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Studie: Jeder dritte Getötete starb in Syrien

Matthias von Hein5. Mai 2016

Die zweite Ausgabe des Armed Conflict Surveys, der bewaffnete Konflikte untersucht, enthält wenig Ermutigendes. Konfliktforscherin Anastasia Voronkova im DW-Interview zu den Ergebnissen der Studie.

Berg-Karabach : Soldat mit mehreren Kalschnikows von hinten vor Gebäuden in ländlicher Gegend (Foto: Reuters/PAN Photo/V. Stepanyan)
Bild: Reuters/PAN Photo/V. Stepanyan

DW: Das ist jetzt die zweite Ausgabe des Armed Conflict Surveys, der Übersicht des International Institutes for Strategic Studies (IISS) zu bewaffneten Konflikten weltweit. Was sind die wichtigsten Entwicklungen, die Sie im neuen Bericht hervorheben?

Anastasia Voronkova: In der letzten Ausgabe des Armed Conflict Surveys hatten wir zwar eine Verringerung der Konflikte in der Welt dokumentiert, aber eine Zunahme der Todesopfer. In diesem Jahr können wir feststellen, dass die Zunahme der Todesopfer gestoppt ist. Die Zahl der Getöteten ist von rund 180.000 im Jahr 2014 gefallen auf 167.000 im vergangenen Jahr. Wichtig ist aber der Hinweis: Die Hälfte davon kam in den Konflikten im Nahen und Mittleren Osten und in Nordafrika um. Der Syrien-Konflikt allein ist für ein Drittel aller Todesopfer verantwortlich.

Zugenommen hat die Zahl der Getöteten auch in der Türkei, im Jemen und in Ägypten. Im Nahen Osten müssen wir leider feststellen, dass man nirgendwo der Lösung der Konflikte näher gekommen ist. Bei einigen haben sich die Aussichten sogar verschlechtert.

Bezüglich des sogenannten "Islamischen Staats" (IS) haben wir eine Verlagerung registriert. Die Gruppe hat in Syrien und im Irak Territorium verloren. Sie hat aber ihre Präsenz in Libyen ausgebaut und gefestigt, obwohl der IS dort nicht - wie in Syrien und im Irak - von religiöser Spaltung profitieren kann und seine Kämpfer als Fremde wahrgenommen werden. Aber der Erfolg des IS, Territorium zu halten und seine Stellung zu festigen - etwa in Sirte -, ist ein Beleg für seine Entschlossenheit und Stabilität.

Die letzte Ausgabe des Armed Conflict Surveys hat 42 Konflikte auf der ganzen Welt dargestellt. Die neue Ausgabe beschäftigt sich mit 37. Lässt sich aus dieser etwa geringeren Zahl ableiten, dass wir in einer etwas friedlicheren Welt leben?

Nicht wirklich. Die Konflikte in Nordafrika und Nahost sind so weit von einer Lösung entfernt wie 2014. Die Situation in Mittelamerika und Mexiko muss man als besonders düster beschreiben. Die Zahlen der Getöteten sind dort gegenüber 2014 gestiegen.

Einer der ganz wenigen Lichtblicke ist vielleicht Kolumbien. Der Konflikt zwischen der Regierung, der FARC sowie der ELN konnte erheblich deeskaliert werden. Es gab große Fortschritte bei der Lösung der Konflikte. Aber auch da gibt es auf der langen Straße zum Frieden noch viele Herausforderungen.

Konfliktforscherin Anastasia VoronkovaBild: PR/IISS Press

Wenn wir mal längerfristig denken: Im vergangenen November wurde in Paris zwar ein Abkommen zum Schutz des Klimas unterzeichnet. Der Klimawandel zwingt aber heute schon Menschen zum Verlassen ihrer Heimat. In den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren wird deren Zahl massiv zunehmen, wir reden hier von vielen Millionen Menschen. Was bedeutet das für die internationale Sicherheit?

Die Vertreibung und Verdrängung von Menschen durch ungelöste Konflikte und Katastrophen aller Art ist eine Herausforderung von globalen Ausmaßen. Zählt man Flüchtlinge und jene zusammen, die wegen Katastrophen ihre Heimat verlassen mussten, kommt man nach unseren Erhebungen für 2015 auf eine Zahl von 60 Millionen! Ihre Zahl ist dramatisch gewachsen und wächst weiterhin dramatisch.

In Kombination mit den Effekten ungelöster Konflikte werden globale Katastrophen weiterhin erhebliche Auswirkungen auf die Weltbevölkerung haben. Wir werden versuchen, das weiterhin im Auge zu behalten.

In ihrem neuen Bericht gehen Sie besonders auf die Rolle von Städten in Konflikten ein. Was steckt dahinter?

Wir untersuchen, inwieweit bewaffnete Konflikte vermehrt in Städten ausgetragen werden. Megacities zum Beispiel dienen vermehrt als Zentrum für Terrorgruppen. Dramatisch zugenommen hat auch die Zahl von Flüchtlingen in Städten gegenüber ländlichen Gebieten. In vielen Teilen der Welt haben sich Kämpfe vermehrt in Städte verlagert, besonders in der Türkei und der Ukraine.

Wo liegen denn die am stärksten von Gewalt betroffenen Städte?

Die überwiegende Mehrheit der von Gewalt geprägten Städte liegt in Lateinamerika. Diese Region leidet massiv unter organisiertem Verbrechen und anhaltenden Konflikten.

Die Konfliktforscherin Anastasia Voronkova ist verantwortliche Redakteurin für den Armed Conflict Survey beim International Institute for Strategic Studies (IISS) in London.

Das Interview führte Matthias von Hein.

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