Studie: Mehr Hitzetote durch Klimawandel in Europa
9. Juli 2025
Der Juni 2025 war der bislang heißeste in Westeuropa - mit verheerenden Folgen: Die extreme Hitze forderte zahlreiche Todesopfer. Eine Studie zeigt: Ohne Klimawandel wären weit weniger Menschen an der Hitze gestorben.
Menschen schützen sich mit Sonnenschirmen vor der Hitze Anfang Juli 2025 in Italien Bild: Tiziana Fabi/AFP
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Die extreme Hitzewelle Ende Juni bis Anfang Juli hat laut einer Studie zu rund dreimal so vielen Todesopfern in Europas Großstädten geführt wie ohne den Einfluss des Klimawandels. Etwa ein Drittel von den 2300 Todesfällen, rund 1500, seien laut dem internationalen Forschungsteam des Imperial College London und der London School für Tropenmedizin direkt auf den Klimawandel zurückzuführen.
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Großbritannien, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz analysierten die Entwicklung in zwölf Großstädten im Zeitraum vom 23. Juni bis zum 2. Juli. In der Zeit kletterten die Temperaturen in vielen Städten auf Extremwerte von teils deutlich über 40 Grad Celsius. Laut Studie erhöhte der Klimawandel die täglichen Höchsttemperaturen in den Städten um 1 bis 4 Grad - ohne diese zusätzliche Erwärmung wären nur rund 800 Menschen an Hitzefolgen gestorben.
Für ihre Analyse verglich das Team reale Temperaturdaten mit Modellrechnungen, die ein Szenario ohne den menschengemachten Klimawandel abbilden. Für beide Varianten wurde die zu erwartende Zahl der Hitzetoten ermittelt.
Alte Menschen besonders betroffen
Von der jüngsten Hitzewelle besonders betroffen waren den Experten zufolge verletzliche Gruppen wie etwa Menschen mit Vorerkrankungen. 88 Prozent der geschätzten Todesfälle entfielen auf die Altersgruppe ab 65 Jahren, berichtet das Team.
Hitze: Europa ächzt unter dem Wetter
Temperaturen bis zu 40 Grad in Deutschland waren vorhergesagt - und diese Marke wurde am Mittwoch auch beinahe erreicht.
Bild: Rene Traut/picture alliance
"Der bisher heißeste Tag des Jahres"
Andernach in Rheinland-Pfalz war der heißeste Ort der aktuellen Hitzewelle in Deutschland. Am Mittwochnachmittag wurden hier 39,3 Grad gemessen - das war der Top-Wert sowohl des Tages als auch des bisherigen Jahres 2025, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) mitteilte. Prognosen hatten sogar befürchten lassen, dass mancherorts die 40-Grad-Marke geknackt wird - doch dazu kam es dann doch nicht.
Bild: Marcus Brandt/dpa/picture alliance
Knapp auf den Plätzen zwei und drei
Zweitheißester Ort in der Bundesrepublik war am Mittwoch Tangerhütte-Demker in Sachsen-Anhalt mit 39,2 Grad, gefolgt von Kitzingen in Bayern mit 39,1 Grad. Ein Allzeit-Temperaturrekord für Deutschland wurde damit wie erwartet verfehlt: Dieser wurde am 25. Juli 2019 gemessen und lag bei 41,2 Grad an den DWD-Wetterstationen Tönisvorst und Duisburg-Baerl, beide gelegen in Nordrhein-Westfalen.
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Platsch!
Wenn nur noch die Füße aus dem Wasser gucken, ließ es sich in München und anderswo noch gerade so aushalten. Ohne Abkühlung sind die hohen Temperaturen ein Gesundheitsrisiko: Zahlreiche Menschen müssen alljährlich wegen gesundheitlicher Schäden durch Sonnenlicht oder Hitze in Krankenhäusern behandelt werden.
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Frühsport vorm Fernsehturm
Gutes Timing: Ein Jogger rennt am frühen Morgen durch Berlin. Während hoher Temperaturen tagsüber raten Mediziner von Sport ab, vor allem im Freien: Selbst ohne Anstrengung kann Hitzebelastung für den Körper gefährlich werden, warnt der DWD. Neben Sonnenschutz wird dringend empfohlen, viel zu trinken und kühle Plätze aufzusuchen.
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Klimawandel befeuert Hitzewellen
Gießen im Morgengrauen: Auch die Tier- und Pflanzenwelt leidet. In Deutschland herrscht bereits seit Monaten Dürre, die hohen Temperaturen sorgen für zusätzlichen Trockenstress in der Natur. Nach Einschätzung von Forschenden nimmt die Zahl und Intensität von Hitzewellen aufgrund des Klimawandels immer weiter zu, von dem Europa besonders stark betroffen ist.
