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GesellschaftDeutschland

Studien: Wie "toxisch" sind Männer?

13. Juni 2023

TikTok-Star und selbst ernannter Frauenhasser Andrew Tate als Vorbild? Die Ergebnisse einer neuen Umfrage zum Thema Männlichkeit muten erschreckend an. Wie toxisch sind Männer in Deutschland wirklich?

Ein Mann sitzt vor einem Motorrad und raucht ( Symbolbild)
Wann ist ein Mann ein Mann? Vor allem in Krisenzeiten kann es zu einem Backlash der Geschlechterrollen kommen Bild: Westend61/Iamgo Images

Es gehörte wohl zu den Schock-Nachrichten des Tages: Häusliche Gewalt ist "akzeptabel", Frauen gehören an den Herd und öffentlich gelebte Homosexualität wird vielfach abgelehnt. Die Zustimmung zu solchen Aussagen ist laut einer jüngsten  Befragung der Nichtregierungs-Organisation Plan International in Deutschland hoch. 

So findet jeder dritte befragte Mann gelegentliche Gewalt gegenüber Frauen in Ordnung. 34 Prozent gaben an, Frauen gegenüber auch mal handgreiflich zu werden, "um ihnen Respekt einzuflößen". Für die Erhebung von Plan International zum "Spannungsfeld Männlichkeit" hatten im März jeweils 1.000 Männer und Frauen zwischen 18 und 35 Jahren an einer standardisierten schriftlichen Online-Befragung teilgenommen.

Auch andere Aussagen zeigten ein verstörendes Bild von Männlichkeit. 48 Prozent störten sich laut der Umfrage daran, wenn Männer ihre Homosexualität in der Öffentlichkeit zeigten. Als Vorbilder nannten die Männer unter anderem US-Unternehmer Elon Musk oder Influencer Andrew Tate, der sich auf der Plattform TikTok als selbst ernannter Frauenhasser präsentierte und sich zum Beispiel mit Aussagen wie "Frauen sind das ultimative Statussymbol" oder "Männliches Leben ist Krieg" einen Namen machte. 

Influencer Andrew Tate vor Gericht in Bukarest, Rumänien: Der TikToker gilt vielen als Vorbild Bild: Alexandru Bobre/AP Photo/picture alliance

Nachdem die Umfrage zunächst für großen medialen Wirbel sorgte, löste sie anschließend heftige Kritik aus. User in sozialen Netzwerken zweifelten die Repräsentativität der Studie an, zumal die Befragung online stattfand, und es sich hiermit zumindest um eine online-affine Zielgruppe handeln musste.

Andere kritisierten, dass die konkreten Fragestellungen fehlten. Und alles drehte sich um die Frage: Kann es wirklich sein, dass junge Männer in Deutschland so denken und handeln?   

"Das geht gar nicht"

Auch für Experten hat die Befragung der Organisation ihre Tücken. "Wie die Studie designt ist, hätte ich gerne genauer gewusst. Auch wie genau geantwortet wurde, ist leider nicht richtig transparent geworden", sagt Dag Schölper vom Bundesforum Männer, einer Interessensvertretung für Jungen und Männer, der DW.

"Aber unabhängig davon: Selbst wenn von 1000 x-beliebigen Männern ein Drittel eine nicht ganz ernst gemeinte zustimmende Antwort auf die Frage gibt, ob sie sich vorstellen könnten, ihre Partnerin im Zweifel auch mal zu schlagen, dann haben sie Zustimmung geäußert und hatten nicht den Impuls zu sagen: Das geht gar nicht." 

Schölper sagt weiter: "Dass es diese Haltung gibt, und dass es Teile in der Gesellschaft gibt, in denen das gelebt wird, das zeigen die bekannten Gewaltstatistiken." Die Zahlen geben ihm recht: Rund 143.000 Menschen haben 2021 - dem jüngsten Erhebungsjahr - laut kriminalstatistischer Auswertung des Bundeskriminalamts Gewalt von ihrem Partner oder Ex-Partner erfahren.

In rund 80 Prozent der Fälle waren die Opfer Frauen, die Täter in der großen Mehrheit männlich. Das ist zwar ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr. Mit Blick auf die vergangenen fünf Jahre lässt sich jedoch ein Anstieg beobachten.

Vorurteile gegenüber Frauen

Und auch wenn man nur auf das Männlichkeitsbild und mögliche Vorurteile schaut, zeigen sich zwar etwas niedrigere, aber immer noch beunruhigende Zahlen. Hier ein paar Beispiele: Bei einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung von 2017 erklärten rund 40 Prozent der Befragten, sich von öffentlich gezeigter Homosexualität gestört zu fühlen.

Wie Frauenhasser die sozialen Medien erobern

03:29

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Bei einer Befragung der Vereinten Nationen für den "2023 Gender Social Norms Index" gaben rund 90 Prozent der Befragten an, Vorurteile gegenüber Frauen zu hegen. Zwei Drittel der Befragten trauten Frauen keine politische Führungsrolle zu.

Ein Viertel findet es in Ordnung, wenn ein Mann eine Frau schlägt. Der Gender Social Norms Index zeige "keine Verbesserung bei Vorurteilen gegenüber Frauen in einem Jahrzehnt", und das trotz zahlreicher Kampagnen, so die Bilanz der Organisation Anfang der Woche.

Das Pendel, das zurückschlägt 

Doch woran liegt es, dass die sogenannte toxische Männlichkeit noch immer so hoch im Kurs steht? "Es gibt immer Pendelbewegungen, die sich auch in der Umfrage widerspiegeln", sagt Schölper. "So sind Homosexualität und queeres Leben zunehmend öffentlich sichtbar und finden nicht nur im Verborgenen statt. Wer damit aber ein Problem hat, fühlt sich herausgefordert, vielleicht auch bedroht." 

Queeres Leben in Berlin: Manch einer fühlt sich davon verunsichert Bild: Emmanuele Contini/IMAGO

Auch Krisen lassen tradierte Geschlechterrollen wieder aufleben - man besinnt sich auf das Althergebrachte, um so ein Gefühl von Sicherheit zu verschaffen.

So kam es auch bei der Corona-Krise nach Ansicht von Soziologen zu einem Rollback der Geschlechterrollen. Frauen übernahmen wieder mehr Care-Arbeit, häusliche Gewalt nahm zu. "Global gesehen sind wir insgesamt in einer Backlash-Bewegung, in der rigide und enge Geschlechterbilder wieder stärker werden", so Schölper. 

Für Schölper sind die Zahlen ein klarer Auftrag. "Wir brauchen mehr Jungen- und Männerarbeit in der Fläche. Die Kommunen müssen begreifen, dass es Teil der Daseinsvorsorge sein muss, dass wir eine Beratungsstruktur für Männer haben, damit sie mit Problemen eben nicht im Internet bei Leuten wie Andrew Tate landen, um dort Rat zu suchen.“

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