Einer Studie der Asylbehörde BAMF zufolge lernen in Deutschland drei Viertel der Flüchtlinge die Sprache, immer mehr haben zudem einen Job. Sorgen macht den Forschern dagegen die psychische Gesundheit der Geflüchteten.
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Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) haben gemeinsam untersucht, wie es mit der Integration von Flüchtlingen in Deutschland vorangeht. Die Forscher zogen insgesamt ein positives Fazit.
Ein Drittel hat mittlerweile einen Job
So hätten mindestens drei Viertel der zwischen 2013 und 2016 nach Deutschland Geflüchteten inzwischen an einem Deutschkurs teilgenommen. Frauen stehen demnach beim Spracherwerb aber deutlich schlechter da als Männer. Rund die Hälfte der über 5000 Befragten gab an, an Integrationskursen teilgenommen zu haben, die neben Deutsch auch Wissen über die deutsche Gesellschafts- und Rechtsordnung vermitteln.
Wie drei Flüchtlinge in Berlin durchstarten
2016 hätte der Syrer Haidar Darwish wohl nie geglaubt, dass er gute zwei Jahre später einmal in Berlin leben und dort bei der Performance einer Drag Queen tanzen würde. Die Geschichte dreier Flüchtlinge in Bildern.
Bild: Reuters/A. Cocca
Wie ein Geschäftsmann
Wenn Joseph Saliba durch die Straßen Berlins geht, könnte man meinen, er sei ein Geschäftsmann. Und das war der Syrer auch einmal. Als er neun Jahre alt war, schickte sein Vater ihn nach Damaskus, um für einen Freund zu arbeiten, der Holz wieder aufbereitet. Das hat ihm so viel Spaß gemacht, dass er sich damit selbständig machte. Sein Geschäfte boomte - bis 2011 in Syrien der Krieg ausbrach.
Bild: Reuters/F. Bensch
Ein Künstler besteigt die Kanzel
Joseph Saliba hatte Angst, von der syrischen Armee eingezogen zu werden - und so floh er vor drei Jahren nach Europa. Als er - später dann in Deutschland - mit seinem Deutsch-Sprachkurs einen Ausflug zum Berliner Dom machte, spürte er sofort eine Verbindung. Er bot an, freiwillig bei der Restauration zu helfen. Bereits ein Jahr später bot ihm die Kirche einen Job an.
Bild: Reuters/F. Bensch
Heimat Kirche
Der Berliner Dom wurde schnell Salibas Heimat, Deutschland hingegen nicht. Die Berliner Behörden wollen ihm keine Papiere ausstellen und verweisen ihn an die syrische Botschaft in Berlin. Die Botschaft des Landes zu betreten, vor dessen Regierung er geflohen ist - das möchte er nicht. Deshalb verklagt er Deutschland. Wie es für ihn in Deutschland weitergeht, ist offen.
Bild: Reuters/F. Bensch
Alis Asylantrag, ein Schicksalstag
Sein Geburtsdatum kennt Ali Mohammad Rezaie nicht. Seine Eltern hatten es sich nie aufgeschrieben. Dafür kennt der rund 26-Jährige ein anderes Datum umso besser: den 15. Oktober 2015. Da kam der Afghane in Berlin an und stellte einen Asylantrag. Berlin war das Ziel seiner zweimonatigen Reise von Afghanistan über den Balkan nach Deutschland. Dort angekommen, hat er viel gemacht - auch Musik.
Bild: Reuters/H. Hanschke
Musik und Motorräder
Ali Mohammad Rezaie tritt einem Chor bei. Dort lernt er Chris Wachholz kennen. Sie lädt ihn zu sich nach Hause ein, um dort zusammen mit ihrem Mann zu kochen und Deutsch zu lernen. Dabei zeigte sich: Ali Mohammad Reazaie und der Mann von Chris haben dieselbe Leidenschaft - Motorräder. Das verbindet. Er hat die beiden in sein Herz geschlossen. "Sie sind wie Mutter und Vater für mich", sagt er.
