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Mikroplastik verschmutzt unser Trinkwasser

Chris Tyree Washington | Dan Morrison Washington
7. September 2017

Mikroplastik verunreinigt nicht nur unsere Weltmeere - Millionen Menschen nehmen tagtäglich unsichtbare Kunststofffasern mit dem Leitungswasser auf. Woher kommen sie und wie gefährlich sind sie?

Mikroplastik
Bild: OrbMedia 2017

Süchtig nach Plastik

01:31

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Mikroskopisch kleine Plastikteilchen sprudeln aus Wasserhähnen in der ganzen Welt - von New York bis New Delhi. Das enthüllt eine Studie von Orb Media, einer gemeinnützigen Internetnachrichtenredaktion in Washington, USA.

"Es ist schlimm", sagt die 61-jährige Mercedes Noroña, als sie erfährt, dass eine Wasserprobe aus ihrem Haus in Quito in Ecuador Kunststofffasern enthält. "Vielleicht übertreibe ich ja - aber wenn solche Sachen im Wasser sind, macht mir das wirklich Angst."

Jüngste Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass Mikroplastik unsere Meere, unser Süßwasser, den Boden und die Luft verschmutzt. Diese Studie zeigt erstmals, dass Plastik selbst im Leitungswasser ist, von dem Milliarden Menschen weltweit abhängig sind.

Für die Studie wurden über 150 Leitungswasserproben in Städten aus fünf Kontinenten genommen. 83 Prozent von ihnen enthielten Plastik. Die Studie untersuchte, ob es Plastikfasern gab, oder nicht. Bereits geringste Faserspuren ergaben also eine positive Probe. Über einen etwaigen toxikologischen Befund sagt die Studie indes nichts aus. Im Umkehrschluss bedeutet das auch: 17 Prozent der Proben enthielten keinerlei Plastik - nicht mal eine winzige Faser.  

Die Macher der Studie warnen trotzdem: Wenn synthetische Fasern im Leitungswasser sind, sind sie vermutlich auch in Lebensmitteln, etwa im Brot und in der Babynahrung.

Experten vermuten, dass sie aus synthetischen Textilien, aus Teppichen und Polstermöbeln stammen. Unklar ist aber, wie die Kunststofffasern ins Leitungswasser gelangen und welche Gesundheitsrisiken sie bergen.

Auch Plastik aus Müllhalden gelangt in die UmweltBild: OrbMedia 2017

Wie gefährlich ist das? 

Plastikfasern, die in den menschlichen Körper gelangen, können Experten zufolge auch Umweltgifte transportieren. Laut Meeresbiologe Richard Thompson von der Plymouth University in Großbritannien hat sich in Tierexperimenten deutlich gezeigt, "dass das Plastik diese Chemikalien freisetzt und dass die Bedingungen im Verdauungstrakt diese Freisetzung sogar beschleunigen."

Plastik ziehe die Tierwelt in Mitleidenschaft, sagt Sherri Mason. Die Mikroplastikforscherin und Leiterin der Orb-Studie kann das durch Daten belegen. Es sei Grund genug, um besorgt zu sein: "Wenn es sich auf die Tiere auswirkt, wie können wir dann glauben, dass es sich nicht auf uns auswirkt?"

Plankton im Meer hat Polystyrol-Partikel (grün) aufgenommenBild: OrbMedia 2017

Bisher weiß das niemand, sagt Lincoln Fok, Umweltwissenschaftler an der Education University in Hong Kong. "Die Forschung rund um Mikroplastik und die menschliche Gesundheit steckt noch in den Kinderschuhen."

Eine Welt aus Plastik

Plastikfasern sind im Leitungswasser aller Menschen - egal ob arm oder reich. Im Leitungswasser des Trump-Grill Restaurants im New Yorker Trump Tower wurden genauso viele Fasern gefunden wie in Proben aus dem indonesischen Jakarta. Mikroplastik wurde auch in Trinkwasser in Flaschen gefunden und in Haushalten, die mit Umkehrosmose-Filtern ausgestattet waren.

In den Vereinigten Staaten gibt es keine Grenzwerte zu Plastik im Leitungswasser. Laut den Bestimmungen der EU muss Leitungswasser frei von Verunreinigungen sein. Trotzdem sind die Plastikfasern quasi überall. 94 Prozent aller Proben aus der USA und aus Beirut im Libanon enthielten mikroskopisch kleine Plastikteilchen. In New Delhi waren es 82 Prozent, im ugandischen Kampala 81 Prozent, in Jakarta 76 Prozent, in Quito 75 Prozent und in Europa im Durchschnitt 72 Prozent der Proben.

"Diese Studie kratzt nur an der Oberfläche", sagt Wasserbauingenieur Hussam Hawwa, der die Proben in Beirut nahm. "Aber sie scheint bereits ganz schön viel Staub aufzuwirbeln."

Selbst Fische enthalten Mikroplastik - das fand eine Studie im Jahr 2015Bild: OrbMedia 2017

Allgegenwärtig - oder doch nicht?

Nicht alle können die Studienergebnisse nachvollziehen. "Unsere laufenden Testreihen zeigen keine erhöhten Werte für Plastik und/oder ihre Abbauprodukte", sagt eine Pressesprecherin der Wasserbehörde von Los Angeles. Doch zwei von drei Proben aus Los Angeles enthielten Mikroplastik - ein öffentlicher Trinkbrunnen eingeschlossen.

James Nsereko, Fischer am Lake Victoria in Uganda, lässt sich von den Ergebnissen ebenfalls nicht beeindrucken. "Wir haben noch nie so etwas in der Art gefunden", sagt er. Aber selbst Proben aus dem Wasserhahn aus Nserokos Dorf enthielt vier Plastikfasern.

In Washington fand man in einer 500-Milliliter-Probe aus dem Kapitol 16 Fasern - genauso wie im Gebäude der US-Umweltbehörde EPA. Laut Stadtbeamten in New York und Washington erfüllt das Wasser trotzdem die geltenden Normen.

Auch im Leitungswasser des Kapitols fanden Forscher PlastikfasernBild: OrbMedia 2017

In Kleidung und im Regen

Eine Quelle, woher das Mikroplastik stammt, steht fest: Eine Waschmaschinenladung mit Kleidung aus Kunstfasern sondert bis zu 700.000 Fasern ab. Die meisten davon entgehen jeder Abwasserreinigung und gelangen in öffentliche Wasserwege. Selbst Fasern aus behandelten Abwässern gelangten vermutlich irgendwann in die Häuser von anderen Gemeinden, glaubt Mason. "Wir liegen alle flussabwärts von jemand anderem."

Kunststofffasern regnen womöglich sogar auf uns herab. Eine Studie aus dem Jahr 2015 schätzte, dass jedes Jahr drei bis zehn Tonnen Plastikfasern auf die Dächer und die Straßen von Paris fallen. "Was wir in Paris beobachtet haben, zeigt, dass eine riesige Menge Plastikfasern in der Atmosphäre schweben und als Niederschlag herunterkommen", sagt Johnny Gasperi, analytischer Chemiker an der Universität Paris XII.

Neue Herausforderung

Wo auch immer sie herkommen - Plastikfasern im Leitungswasser geben den Regierungen, den Forschern und der Industrie neue und beunruhigende Rätsel auf, meint Mason. "Die Menschen haben uns immer gefragt: 'Und das ist in unserem Trinkwasser?'", erzählt sie. "'Das hätte ich niemals gedacht.'"

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