Weltkulturerbe: Japanisch-koreanische Einigung
6. Juli 2015 Nach wochenlangem Streit, ja, einer wahren diplomatischen Krise zwischen Japan und der Republik Südkorea sind die beiden Staaten zu einer Einigung gekommen. Japan erkennt an, dass "eine große Anzahl von Koreanern und Anderen gegen ihren Willen in den 40er Jahren unter harten Bedingungen" in japanischen Industriestätten eingesetzt wurden.
So heißt es in einer Erklärung der japanischen UNESCO-Delegation, die kurz nach der Ernennung von 23 historischen Industriestätten an elf Orten zum Weltkulturerbe veröffentlicht wurde. Japan sei bereit, "angemessene Maßnahmen" zu ergreifen, um "der Opfer zu gedenken" sowie ein Informationszentrum an den jeweiligen Stätten einzurichten.
Ein pikantes Detail: Das Wort "Zwangsarbeit" fällt in der japanischen Erklärung nicht. Zwar fällt die Formulierung "forced to work", dies, so stellt die japanische Seite klar, bedeute aber keineswegs "forced labour", also Zwangsarbeit.
Damit erfüllt sie zwar die Empfehlungen, die ICOMOS, der Internationale Rat für Denkmalpflege nach der Nominierung der japanischen Stätten abgegeben hatte. Zugleich räumt sie aber unter legalen Gesichtspunkten keine "Zwangsarbeit" ein. Dies ist auch in Zusammenhang mit Entschädigungszahlungen relevant.
Japan, so hatte ICOMOS empfohlen, müsse Maßnahmen ergreifen, die gesamte Geschichte der Stätten sichtbar zu machen.
Dies hatte wiederum Südkorea auf den Plan gerufen. Denn genau 1910 wurde Korea von Japan besetzt und zur Kolonie. Vor allem während des Zweiten Weltkriegs wurden dann auf Inseln wie Hashima massiv koreanische Zwangsarbeiter eingesetzt.
Hashima – heute ein verlassener Ort
Auf der Insel Hashima, der wohl bekanntesten der UNESCO-nominierten Stätten, wurde 1916 das erste Hochhaus Japans errichtet. Von 1890 bis 1974 betrieb Mitsubishi dort eine Kohlemine. Auf gerade einmal sechs Hektar Fläche lebten zuletzt fast fünfeinhalb Tausend Menschen. Neben Koreanern arbeiteten auf der Insel auch Chinesen und Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs. Als die Mine schloss, war von einem Tag auf den anderen niemand mehr da. Heute stehen auf der Insel nur noch imposante Ruinen, und die sind inzwischen sogar weltweit bekannt: Im James Bond-Film "Skyfall" versteckt sich dort der Bösewicht. Auch Google Street View und Sony nutzten die Ruinen bereits als Kulisse für Werbefilme.
Der UNESCO-Titel sollte der Insel nicht einfach noch größere Berühmtheit verschaffen, sondern Japan als erste nicht-westliche Nation anerkennen, die den Sprung in die Industrialisierung wagte – und das lange vor China, nämlich bereits im 19. Jahrhundert. Für die Kritiker geht die Industrialisierung jedoch einher mit jenem imperialistischem Gebaren, mit dem Japan kurz darauf Korea besetzte.
Solange Japan diese Geschichte nicht anerkenne, dürfe es auch nicht den Welterbestatus der UNESCO erhalten, hatte Südkorea argumentiert und offiziell Protest gegen den japanischen Vorschlag eingelegt: "Die Aufnahme dieser Orte würde gegen die Würde der Überlebenden verstoßen", hieß es noch kurz nach der Nominierung. Sie widerspreche den Statuten und dem Anliegen der UNESCO-Konvention, derzufolge das Welterbe herausragende universelle Bedeutung hat und "allen Völkern der Welt zukommt".
Erkenne Japan jedoch die gesamte Geschichte an, habe Südkorea auch nichts gegen eine Auszeichnung als Weltkulturerbe. Bis zuletzt hatten die Außenministerien der beiden Länder miteinander gestritten. Die UNESCO und besonders auch Deutschland, das in diesem Jahr den Vorsitz der Welterbekonferenz hat, hatten sich um eine diplomatische Lösung bemüht.
Diese scheint nun gelungen. Sowohl Japan als auch Südkorea bedankten sich in ihren Erklärungen ausdrücklich bei der UNESCO und der Vorsitzenden des Welterbekomitees, Maria Böhmer.
"Ich bin von Herzen froh", erklärte Regierungschef Shinzo Abe. "Wir sind entschlossen, diese wunderbaren Stätten zu bewahren, die von den Leistungen unserer Vorfahren erzählen und diese an die nächste Generation weitertragen." Südkorea fügte hinzu: Man hoffe, dass ICOMOS und die UNESCO auch weiterhin beratend zur Seite stünden, um zu garantieren, dass die Maßnahmen von japanischer Seite auch wirklich durchgesetzt würden.