Zum dritten Mal in einem halben Jahr suchen Unwetter den Süden Brasiliens heim. Hundertausende sind von der Versorgung abgeschnitten. Zuletzt brach auch noch der Staudamm eines Wasserkraftwerks.
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Die Zahl der Todesopfer durch schwere Überschwemmungen im Süden Brasiliens ist auf 29 gestiegen. 36 Menschen erlitten nach Angaben der Behörden Verletzungen. Etwa 60 Menschen werden vermisst. Seit Montag toben starke Unwetter im Bundesstaat Rio Grande do Sul. Der Starkregen hat ganze Regionen unter Wasser gesetzt, in bergigen Regionen gab es Erdrutsche. Fernstraßen wurden unpassierbar. Die Behörden riefen den Katastrophenzustand aus.
In fast 150 Orten in dem Bundesstaat haben die Wassermassen Schäden angerichtet. Mehr als 10.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Hunderttausende Menschen haben keine Trinkwasserversorgung mehr. Nach Angaben des Zivilschutzes sind mehr als 300.000 Menschen ohne Strom, nachdem am Donnerstag ein Damm in einem kleinen Wasserkraftwerk gebrochen ist.
Beispiellose Katastrophe
Es sei die "schlimmste Katastrophe" in der Geschichte von Rio Grande do Sul, sagte Gouverneur Eduardo Leite. Er wies darauf hin, dass die Region bereits im September und November von Starkregen heimgesucht wurde. Der Unterschied sei, dass der Regen nun einfach nicht nachlasse. Der Gouverneur rief die Bewohner mehrerer Regionen dringend auf, sich in Sicherheit zu bringen.
Betroffen sind mehr als 100 Gemeinden, auch die Hauptstadt des Bundesstaates, Porto Alegre. Dazu gehört auch das Taquari-Tal, in dem eine Minderheit aufgrund der Einwanderung aus dem deutschen Gebiet Hunsrück im 19. Jahrhundert noch heute einen deutschen Dialekt spricht.
Der brasilianische Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva besuchte am Donnerstag in Begleitung mehrerer Kabinettsmitglieder die Stadt Santa Maria im Katastrophengebiet. Zusammen mit Leite und anderen Verantwortlichen nahm er an einem Koordinierungstreffen für Rettungsaktionen teil. Die Regierung in Brasília werde die Behörden in Rio Grande do Sul "zu 100 Prozent" unterstützen, sagte der Präsident, ohne jedoch konkrete Zahlen zu nennen. Lula hatte zuvor hervorgehoben, dass das Hochwasser eine Folge des Klimawandels sei.
Die Regierung hat nach eigenen Angaben bereits zwölf Flugzeuge, 45 Fahrzeuge und zwölf Boote sowie mehr als 600 Soldaten zur Verfügung gestellt, um bei der Räumung von Straßen, der Verteilung von Hilfsgütern und der Einrichtung von Notunterkünften zu helfen. Etwa 100 Menschen seien gerettet worden, teilte das Verteidigungsministerium mit.
29 Tote bei schweren Überschwemmungen in Brasilien
Bei starken Überschwemmungen im Süden Brasiliens sind bislang 29 Menschen gestorben, Zehntausende mussten ihre Häuser verlassen, Hilfe ist nur schwer möglich. Der Gouverneur spricht von einer "historischen Katastrophe".
Bild: Diego Vara/REUTERS
Land unter
Nur noch die Dächer dieser Häuser im südbrasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul ragen aus dem Wasser: Seit Montag toben schwere Unwetter in der Region und sorgen für Überschwemmungen. Mindestens 29 Menschen sind bisher in den Fluten gestorben, berichteten brasilianische Medien am Donnerstag (Ortszeit). 60 Personen gelten als vermisst, die Opferzahlen könnten also noch steigen.
Bild: Diego Vara/REUTERS
Hunderttausende sind betroffen
Das Wasser steht den betroffenen Menschen buchstäblich bis zum Hals: Der Starkregen hat ganze Regionen unter Wasser gesetzt, rund 150.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Darüber hinaus haben rund 320.000 Häuser laut Berichten derzeit keinen Strom, mehr als eine halbe Million Haushalte sind von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten. Die Behörden haben den Katastrophenzustand ausgerufen.
Bild: Diego Vara/REUTERS
"Historische Katastrophe"
Die Verzweiflung ist dieser Anwohnerin, die zwei aus den Wassermassen gerettete Katzen im Arm hält, ins Gesicht geschrieben. "Leider sind wir Zeugen einer historischen Katastrophe", sagte der Gouverneur des betroffenen Bundesstaates Rio Grande do Sul, Eduardo Leite, und rief die Einwohnerinnen und Einwohner seines Bundesstaates dazu auf, sich in Sicherheit zu bringen.
