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Politik

Sturm "Herwart" bringt Tod und Trümmer

29. Oktober 2017

Gestoppte Züge, abgedeckte Häuser, überflutete Straßen: Durch das Sturmtief kommen mehrere Menschen ums Leben - mindestens zwei von ihnen in Deutschland. Die Feuerwehren sind im Dauereinsatz.

Deutschland Unwetter - Sturm Herwart in Berlin
In Berlin zerlegte "Herwart" unter anderem dieses Fahrzeug, in dem zum Glück niemand saßBild: Reuters/F. Bensch

An der Nordsee wurde ein 63-jähriger Camper nahe dem Jadebusen von der Sturmflut überrascht. Während sein Bruder sich an einem Mast festhalten konnte, rissen ihn selbst die Wassermassen mit sich, und er ertrank. Auf dem Peenestrom in Mecklenburg-Vorpommern kenterte ein Motorboot mit drei Urlaubern aus Sachsen. Eine Frau aus der Gruppe, die ebenso wie ein zweiter Insasse in der Nähe von Wolgast geborgen wurde, ist im Krankenhaus gestorben. Ein dritter Insasse wird vermisst. Auch in Polen und Tschechien verloren mehrere Menschen durch "Herwart" ihr Leben.

Die Deutsche Bahn stellte großflächig den Zugverkehr ein. In mehreren Bundesländern rollten bis auf Ausnahmen keine Züge mehr, teilte eine Bahnsprecherin mit. Betroffen seien praktisch alle Strecken in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Abgeschnittene Metropolen

Die Großstädte Berlin, Hamburg, Hannover, Bremen und Kiel seien derzeit nicht ans überregionale Netz angeschlossen, teilte die Bahn mit. Erst am Montag werde der Fernverkehr in den betroffenen Bundesländern wieder aufgenommen. Ursprünglich war dies für Sonntagnachmittag geplant. Nach Angaben eines ARD-Reporters verließen allerdings schon am Sonntagabend zwei ICE den Hamburger Hauptbahnhof in Richtung Bayern.

Tausende Reisende sind auf ihrem Weg gestrandetBild: Reuters/A. Schmidt

In Dortmund, Bielefeld und Hamm stellte die Bahn nach Angaben eines Sprechers sogenannte Übernachtungszüge zur Verfügung. Fahrgäste, deren Züge nicht mehr nach Norddeutschland weiterführen, könnten sich dort auch tagsüber aufhalten. Viele regionale Bahngesellschaften im Norden stellten den Verkehr ebenfalls ein. Ersatzverkehr mit Bussen gab es wegen der Sturmgefahr meist nicht.

Der Wind erreichte Geschwindigkeiten bis zu 176 Kilometern pro Stunde am Fichtelberg und 144 Kilometern pro Stunde auf Fehmarn. In Mecklenburg-Vorpommern brachte "Herwart" wesentlich stärkere Orkanböen als sein Vorgänger "Xavier" Anfang Oktober.

Frachter auf Grund gelaufen

Vor der Nordsee-Insel Langeoog lief am Abend ein Schiff auf Grund. Die 22 Menschen an Bord des 225 Meter langen Schüttgutfrachters "Glory Amsterdam" seien unverletzt, teilte das Havariekommando in Cuxhaven mit. Das Schiff hatte keine Ladung an Bord. Es führt jedoch 1800 Tonnen Schweröl und 140 Tonnen Marinediesel als Treibstoff mit. Derzeit sei die "Glory Amsterdam", die mit einem Doppelboden ausgestattet sei, stabil, sagte eine Sprecherin des Havariekommandos.

Der Frachter hatte bereits seit dem Morgen mit zwei ausgebrachten Ankern manövrierunfähig im Meer getrieben. Wegen des starken Seegangs durch das Sturmtief "Herwart" konnten die Anker nicht gehoben werden. Alle Versuche, das Schiff ins Fahrwasser zu schleppen, seien "aufgrund der vor Ort noch immer sehr widrigen Wetterbedingungen fehlgeschlagen", hieß es. Schließlich lief der Frachter auf Grund. Für Montag ist ein weiterer Versuch geplant, ihn freizuschleppen.

Am Hamburger Fischmarkt heißt es: Land unterBild: picture-alliance/dpa/D. Bockwoldt

Kreisender Airbus dreht Richtung Süden ab

Auch im Landesinnern sorgte "Herwart" für Aufregung. Wegen starker Windböen in Hessen musste ein Airbus A380 der Lufthansa außerplanmäßig in Stuttgart landen. Nachdem die aus Houston (USA) kommende Maschine einige Zeit über dem Frankfurter Flughafen gekreist war, entschied sich der Kapitän zur Sicherheitslandung in der baden-württembergischen Landeshauptstadt - auch weil der Treibstoff knapp wurde.

In Berlin rief die Feuerwehr den Ausnahmezustand aus. Alle Freiwilligen Feuerwehren seien zur Unterstützung alarmiert worden, hieß es in einer Twittermeldung der Leitstelle. In der Hauptstadt deckte der Sturm am Morgen ein komplettes Hausdach ab. An zwei Orten stürzten zudem Baugerüste um - ein Fußgänger wurde dabei schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzt. 

Durch den Sturm brach dieses Baugerüst in Berlin zusammenBild: picture alliance/dpa/P. Zinken

Warnung für Friedhofsbesucher

In Tschechien kamen eine Frau und ein Mann durch umstürzende Bäume ums Leben. Hunderte Haushalte waren ohne Strom. In Polen verlor ein Mann bei einem Verkehrsunfall infolge des Tiefs sein Leben. In der Slowakei warnten die Behörden Familien davor, sich angesichts des bevorstehenden katholischen Feiertags Allerheiligen am 1. Novembe auf Friedhöfen aufzuhalten. Grabsteine könnten durch den Sturm aus der Verankerung gerissen werden und umstürzen. 

Zu Wochenbeginn soll sich der Wind abschwächen, zugleich fallen die Temperaturen. In der Nacht auf Montag dürfte es bis auf 600 Meter hinunter schneien, teilte der Deutsche Wetterdienst in seiner Vorhersage mit.

jj/bri/stu (dpa, afp)