Die Deutschen wollen weniger verpestete Luft und mehr gegen den Klimawandel tun. Aber wollen alleine reicht nicht, um tatsächlich umweltfreundlicher zu leben.
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Viele Menschen fänden es gut, wenn es weniger Autos auf den Straßen gäbe. Das ist eine der Erkenntnisse einer aktuellen Umfrage zum Umweltbewusstsein der Deutschen. Die Publikation, die alle zwei Jahre vom Umweltministerium herausgegeben wird, misst die Haltung zu Luftverschmutzung, Klimawandel oder etwa Plastiktüten.
Herausgekommen ist eine Reihe von oftmals nicht sehr überraschenden Gemeinplätzen, etwa dass die Deutschen glauben, dass Umweltschutz wichtig ist oder dass viele die Abholzung von Wäldern für ein Risiko halten. Solche Aussagen mögen vielleicht etwas über die grundsätzliche Stimmung in der Gesellschaft aussagen. Mit der tatsächlich gelebten Realität der Menschen haben sie aber wohl oft nicht viel zu tun.
Hier ein paar grundsätzliche Ergebnisse der Studie:
Für 21 Prozent der Befragten ist Umwelt-und Klimaschutz das wichtigste Problem, das Deutschland zu bewältigen hat. Damit ist Umweltschutz nach Migration und Sicherheit die am dritthäufigsten gegebene Antwort.
Neun von zehn Studien-Teilnehmern nehmen den Klimawandel als sehr große oder große Bedrohung wahr.
Viele sehen in Umweltschutz eine Voraussetzung für Wohlstand (58 Prozent), Wettbewerbsfähigkeit (51 Prozent) und mehr Lebensqualität (81 Prozent), einige auch für soziale Gerechtigkeit (37 Prozent).
97 Prozent empfinden das Umweltrisiko durch Plastikmüll in den Weltmeeren als bedrohlich, fast genauso viele das Umweltrisiko durch die Abholzung von Wäldern. Jeweils 89 Prozent der Befragten halten das Artensterben in der Tier- und Pflanzenwelt sowie den Klimawandel für Risiken.
91 Prozent halten es für erforderlich, Wirtschaft und Märkte so zu regulieren, dass die Umweltbelastungen gering gehalten werden.
95 Prozent finden den Umstieg auf erneuerbare Energien wichtig.
Sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen fühlen sich öfter gesundheitlichen Belastungen durch Umweltbedingungen ausgesetzt als Menschen mit höherem sozialen Status.
70 Prozent der Befragten nutzen für ihre Wege täglich oder mehrmals in der Woche das Auto. Sie sind aber unter bestimmten Bedingungen bereit, öfter Alternativen wie Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. 79 Prozent finden außerdem, dass weniger Autos in ihrer Gemeinde wünschenswert sind.
Diese Ergebnisse machen Umweltministerin Barbara Hendricks sicher: "Weniger Autos, ein leistungsfähiger und günstiger öffentlicher Nahverkehr, gute und sichere Fahrradwege - all das wünschen sich viele Menschen, weil es ihre Lebensqualität verbessert und die Umwelt schützt. Das ist eine wichtige Botschaft sowohl für die Umweltpolitik als auch für die Stadtentwicklungspolitik." Die Idee der Nachhaltigkeit sei in der Gesellschaft angekommen. Wirklich?
Was für eine Aussagekraft hat es, wenn Befragte angeben, dass sie "unter bestimmten Bedingungen" bereit wären, öfter mal das Rad zu nutzen? Oder wenn sie sagen, dass Klimawandel für sie eine Bedrohung ist. Es sind Aussagen, denen wohl kaum jemand widersprechen würde, wenn er nicht gerade ein absoluter Klimawandel-Verweigerer ist.
Wenn die Deutschen wirklich so eine umweltbewusste Nation sind, warum tun sie dann nicht all diese Dinge anstatt nur davon zu reden? Weil Umweltbewusstsein in der Theorie etwas anderes ist als in der Praxis. Es ist leicht, zu finden, dass es insgesamt weniger Autos geben soll, aber andererseits dann doch mit dem Auto zu fahren, weil man gerade zu faul fürs Fahrrad ist. Umweltbewusstsein hört leider oft vor der eigenen Haustür und beim Blick ins eigene Portemonnaie auf.