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Nicht hoch hinaus am Eiffelturm
Große Teile West- und Südeuropas ächzen bereits seit Tagen unter der Hitzewelle. In Frankreich galt zwischenzeitlich die höchste Alarmstufe. Im Pariser Eiffelturm bleiben die oberen Etagen für Besucherinnen und Besucher geschlossen. Am Montag (30.6.) war in Frankreich der heißeste Junitag seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1947 gemessen worden.
Bild: Thibaud Moritz/AFP/dpa/picture alliance
46 Grad!?
Wie bunte Pilze sprenkeln Sonnenschirme den Strand von Almada an der portugiesischen Costa da Caparica. Auch Portugal und Spanien verzeichneten neue Temperaturrekorde für den Juni von über 46 Grad Celsius. Nachts sanken die Temperaturen auf der iberischen Halbinsel teilweise nicht unter 30 Grad; ohne Klimaanlage ist erholsamer Schlaf dann kaum noch möglich.
Bild: CARLOS COSTA/AFP/Getty Images
Mittelmeer als Warmbad
Nicht nur an Land, auch im Mittelmeer wurden Höchsttemperaturen gemessen: Vor den Balearen ist das Wasser bis zu 26 Grad warm. Diese Temperaturen werden normalerweise erst im August erreicht. In Griechenland haben starke Winde die schlimmste Hitze zwar inzwischen eingedämmt, dafür stieg die Waldbrandgefahr auf die höchste Stufe.
Bild: Clara Margais/dpa/picture alliance
Sonderverordnungen gegen Hitze
Extreme Wetterbedingungen ebenso in Italien: Für etliche Städte wurde die höchste Hitzewarnstufe ausgerufen - darunter Rom, Mailand, Bologna und Florenz. Um Menschen zu schützen, die draußen körperliche Arbeit leisten müssen, gelten in mehreren Regionen Sonderverordnungen. Dort ist an besonders heißen Tagen Arbeiten im Freien während der Mittagsstunden untersagt.
Bild: Antonio Masiello/Getty Images
Kaltfront lässt Argentinier zittern
Während die Menschen in großen Teilen von Europa unter der extremen Hitze leiden, bibbern die Argentinier vor Kälte. In Buenos Aires wurde mit minus 1,9 Grad die tiefste Temperatur dort seit August 1991 gemessen, wie der Wetterdienst mitteilte. Temperaturen unter dem Gefrierpunkt sind in Argentiniens Hauptstadt auch während des Winters auf der Südhalbkugel eher ungewöhnlich.
Bild: Pedro Lazaro Fernandez/REUTERS
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Die untersuchten zwölf Städte waren in unterschiedlichem Ausmaß von den Folgen der Hitzewelle betroffen: Demnach entfielen knapp 320 der durch den Klimawandel zusätzlich entstandenen Todesfälle auf Mailand, 286 auf Barcelona, 235 auf Paris und 171 auf London. In Frankfurt liegt die Zahl mit 21 zusätzlichen Todesopfern vergleichsweise niedrig.
Experten: "lautloser Killer"
Laut den Forschern verursachen Hitzewellen wesentlich mehr Todesfälle als andere Naturkatastrophen. Zum Vergleich: Bei den Überschwemmungen in der spanischen Region Valencia kamen demnach im vergangenen Jahr 224 Menschen ums Leben, bei den Flutkatastrophen 2021, darunter im Ahrtal, starben im nordwestlichen Europa 243 Menschen.
"Hitzewellen hinterlassen keine Schneise der Verwüstung wie Flächenbrände oder Stürme", erklärt Co-Autor Ben Clarke vom Imperial College London. "Ihre Folgen sind überwiegend unsichtbar, aber im Stillen verheerend. Eine Differenz von nur 2 bis 3 Grad Celsius kann für Tausende von Menschen den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten." Das Team spricht deshalb von einem "lautlosen Killer".
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Hitzewellen stärker und häufiger
Wie Daten des EU-Klimawandeldienstes Copernicus zeigen, war der Juni 2025 in Westeuropa der heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Durchschnittstemperatur lag bei 20,49 Grad Celsius und übertraf damit den bisherigen Juni-Rekord von 2003 (20,43 Grad Celsius). Die Datenreihe von Copernicus reicht bis 1950, teilweise auch weiter zurück.
"In einer sich weiter erwärmenden Welt werden Hitzewellen häufiger, intensiver und treffen mehr Menschen", warnt Samantha Burgess vom Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (EZMW). Besonders deutsche Städte seien darauf schlecht vorbereitet, mahnt der Klimaforscher Jochen Marotzke. Als Gründe nennt er mangelnde Verschattung, zu viel Glas, zu wenig Grünflächen und eine starke Versiegelung.