Bild: Reuters/H. Hanschke
Treffpunkt Sprach-Café
In Deutschland hat Ali Mohammad Rezaie schon einige Praktika und kleine Jobs gemacht - im Altenheim, in einer Bäckerei, und in Hotels und Restaurants. In seiner freien Zeit, versucht er sein Deutsch zu verbessern - zum Beispiel in einem Berliner Sprachcafé (Foto).
Bild: Reuters/H. Hanschke
Angst vor der Abschiebung
Wenn Ali Mohammad Rezaie nicht in der Lufthansa-Lounge am Flughafen Berlin Tegel Essen vorbereitet oder sauber macht, trifft er sich gerne mit Freunden in einer Bar. Aber das Damoklesschwert Abschiebung schwebt über ihm: "Ich habe eine Wohnung und kenne viele nette Menschen. Wenn sie mich abschieben, verliere ich alles." Denn sein Asylantrag wurde abgelehnt. Aktuell wird er nur "geduldet".
Bild: Reuters/F. Bensch
Vom Bombenhagel ins bunte Nachtleben
Wie Haidar Darwish stellen sich die meisten wohl keinen syrischen Flüchtling vor. Aber er ist einer. 2016 floh er wegen des Krieges. Als er 2017 in einem Schwulen-Club in Berlin tanzte, sprach ihn Judy La Divana an, israelischer Student und Drag Queen. Er bot ihm an, in seiner Show aufzutreten. In Syrien hatte Haidar Darwish noch nie auf einer Bühne getanzt.
Bild: Reuters/A. Cocca
Ungewöhnliche Jobs
Judy La Divana überzeugte ihn. Und seitdem läuft es rund. "Viele Leute fragen, wann und wo ich auftrete, um dann vorbeizukommen", sagt er stolz. Um sein Einkommen aufzubessern, arbeitet er noch in einem Mode- und Erotik-Geschäft für Schwule (Foto). Der Geschäftsführer hatte zuvor seine Shows besucht.
Bild: Reuters/A. Cocca
Frei entfalten
Haidar Darwish (l.) hilft seinem Chef Frank Liedtke (r.) auch bei Veranstaltungen von Schwulen und Lesben in Berlin. Sein Leben in Syrien wäre ein deutlich anderes als das, was er in Berlin führt: ein buntes, freizügiges, angstfreies. In Berlin kann er sich frei entfalten. Und Berlin ist wieder ein Stück bunter geworden.
Bild: Reuters/A. Cocca
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Der Anteil der erwerbstätigen Flüchtlinge ist von 21 Prozent im Jahr 2017 auf 35 Prozent im vorigen Jahr gestiegen. Das liege über den Erwartungen, sagte der IAB-Forscher Herbert Brücker und forderte, die Geflüchteten noch besser zu unterstützen, insbesondere die Frauen, die auch in Sachen Job hinter den Männern liegen. Rund zehn Prozent der erwachsenen Geflüchteten gingen 2017 zur Schule, studierten oder machten eine Ausbildung. Ein Jahr zuvor waren es noch sechs Prozent.
Zugang zu Psychotherapie ist schwierig
Problematisch für die Integration sei es allerdings, dass Geflüchtete oft unter psychischen Problemen leiden. Insbesondere Frauen, ältere Flüchtlinge und Menschen aus Afghanistan weisen den Autoren der Studie zufolge ein hohes Risiko für posttraumatische Belastungsstörungen auf. Doch professionelle Hilfe zu finden, ist für Flüchtlinge schwer, da sie in der ersten Zeit meist nur bei gravierenden körperlichen Beschwerden Anspruch auf eine Behandlung haben. Danach erschweren lange Wartezeiten für einen Therapieplatz und ein Mangel an muttersprachlichen Therapeuten und Dolmetschern eine Behandlung.