Eine Studie zeigt erneut: Football kann das Gehirn schwer schädigen. Bei 110 von 111 untersuchten NFL-Spielern wurde die Nervenkrankheit CTE diagnostiziert. Doch nicht nur Profis, auch Amateursportler sind betroffen.
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American Football ist ein gefährlicher Sport, wenn man die möglichen Langzeitschäden mit einberechnet. Durch den Sport können die Gehirne der Spieler ernsthaften Schaden nehmen, da ihre Köpfe häufig zusammenstoßen. Für eine neue, im Journal of the American Medical Association veröffentlichte Studie wurden 202 gespendete Gehirne bereits gestorbener Footballspieler untersucht. Einige von ihnen spielten nur in der Schule oder im College, mehr als die Hälfte auch in kanadischen oder amerikanischen Profiligen. 177 aller post mortem untersuchten Spieler, also 87 Prozent, litten an der Gehirnerkrankung CTE. Sie kommt häufig bei Menschen vor, die mehrere Gehirnerschütterungen oder Schläge auf den Kopf erlitten haben. Bei den ehemaligen Spielern der amerikanischen Profiliga NFL war der Anteil sogar noch größer: 110 der 111 untersuchten Gehirne zeigten Anzeichen für CTE, was 99 Prozent entspricht.
CTE, die Kurzform für "Chronisch-traumatische Enzephalopathie", wird nach aktuellem Kenntnisstand durch die Zerstörung von Nervenzellen im Gehirn ausgelöst. An den geschädigten Stellen lagert sich das Protein Tau ab, was derzeit nur durch die Untersuchung des freigelegten Gehirns nachgewiesen werden kann. Deshalb ist CTE erst nach dem Tod sicher diagnostizierbar. Zu den Symptomen des Nervenleidens gehören laut dem CTE Center der Boston University Gedächtnisverlust, Verwirrung, Verlust der Impulskontrolle, Aggression, Depression und Selbstmordgedanken.
Ein Problem auch beim Schulsport
Neben den Profispielern sind auch 21 Prozent der High School-Spieler und 91 Prozent der Sportler in College-Teams von CTE betroffen. Ann McKee, Neurologin an der Boston University School of Medicine und Leiterin der Studie, sieht die Ergebnisse als Bestätigung, dass CTE mit Football zusammenhängt: "Es ist ein Problem auf allen Stufen, ab der High School und in höheren Ligen." Jetzt müsse an der Entwicklung von Methoden gearbeitet werden, um die Erkrankung bei lebenden Menschen zu erkennen und auch behandeln zu können.
McKee warnt aber auch davor, falsche Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen: Symptome wie Gedächtnisverlust und Persönlichkeitsveränderungen zu Lebzeiten der Spieler könnten sie und ihre Angehörigen besonders dazu motiviert haben, die Gehirne nach dem Tod der Forschung zur Verfügung zu stellen. "Deshalb ist bei der Interpretation der festgestellten Häufigkeit von CTE in dieser Stichprobe Vorsicht geboten", schreibt sie in der Studie.
Schon bei Boxern entdeckt
Dass CTE, auch unter dem Namen "Boxer-Syndrom" bekannt, bei Sportarten mit intensivem Körperkontakt gehäuft vorkommt, ist nicht neu. Bereits 1928 beschrieb ein amerikanischer Wissenschaftler Symptome, die bei Boxern nach mehreren Schlägen ins Gesicht auftraten. 2005 wurde CTE auch beim drei Jahre zuvor verstorbenen NFL-Spieler Mike Webster diagnostiziert. Seitdem wurden unter anderem auch Fälle aus dem Eishockey, Rugby, Baseball und Fußball bekannt.
2013 hatte die NFL Entschädigungen in Millionenhöhe an ehemalige NFL-Spieler gezahlt, die wegen ihrer Gehirnschäden vor Gericht geklagt hatten. Im vergangen Jahr hatte erstmals ein hochrangiger NFL-Mitarbeiter, der Vizepräsident Jeff Miller, einen Zusammenhang zwischen Football und der CTE-Erkrankung eingeräumt.
