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Studie: Elektromobilität doch kein Jobkiller

24. Dezember 2020

Wegen der Elektromobilität würden in der deutschen Autoindustrie sehr viele Arbeitsplätze verloren gehen, heißt es oft. Doch ganz so schlimm wird es wohl nicht, so eine Studie.

Deutschland | Autobranche | Doppelter Stresstest 2021
Bild: Sven Hoppe/dap/picture alliance

Es mangelt nicht an düsteren Prognosen für die deutsche Autoindustrie. Mit 830.000 direkt Beschäftigten gehört sie zu den wichtigsten Branchen im Land, weitere 1,3 Millionen Arbeitsplätze im KFZ-Gewerbe und in anderen Branchen sind von ihr abhängig.

Vor allem die Elektromobilität, so lautet das gängigste Untergangsszenario, werde den deutschen Autobauern schwer zusetzen. Mehr als 400.000 Arbeitsplätze könnten bis zum Jahr 2030 verloren gehen, weil Elektromotoren weniger komplex sind als Benzin- oder Dieselmotoren, hieß es vor gut einem Jahr. Das wären, je nach Bezugsgröße, zwischen 20 und 50 Prozent aller Jobs.

Doch ganz so schlimm wird es wohl nicht, sagen jetzt Forscher des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart. Im Gegensatz zu anderen Studien, die meist auf branchenweiten Schätzungen basierten, konnten sie auf reale Planungsdaten des Autobauers Volkswagen zugreifen. Dessen Nachhaltigkeitsbeirat hatte die Studie "Beschäftigung 2030" in Auftrag gegeben.

Weniger Mitarbeiter

Das Fazit: "Im Jahr 2029 würde Volkswagen nach unseren Modellrechnungen in der Fahrzeugfertigung zwölf Prozent weniger Beschäftigte benötigen als 2019", sagt Florian Herrmann, Koautor der Studie und Leiter des Forschungsbereichs Mobilität- und Innovationssysteme bei Fraunhofer IAO.

Hauptgrund für diesen Rückgang in der Fertigung wäre aber nicht die Elektromobilität, sondern Produktivitätssteigerungen und Rationalisierungsmaßnahmen. "Volkswagen geht davon aus, dass die Fahrzeuge künftig in kürzerer Zeit produziert werden können", so Herrmann zur DW. "Aber das betrifft sowohl die konventionellen Fahrzeuge als auch die Elektrofahrzeuge."

Produktion des Elektroautos VW ID.3 in ZwickauBild: Getty Images/J. Schlueter

Trotzdem sieht auch die Fraunhofer-Studie Teilbereiche der Produktion, die vom Wandel zur Elektromobilität schwer getroffen werden, vor allem der Bau des sogenannten Antriebsstrangs aus Motor, Kupplung, Getriebe, Antriebswellen und Achsdifferential.

"Der Personalbedarf für die Herstellung eines konventionellen Antriebsstranges ist um 70 Prozent höher als für die Herstellung eines Antriebsstrangs eines Elektrofahrzeugs", heißt es in der Studie.

Um das abzufedern, habe Volkswagen bereits "umfangreiche Maßnahmen" eingeleitet. Die reichen von Plänen für einen sozialverträglichen Stellenabbau bis zu Fortbildungen für die Belegschaft.

Neue Aufgaben

Ein Großkonzern wie Volkswagen mit weltweit 670.000 Beschäftigten, davon fast 300.000 in Deutschland, hat dabei natürlich ganz andere Möglichkeiten als kleine, hoch spezialisierte Zulieferer, denen ganze Geschäftsbereiche wegzubrechen drohen.

"Diese kleinen und mittelständischen Firmen sind oftmals die Innovationstreiber der Autokonzerne", sagt Herrmann. "Die Fülle an Innovationsfähigkeit darf nicht verloren gehen."

Autokonzerne wie Volkswagen sollten deshalb darauf achten, dass auch ihre Zulieferer den Wandel gut überstehen. Selbst ein staatlich geförderter Transformationsfonds wäre hier denkbar.

Bei der Produktion von Batteriezellen hinkt Deutschland noch hinterher

Um zu Überleben, müssten sich einige Zulieferer neu erfinden. So würden Spezialisten für Kontakte und Fügeverfahren (so nennt man in der Produktion die Verbindung fester Bauteile, z.B. durch Klebstoff) weiterhin gebraucht, etwa um hunderte Batteriezellen in einem System miteinander zu verbinden, sagt Herrmann. "Und Spezialisten für Filtersysteme könnten sich im Bereich des Thermo-Managements für Elektrofahrzeuge betätigen, denn wenn die Abwärme des Verbrennungsmotors wegfällt, braucht man auch hier neue Lösungen."

Herausforderung Qualifizierung

Neben den Herausforderungen durch die Elektromobilität haben die Fraunhofer-Forscher auch den Umbruch durch die Digitalisierung untersucht. Der reicht von Datenbrillen und dem Miteinander von Mensch und Roboter in der Produktion bis zum Einsatz von künstlicher Intelligenz im Beschaffungswesen. "Vielleicht vergibt die Künstliche Intelligenz demnächst die Beschaffungsaufträge und führt auch die Verhandlungen, während der Mensch eher plant und steuernd eingreift."

All das stellt ganz neue Anforderungen an die Fähigkeiten der Menschen, die in der Branche arbeiten. Hier für entsprechende Qualifikationen zu sorgen, werde sich "voraussichtlich als größere Herausforderung erweisen" als der zu erwartende Stellenabbau, heißt es in der Studie.

Blick in ein konventionelles 6-Gang-Automatik-Getriebe: So komplex geht es bei E-Autos nicht zuBild: Getty Images/AFP/T. Kienzle

Auch wenn sich die Untersuchung nur auf die Daten eines einzigen Autobauers stützt, ist Florian Herrmann überzeugt, dass die Ergebnisse auf die gesamte Branche übertragbar sind. "Die Arbeitsprozesse findet man grundsätzlich auch bei den anderen Herstellern, deshalb ist das durchaus vergleichbar."

Herrmann glaubt, die Elektromobilität werde insgesamt "wahnsinnig wertvoll sein, auch was die Beschäftigung angeht". Zumindest, wenn man nicht einzelne Firmen, sondern das gesamte System betrachte. Hinzu kommt, dass einige große Wachstumsfelder in der Studie gar nicht berücksichtigt sind, etwa die Produktion von Batteriezellen oder der Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur.

Die Konkurrenz ist allerdings groß und besteht nicht nur aus Tesla und anderen Autobauern. Asiatische Hersteller wollen ihre Dominanz in der Batterietechnik festigen, und auch Tech-Größen wie Google und Apple forschen an der Entwicklung selbstfahrender Autos.

Die große Frage ist, ob deutsche Firmen hier eine wesentliche Rolle spielen werden, um auch in Zukunft viele Arbeitsplätze im Land halten zu können.

Wie funktioniert ein Elektroauto?

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Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.
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