Die Studie des Umweltministeriums blendet diese Realität weitestgehend aus und interpretiert die Angaben der Befragten recht wohlwollend. Immerhin: Das richtige Denken ist ja bekanntlich die Voraussetzung für das richtige Handeln. Sollte die Studie Hendricks Rückenwind geben, um Umweltanliegen besser durchsetzen zu können, und Klima und Umwelt so im Bundestagswahlkampf eine wichtigere Rolle erhalten, ist das schon etwas Positives.
"Trash Talker": Nachhaltige Festivals sind in
Das aktuelle Musikfestival "NorthSide" im dänischen Aarhus liegt voll im Trend: Umweltbewusstsein spielt bei Open-Air-Events eine immer wichtigere Rolle. Auch deutsche Veranstalter ziehen da mit, Müllsammeln gehört dazu.
Bild: DW/T. Weikmann
Jetzt wird gerockt!
An drei Festivaltagen besuchen rund 35.000 Gäste das NorthSide, eines der größten Musikfestivals Dänemarks. Viele Musik-Fans kommen aus der näheren Umgebung. Aarhus ist Europäische Kulturhauptstadt 2017 und zählt nach Kopenhagen die meisten Einwohner in Dänemark.
Bild: DW/T. Weikmann
CO2-frei zur Party
Der Großteil der Festivalbesucher kommt mit dem Fahrrad oder zu Fuß zum NorthSide Gelände. Schon auf dem Radweg Camino tummeln sich hier jede Menge kreative Musikfans. Insekten-Snacks und Rampen für Skateboarder machen die Anreise gleich zum Erlebnis.
Bild: DW/T. Weikmann
Ein Meer aus Rädern
Einen Autoparkplatz gibt es nicht. Die vielen Tausend Fahrräder können auf einem großen Abstellplatz namens "BikeSide" geparkt werden – umsonst und überwacht. In einer kleinen Werkstatt werden platte Reifen wieder aufgepumpt.
Bild: DW/T. Weikmann
Ordnung muss sein
Am Eingang werden die Festivalbesucher von "Trash Butlern" in Empfang genommen. Ausgerüstet mit Handstaubsauger und Aschenbecher für die Hosentasche sollen die Herren im Smoking den Gästen ein Gefühl für Ordnung vermitteln.
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Die Müll-Flüsterer
16 sogenannte "Trash Talker" sorgen für ein sauberes Gelände während des Musikfestivals. Auch Freiwillige aus Kanada und Irland helfen mit beim Müllsammeln. Der Müll wird gleich auf dem Gelände getrennt. Ein durch und durch umweltfreundliches Festival ist allerdings kaum umzusetzen.
Bild: DW/T. Weikmann
Aufwand lohnt sich
Hinter den Kulissen sind Crew-Mitglieder rund um die Uhr damit beschäftigt, den Müll zu trennen. Auch die Imbissbuden entsorgen ihren Abfall in sieben verschiedenen Kategorien. Das Ziel: eine Recycling-Quote von bis zu 60 Prozent.
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Dänisches Barbecue
An den Essensständen erfüllen etwa 90 Prozent der Lebensmittel dänische Bio-Standards. Zusätzlich wird Wert auf regionale Produkte gelegt. Dieses frisch gegrillte Ziegenfleisch stammt beispielsweise aus einer Zucht in Mitteljütland.
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Kein Platz für Zelte
Dass es beim "NorthSide" so gepflegt zugeht, liegt nach Meinung der beiden Däninnen Anna (li.) und Amanda (re.) auch daran, dass hier nicht gezeltet wird. Für die beiden spielt Nachhaltigkeit auf Festivals eine wichtige Rolle. "Toll, dass das hier im Fokus steht", findet Anna.
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Familien-Festival
Chris und Anne kommen aus Hamburg. So viel Sauberkeit wie auf dem "NorthSide" hätten sie auf deutschen Festivals noch nicht erlebt, erzählen sie. Ihrer Töchter wegen schätzen sie auch die Kinderfreundlichkeit: "Es gibt viel zu spielen und schöne Rückzugsorte."
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Heimvorteil
Zu den Top-Acts des Festivals zählen internationale Größen wie Bloc Party, Iggy Pop, Duran Duran, The Chemical Brothers und Deftones. Aber natürlich ist auch die heimische Musikszene vertreten, zum Beispiel mit der Gruppe Lukas Graham (Foto) aus der dänischen Hauptstadt Kopenhagen. Autor/Autorin: Paula Rösler (Text), Teresa Weikmann (Fotos)
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Kampf gegen die Plastikflut
Millionen Tonnen Plastikmüll schwimmen in den Ozeanen und gefährden Fische und andere Meerestiere. Am World Oceans Day legt die DW den Fokus auf Folgen der Verschmutzung durch Plastik - und auf Wege, diese zu bekämpfen.
