Studentenproteste in Myanmar
11. März 2015Am Dienstag (10.03.2015) schlugen Studentenproteste in der Stadt Letpadan in Gewalt um. Die Studenten hatten sich in der 140 km nördlich von Yangon gelegenen Stadt versammelt, um gegen ein im September 2014 verabschiedetes Bildungsgesetz zu protestieren. Der Protestzug wurde von Sicherheitskräften blockiert und schließlich gewaltsam zerstreut. Dabei setzte die Polizei Schlagstöcke ein, bevor sie die Studenten, aber auch Mönche und Journalisten, in LKWs verfrachtete.
Einen Tag nach den Vorfällen kündigten die Staatsmedien eine Untersuchung des Zwischenfalls an, nachdem die Angehörigen der Verhafteten auf eine Aufklärung der Vorfälle drängen. Es handelt sich um den zweiten Zusammenstoß von Polizei und Studenten innerhalb weniger Tage. Die USA und die Europäische Union sehen darin ein deutliches Anzeichen dafür, dass im Land weitere Reformen notwendig sind.
Am Donnerstag (12.03.2015) wurden zwölf Studenten aus der Haft entlassen entlassen. Zehn weitere sollen folgen. Gegen andere Demonstranten wird der Vorwurf der Störung der öffentlichen Ordnung aufrechterhalten, der mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden kann.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren Regierung
Rupert Abbot von Amnesty International (AI) verurteilt die Reaktionen der Polizei als unverhältnismäßig. Die Sicherheitskräfte hätten auch auf hilflose, am Boden liegende Menschen eingeschlagen, was "nach internationalem Recht als grausame, inhumane oder entwürdigende Behandlung bzw. Strafe angesehen wird." Abbot erläutert: "Die Augenzeugenberichte und Bilder von Polizisten, die auf fliehende Demonstranten einschlagen, erinnern daran, wie repressiv des Klima im Land für Aktivisten nach wie vor ist."
David Mathieson von Human Rights Watch sieht in den Ereignissen gar einen Wendepunkt der Toleranz der Sicherheitskräfte gegenüber Protesten. Er erinnert nachdrücklich daran, dass friedliche Proteste zugelassen werden müssen, unabhängig davon, ob es sich dabei um mögliche Verstöße gegen das ohnehin mangelhafte Gesetz zur friedlichen Versammlung handele.
Lange Tradition der Studentenproteste
Die Studentenproteste in Myanmar dauern bereits seit Monaten an. Sie fordern, dass die Regierung das Nationalen Bildungsgesetz vom September 2014 nachbessert. Bei dessen Erstellung waren nur am Rande Studenten und Akademiker aus dem Bildungswesen einbezogen worden. "Die wichtigste Forderung der Studenten ist die nach größerer akademischer Freiheit, weitreichenderer Autonomie etwa bei der Vermittlung der Sprachen ethnischer Minderheiten und einen größeren Etat im Staatshaushalt für Bildung", so die Südostasien-Expertin Phuong Nguyen vom Zentrum für strategische Studien aus Washington. Ähnlich sieht das der Myanmar-Fachmann Lynn Kuok der Brookings Institution. Die Studenten fürchteten einen zu großen Einfluss der von der Regierung kontrollierten Nationalen Bildungskommission und dem ständigen Komitee für höhere Bildung (Higher Education Cooperation Comitee), die weitreichende Befugnisse hätten.
Das geht auch aus einem veröffentlichten Statement der Studenten vom Januar 2015 hervor, in dem unter anderem die Einbeziehung von Vertretern der Lehrer und Studenten im Gesetzgebungsverfahren, das Recht Studenten- und Lehrerunionen zu gründen, ein Fünftel des Staatshaushaltes für die Bildung und eine kostenlose Bildung bis zur Mittelschule gefordert werden.
Die Brisanz der aktuellen Studentenproteste werde beim Blick in die Geschichte Myanmars deutlich. Kuok erklärt, dass Studenten in allen größeren Protestbewegungen der letzten Jahre maßgeblich beteiligt waren, so etwa 1988,1996 und 1998. So sei es nicht verwunderlich, dass von den zwölf Jahren zwischen 1988 und 2000 die Universitäten in Yangon nur zwei Jahre geöffnet gewesen seien.
Die Wurzeln des Konflikts
Die Studentenproteste kommen für die Regierung unter Präsident Thein Sein zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Sie hat bereits erhebliche Probleme mit religiösen und regionalen Konflikten, wie der Diskriminierung der muslimischen Minderheit oder dem Aufstand der Kokang-Rebellen im Shan Staat. Das gegen Ende des Jahres Präsidentschaftswahlen anstehen, erhöht den Druck zusätzlich.
Für Bent Berger vom Institut für Sicherheits- und Entwicklungspolitik (ISDP) aus Stockholm tritt in all diesen Konflikten das generelle Problem des myanmarischen Tanzformationsprozesses zutage. "Insbesondere die jüngere Generation, aber auch die Opposition erwarten schnellere Fortschritte bei der Neugestaltung des Landes. Dabei löst die immer größere Kluft zwischen dem Schritt-für-Schritt-Ansatz der Regierung und der Forderung nach sofortiger Demokratisierung diverse Konflikte aus." Hinzu komme, so Nguyen vom CSIS: "Keine Seite traut der anderen über den Weg." Die exzessive Gewaltanwendung der Polizei zeige, dass die Regierung immer noch Schwierigkeiten damit habe, grundlegende demokratische Rechte zu gewährleisten.