernsehen.
Das geplante Gesetz ist Teil der Abmachung zwischen Griechenland und der Europäischen Union sowie dem Internationalen Währungsfonds (IWF). IWF und EU hatten die Pleite des hochverschuldeten Landes mit einem milliardenschweren Rettungspaket abgewendet. Sie forderten im Gegenzug unter anderem, dass Griechenland bis September seinen Straßentransportsektor liberalisiert und mehr Wettbewerb zulässt.
Gewerkschaft erwägt Aussetzung des Streiks
Auch an den Tankstellen entspannte sich die Lage. Die Polizei eskortierte Tanklastzüge der Ölkonzerne von Raffinerien zu Tankstellen. Die langen Autoschlangen, die sich dort tagelang gebildet hatten, waren am Samstagnachmittag meist verschwunden. Der Streik der Tank- und Lastwagenfahrer schien an Druck zu verlieren.
Der Vorsitzende der Lkw-Fahrer-Gewerkschaft, Giorgos Tzortzatos, sagte, er werde am Sonntag eine Aussetzung des Ausstands empfehlen, wenn die Regierung eine Anordnung zurücknehme, Ersatzfahrer für die Streikenden einzusetzen. In mehreren Regionen des Landes bröckelte bereits die Streikbereitschaft. Einige Tankwagenbesitzer nahmen die Arbeit wieder auf.
Entspanntere Lage in Athen und auf manchen Inseln
In Athen gab es kaum noch Warteschlangen vor den Tankstellen. Auf den Touristeninseln Rhodos, Paros, Naxos und Chios hatte sich die Situation ebenfalls erheblich verbessert, berichtete der staatliche Rundfunk. Auch in der Hafenstadt Thessaloniki verbesserte sich die Lage nach Angaben der Behörden.
Dagegen gab es noch einige Probleme in Nordgriechenland und auf der Halbinsel Chalkidiki sowie in einigen Regionen der Insel Kreta. Touristen aus Serbien und Bulgarien, die traditionell ihren Sommerurlaub in Nordgriechenland mit dem eigenen Wagen oder Wohnmobil verbringen, saßen auf Chalkidiki und bei Thessaloniki fest. In den vergangenen Tagen hatten nach Medienberichten Hunderte Urlauber ihre Mietautos stehengelassen, weil ihnen der Treibstoff ausgegangen war.
Auch die griechische Landwirtschaft hat unter dem Ausstand der Tankwagenfahrer gelitten. "Das ist ein Desaster", sagte Costas Apostolou vom griechischen Verband der Konservenhersteller. Wegen des Streiks hätten bereits dutzende Tonnen Pfirsiche zerstört werden müssen.
Autorin: Annamaria Sigrist / Ursula Kissel (dpa, afp, apn)
Redaktion: Herbert Peckmann