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Studiogast: Dr. Kristian Müller, Biochemiker

03:30

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Suryo Buono15. Mai 2011

Dr. Kristian Müller arbeitet am Institut für Biochemie und Biologie der Universität Potsdam. Er ist Fachmann für synthetische Biologie. Wir sprechen mit ihm über das Potential und die Risiken der synthetischen Biologie.

DW-TV: Ist es möglich, dass künstlich hergestellt Organismen eine Stadt vor dem Versinken retten?

Kristian Müller: Das klingt erst einmal vermessen, wenn man denkt eine ganze Stadt zu retten. Auf der anderen Seite sollte man sich überlegen: Die Stadt steht schon auf Biomaterialien, nämlich auf diesen Bäumen. Und es ist bekannt, dass Mikroorganismen ganze Gebirge generieren können durch Kalkabscheidung. Also warum nicht vielleicht diese Sachen verbinden und Mikroorganismen generieren, die auf Holz leben und dieses vielleicht durch Kalkablagerung schützen können. Also durchaus vielleicht eine Idee die man umsetzen könnte.

Wann hört die Manipulation auf und wann fängt der Neubau von Mikroorganismen an?

Das ist ein fließender Prozess. Eine Manipulation von Organismen gibt es schon sehr lange. Etwa seit Mitte der 70er Jahre werden Gene oder kleine Teile davon manipuliert. Und das ist in den letzten Jahren zunehmend mehr geworden. Es werden jetzt mittlerweile ganze Genome manipuliert, das steckt aber noch in den Kinderschuhen. Aber sobald man ganze Genome manipuliert, also wirklich neue Eigenschaften in großem Maßstab eingefügt, kann man von Kreation sprechen. Und die Idee der synthetischen Biologie ist ja aus diesen Bausteinen relativ schnell diese Eigenschaften in einen Organismus verpacken zu können.

Und zwar so weit, dass dann irgendwann nicht der Baum, den man fällt, um daraus einen Stuhl zu machen, aus dem Boden wächst, sondern gleich der Stuhl?

Das ist eine nette Idee, die im Moment sicher ein sehr weites Fernziel ist. So weit ist es noch nicht. Denkbar wären eher kleinere Manipulationen, zum Beispiel Früchten andere Formen zu geben oder Hülsen. Einen ganzen Baum im Wachstum zu manipulieren ist deutlich schwieriger und im Moment wohl eher noch Phantasie.

Wie weit darf die synthetische Biologie gehen? Wann hört es auf, wann sollte man "Stop" sagen?

Die ethischen Fragen sind erst einmal so direkt gar nicht eine Frage der synthetischen Biologie, der Technik, als eher die Frage 'Was wollen die Anwender?'. Hier sind die Wissenschaftler gefragt, sich im Kontext mit der Bevölkerung zu überlegen: Was kann man machen? Was will man machen? Was darf man machen? Das ist weitgehend unabhängig von der Technik und eine Frage, die auch viele Forscher und die Öffentlichkeit beschäftigt. An der Stelle, an der das Leben synthetisch wird, ist es Leben. Und Leben hat einen höheren Stellenwert als wenn ich irgendetwas anderes, zum Beispiel eine chemische Substanz synthetisiere.

Wenn Sie Mikroorganismen züchten können für etwas Gutes, zum Beispiel neue Medikamente, dann kann man es ja auch für etwas Schlechtes züchten. Wie sieht es da mit der Sicherheit aus?

Sicherheit ist ein zentrales Element der synthetischen Biologie oder generell der Genetiktechnologie. Es wird an vielen Stufen kontrolliert und beachtet. Die Mikroorganismen, die wir herstellen, sind meist sehr speziell hergestellt. Das heißt, wenn sie mal entweichen würden, würden sie keinen Schaden anrichten, weil sie in freier Natur nicht überleben könnten.

Das wäre das Problem, dass sie aus dem Labor entweichen in die Natur. Aber es sind ja nicht immer nur gute Menschen, die etwas herstellen. Wie will man verhindern, dass zum Beispiel Terroristen mit Mikroorganismen etwas anrichten?

Auch da gibt es verschiedene Sicherheitsstufen. Diese Gene, die man bestellen kann und die per Post verschickt werden zum Beispiel, die werden kontrolliert. Da gibt es eine schwarze Liste. Alle eingehenden Bestellungen werden mit dieser schwarzen Liste abgeglichen und wenn dabei ein Gefahrenpotential herauskommt, dann muss man entweder gut nachweisen, dass man damit arbeiten darf, oder es wird nicht ausgeliefert.

Interview: Daniela Levy