Bild: Diego Vara/REUTERS
"100 Prozent Unterstützung" von Lula
Am Donnerstag besuchte Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva in Begleitung mehrerer Kabinettsmitglieder das Katastrophengebiet. Zusammen mit Gouverneur Leite nahm er an einem Koordinierungstreffen für die Rettungsaktionen teil und sagte den Betroffenen seine Hilfe zu: Die Regierung werde die Behörden in Rio Grande do Sul "zu 100 Prozent" unterstützen, so der Präsident.
Doch Hilfe ist vielerorts nur schwer möglich: Viele Straßen sind überflutet, in bergigen Regionen kommt es zu Erdrutschen. Am Donnerstag brach ein Staudamm teilweise. Mehr als 100 Gemeinden sind von der Katastrophe betroffen, insbesondere im Taquari-Tal. Dort hatten Überschwemmungen bereits vergangenen September 42 Menschenleben gefordert. Diesmal sei die Lage noch schlimmer, so Leite.
Bild: Diego Vara/REUTERS
Abgeschnitten von der Außenwelt
Ganze Ortschaften sind in Rio Grande do Sul von der Außenwelt abgeschnitten: Fernstraßen sind teilweise unpassierbar, und wegen geringer Sicht konnten seit Dienstag in einige Regionen keine Flüge mit Hilfsgütern starten. Häufig ist zudem keine Kommunikation möglich, da auch die Telefon- und Internet-Verbindungen unterbrochen sind.
Bild: CARLOS FABAL/AFP/Getty Images
Rettung aus der Luft
Auch das Militär ist am Rettungseinsatz mit 600 Einsatzkräften, Booten und fünf Hubschraubern beteiligt. Etwa 100 Menschen seien gerettet worden. Die Soldatinnen und Soldaten helfen außerdem bei der Räumung von Straßen, der Verteilung von Hilfsgütern und der Einrichtung von Notunterkünften.
Bild: Ricardo Stuckert/Brazilian Presidency/AFP
"So etwas habe ich noch nie gesehen"
In mehreren Ortschaften wurden Menschen - und Haustiere - in Booten in Sicherheit gebracht. Ob sie zurückkehren können, ist unsicher: Bisher verloren bereits mehr als 4600 Menschen bei den Überschwemmungen ihr Zuhause. "So etwas habe ich noch nie gesehen, es steht alles unter Wasser", sagte der 52-jährige Raul Metzel aus dem Ort Capela de Santana der Nachrichtenagentur AFP.
Bild: Anselmo Cunha/AFP/Getty Images
Keine Entwarnung in Sicht
Auch am Freitag soll es in der Region weiter regnen. Präsident Lula betonte, dass das Hochwasser eine Folge des Klimawandels sei: In den vergangenen Monaten litt Brasilien immer wieder unter Hitzewellen und Starkregen. Die Erderwärmung führt dazu, dass solche Extremwetterereignisse häufiger und intensiver auftreten. Derzeit werden die Wetterextreme zudem durch das Klimaphänomen El Niño verstärkt.
Bild: Diego Vara/REUTERS
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Dramatische Rettungsaktionen
Wegen überfluteter Straßen und eingestürzter Brücken waren in Rio Grande do Sul ganze Ortschaften von der Außenwelt abgeschnitten, vielerorts waren auch die Telefon- und Internet-Verbindungen unterbrochen. Viele Familien warteten auf Hausdächern auf ihre Rettung. In Santa Cruz do Sul wurden Menschen, darunter viele Kinder, in Booten in Sicherheit gebracht. Wegen geringer Sicht könnten Flüge mit Hilfsgütern in einige Regionen seit Dienstag nicht durchgeführt werden.
Unwetter mit Wirbelsturm und Überschwemmungen in Brasilien
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"So etwas habe ich noch nie gesehen, es steht alles unter Wasser", sagte der 52-jährige Raul Metzel aus dem Ort Capela de Santana. In der Stadt Cotiporã trat nach einem Dammbruch der Fluss Taquari über die Ufer.
Die Situation in der Stadt Sinimbu sei "ein Albtraum", sagte die Bürgermeisterin Sandra Backes. "Sinimbu ist wie ein Kriegsgebiet völlig zerstört. Alle Geschäfte, Betriebe, Supermärkte - alles ist verwüstet", sagte sie in einem Internet-Video.
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Regen ohne Ende
In Rio Grande do Sul werden weitere Regenfälle erwartet. Der Fluss Guaíba, der in einigen Gebieten bereits über die Ufer getreten ist, soll in Kürze einen Pegelstand von vier Metern erreichen.
Brasilien hat in den vergangenen Monaten wiederholt unter Extremwetterereignissen wie Hitzewellen und Starkregen gelitten. Experten zufolge führt die Erderwärmung dazu, dass solche Ereignisse häufiger und intensiver auftreten. Derzeit werden Wetterextreme wie Hochwasser und Überschwemmungen jedoch auch durch das Klimaphänomen El Niño verstärkt.