Sieben Fakten zu Hirnschäden durch Sport
Hart sein, weiter machen, auch wenn es weh tut - diese Tugenden gibt es im Sport häufig. Wie sich herausstellt, kann das gravierende Folgen für die Gesundheit haben. Die Sportler erkranken an CTE - mit tödlichen Folgen.
Bild: picture alliance/AP Photo/G.J. Puskar
Patient eins: Football-Ass Mike Webster
"Iron Mike" ist der Spitzname von Mike Webster. Mit den Pittsburgh Steelers gewinnt der knallharte Center viermal den Superbowl. Viele unbehandelte Kopftraumata verursachen nach seiner aktiven Karriere große gesundheitliche Probleme. Er stirbt 2002 im Alter von nur 50 Jahren. Bei der Obduktion entdeckt Dr. Bennet Omalu chronisch traumatische Enzephalopathie (CTE) in Websters Hirn.
Bild: picture alliance/AP Photo/G.J. Puskar
Hollywood verfilmt wahren Medizinkrimi
Der Forensiker Omalu (2.v.l.) aus Pittsburgh ist der Erste, der den chronischen Hirnschäden bei Sportlern auf die Spur kommt. Trotz zahlreicher Drohungen und Widerständen forscht er weiter. Seine Geschichte inspiriert Regisseur Peter Landesmann (r.), der 2015 den Film "Concussion" in die Kinos bringt. Darin schlüpft Schauspielstar Will Smith (l.) in die Rolle des aufrechten Mediziners.
Bild: picture alliance/AP Photo/M.S. Gordon
Schleichende Veränderung im Gehirn
Bei Boxern wurden schon vor Jahrzehnten Symptome wie Sprachverlust, Depressionen und Demenz beobachtet, die auf CTE hinweisen. Durch häufige Verletzungen werden im Hirn Nerven geschädigt und so genannte "Tau-Proteine" freigesetzt, die dann Ablagerungen bilden. Betroffene können zudem unter Persönlichkeitsveränderungen und Aggressionsschüben leiden und selbstmordgefährdet sein.
Bild: picture-alliance/dpaW. Grubitzsch
Selbstmord mit letztem Wunsch
Zwischen 2008 und 2015 begingen gleich mehrere ehemalige NFL-Spieler Selbstmord. Wie Terry Long, Tom McHale, Jovan Belcher, Adrian Robinson und Junior Seau nahm sich auch Dave Duerson (Archiv-Foto) das Leben. 2011 schoss er sich in die Brust. In seinem Abschiedsbrief verfügte er, dass sein Hirn nach seinem Tod auf CTE untersucht werden solle. Tatsächlich fanden sich klare Anzeichen der Krankheit.
Bild: picture-alliance/AP Photo/S. Walsh
Vor den Augen der Welt
Kopfverletzungen gibt es auch im Fußball. Christoph Kramer ging auf der größtmöglichen Bühne k.o.: Im Finale der Fußball-WM 2014 spielte er trotzdem noch einige Minuten weiter. Ein großes Risiko, denn ein zweites Trauma ("Second Hit") innerhalb kurzer Zeit potenziert die Gefahr. Problem: Für die richtige Diagnose am Spielfeldrand gibt es bis heute kein einheitliches Verfahren.
Bild: picture alliance/dpa/T.Eisenhuth
Daten aus dem Fußball
Köpfe krachen beim Kopfballduell zusammen, oder ein Spieler trifft den Gegner mit dem Ellbogen am Kopf - so entstehen Gehirnerschütterungen im Fußball. Nach einer aktuellen Studie des Bundesinstituts für Sportwissenschaft hängt das Risiko auch von der Position ab. Verteidiger sind am stärksten gefährdet (37,9 Prozent), gefolgt von Mittelfeldspielern und Stürmern (27,6) sowie Torhütern (6,9).
Bild: picture alliance/dpa/N.Schmidt
Welche Sportart birgt das größte Risiko?
Rugbyspieler haben nach der Analyse des Bundesinstituts für Sportwissenschaft das größte Risiko, sich eine Gehirnerschütterung zuzuziehen. Dahinter folgen American Football, Eishockey und Basketball. Im Fußball sind die Verletzungen pro Spieler seltener. Da aber in Deutschland so viele Kinder und Erwachsene kicken, kommen, absolut gesehen, die meisten Kopftraumata beim Fußball vor.