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Mehr Müll als Fische?
Nicht weniger als acht Millionen Tonnen Plastikmüll landen jedes Jahr in den Weltmeeren. Wird nichts unternommen, könnte bis 2050 mehr Plastik in den Meeren schwimmen als Fische. Ein Großteil des Mülls sammelt sich in mehreren großen Strudeln weit draußen im Meer. Strände, wie auf den Midwayinseln im Pazifischen Ozean, sind ebenfalls betroffen.
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Dem Plastik verfallen
Plastik zerfällt mit der Zeit in kleine Partikel, die Meerestiere oft mit Nahrung verwechseln. Laut einer Studie der Universität Uppsala führt als Nahrung aufgenommenes Plastik bei Fischen zu gehemmtem Wachstum und einer erhöhten Sterberate. Fische scheinen Plastik sogar ihrer gewöhnlichen Nahrung vorzuziehen. Plastik in Fisch könnte auch ein Gesundheitsrisiko für den Menschen darstellen.
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Essbare Alternativen
Die Ocean Conservancy schätzt, dass bereits mehr als 690 Arten von Meerestieren vom Plastikmüll betroffen sind. In dem Bestreben den Müll zu reduzieren, haben einige Unternehmen Alternativen entwickelt. So etwa die Delray Beach Brauerei in Florida: Essbare Träger für Sixpacks aus Reststoffen wie Weizen und Gerste sollen die alten Plastik-Träger ersetzen. Geplant ist die Produktion für Oktober.
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Biologisch abbaubare Verpackungen
Einweg-Plastiktüten machen einen Großteil des Mülls in den Meeren aus. Ein polnischer Betrieb begegnet diesem Problem mit einer biologisch abbaubaren Alternative: Statt Plastik wird einfach Weizen-Kleie genutzt. Dem Erfinder Jerzy Wysocki zufolge kann die Biotrem-Verpackung in Ofen und Gefrierfach verwendet werden und soll sich in 30 Tagen zersetzen - und essbar ist sie auch noch.
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Ist Bambus die Rettung?
Der schnell wachsende Bambus ist eine weitere Alternative zu Plastik und kann für die Produktion von Duschvorhängen, Zahnbürsten und sogar Computer-Zubehör genutzt werden. Das Unternehmen Tonggu Jiangqiao aus der Bambus- und Holzindustrie, im Bild oben, begann im Jahr 2008 mit der Massenproduktion von Tastaturen, Mäusen und Monitorgehäusen.
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Schöpfkelle für den Ozean
Alternativen mögen helfen, den Müll zu reduzieren, doch Millionen Tonnen von Plastik treiben weiterhin für Jahrhunderte in den Weltmeeren. Das niederländische Projekt Ocean Cleanup will mit einem 100-Kilometer langen, schwimmenden Dammsystem das Plastik in den Meeren auffangen, ohne Fische oder andere Meerestiere zu gefährden. Die Anwendung im Pazifischen Ozean soll bis 2020 realisiert werden.
Bild: picture-alliance/dpa/E.Zwart
Mode aus Müll
Ein Teil des Plastiks könnte recycled und in anderer Form wiederverwendet werden, beispielsweise für Blumentöpfe, als Dämmmaterial oder – im Fall der spanischen Firma Ecoalf – für Kleidung. Das Modelabel aus Madrid nutzt Plastikmüll, der von Fischerbooten im Mittelmeer gesammelt wird und macht daraus Polyesterfasern – die wiederum zu Jacken, Rucksäcken oder anderen Modeartikeln verarbeitet werden.
Bild: AFP/Getty Images/P. Armestre
Reduce, Reuse, Recycle
Plastikmüll kann außerdem noch in seiner originalen Form wiederverwendet werden: Auf der Rio +20 Konferenz der Vereinten Nationen für Nachhaltige Entwicklung im Jahr 2012 – 20 Jahre nach dem ersten World Oceans Day – wurden gigantische Fische aus Plastikflaschen entlang der Promenade von Rio de Janeiro ausgestellt.