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Verzicht auf russisches Gas schon 2022?

8. April 2022

Deutschland kann schon in diesem Jahr ohne russisches Gas auskommen, so eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Bundesregierung und Industrievertreter sehen das anders.

Deutschland | Astora Erdgasspeicher in Jemgum
Erdgasspeicher im norddeutschen JemgumBild: Ingo Wagner/dpa/picture alliance

Nach Darstellung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin könnte Deutschland schon in diesem Jahr auf russische Gaslieferungen verzichten. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass viel Energie eingespart und Gaslieferungen aus anderen Ländern ausgeweitet würden, teilte das Institut am Freitag mit.

"Wenn die Energie-Einsparpotenziale maximal genutzt und gleichzeitig die Lieferungen aus anderen Erdgaslieferländern so weit wie technisch möglich ausgeweitet werden, ist die deutsche Versorgung mit Erdgas auch ohne russische Importe im laufenden Jahr und im kommenden Winter 2022/23 gesichert", lautet das Fazit der Untersuchung.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geht bisher davon aus, dass Deutschland noch bis Mitte 2024 benötigt, um von russischem Gas unabhängig zu werden. Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine will Berlin auf Importe von dort so schnell wie möglich verzichten.

Industrievertreter warnen, dass ein Verzicht auf russisches Gas frühestens in vier oder fünf Jahren möglich sei. Anderfalls könnte die deutsche Wirtschaft "in ihre schwerste Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs" stürzen, sagte etwa der Chef des Chemiekonzerns BASF, Martin Brudermüller, Anfang April.

Russland lieferte zuletzt rund 55 Prozent des in Deutschland benötigten Erdgases. Das DIW hat verschiedene Szenarien durchgerechnet, wie es ohne diese Lieferungen gehen könnte.

Mehr Importe

Für einen schnelleren Abschied ist der Studie zufolge nicht erforderlich, dass Deutschland eigene Terminals für das von anderen Förderstaaten per Schiff gelieferte Flüssiggas (LNG) baut. "Der Bau von LNG-Importterminals an der Küste ist aufgrund der langen Bauzeiten und dem mittelfristig stark rückläufigen Erdgasbedarf nicht sinnvoll", schreibt das Autorenteam Robin Sogalla, Christian von Hirschhausen, Franziska Holz und Claudia Kemfert.

Stattdessen sollten die Erdgasimporte aus klassischen Lieferländern wie Norwegen oder den Niederlande deutlich ausgeweitet werden. Allein durch mehr Importe aus dem skandinavischen Land könnten etwa ein Fünftel der bisherigen russischen Einfuhren von mehr als 50 Milliarden Kubikmeter pro Jahr eingespart werden.

Auch könnten die bereits vorhandenen LNG-Terminals in den Niederlanden (Rotterdam), Belgien (Zeebrugge) und Frankreich (Dunkerque) genutzt werden, um mehr Flüssiggas über das europäische Pipelinenetz nach Deutschland zu leiten. Dadurch könnte mehr als ein Viertel des russischen Imports wegfallen.

Eine effizientere Nutzung des deutschen und europäischen Pipelinesystems zur Verbindung Deutschlands mit Südeuropa, wo Lieferungen von nordafrikanischen Ländern wie Algerien und Libyen ankommen, könnte künftig die Situation weiter entspannen.

Weiterhin sei es notwendig, die vorhandenen Speicher rechtzeitig vor Beginn der Heizperiode im Winter 2022/23 auf 80 bis 90 Prozent aufzufüllen.

Starkes Sparen und weniger Produktion

Trotzdem werde all das nicht reichen, um die bisherigen Erdgasimporte aus Russland vollständig auszugleichen, räumt das DIW ein.

Zusätzlich seien deshalb große Einsparungen notwendig, 18 bis 26 Prozent weniger Erdgasverbrauch seien möglich. Privathaushalte sollten etwa weniger stark heizen als gewohnt und weniger Warmwasser verbrauchen. Die Industrie solle Wärme mit Strom, Kohle oder Biomasse erzeugen.

Die Wirtschaftsforscher gehen davon aus, dass die Industrie ihren Erdgasverbrauch um bis zu einem Drittel senken kann. Dabei würde die Produktion allerdings vorübergehend deutlich sinken. Für stark betroffene Unternehmen und einkommensschwache Haushalte müsse es finanzielle Hilfen geben, hieß es.

Notwendig seien jetzt schnellstmöglich Energiesparkampagnen. "Darüber hinaus müssen jetzt rasch Maßnahmen umgesetzt werden, die die Energieeffizienz steigern und den Umstieg auf erneuerbare Wärme (in Verbindung mit Wärmepumpen) erleichtern", so das DIW.

bea/dk (dpa, reuters)

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