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Umdenken nach Stuxnet

4. August 2011

Die Angst geht um nach der Attacke durch den Computervirus Stuxnet. Regierung und deutsche Konzerne sorgen sich um die Sicherheit kritischer Infrastrukturen durch Technik aus dem Ausland.

Lupe vor Screenshot
Bild: Fotolia/Yong Hian Lim

Ausgerechnet das Globalisierungsinstrument schlechthin, das Internet mit seinem World Wide Web und der weltumspannenden Informations-Infrastruktur, sorgt wegen der ihm innewohnenden Cybergefahren möglicherweise für eine Rückbesinnung auf nationale Produzenten, für Streben nach Autarkie im Internet. Denn Misstrauen macht sich breit. Holt man sich versteckte Programme ins Haus, wenn man Netzwerkausrüstung im Ausland erwirbt? Sogenannte "logische Bomben" oder auch geheime Hintertüren, die von feindlichen Geheimdiensten nach Belieben geöffnet werden können?

Blindes Vertrauen in fremde Technik

Absolute Sicherheit unmöglich - Telekom Vorstand ClemensBild: DW

Anfang Juni machte sich Telekom-Vorstand Reinhard Clemens als erster deutscher Top-Manager Luft. Auf der Jahrestagung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik sagte Clemens wörtlich: "Wenn Sie sich angucken, was im Netz verbaut wird: Entweder produzieren wir es in China oder wir holen Komponenten aus China. Wir haben Anti Virus-Software aus Amerika, aus Russland als große Marktführer, die wir auf unseren Rechnern installieren. Und ich kann Ihnen einfach sagen, wir vertrauen all diesen Sachen relativ blind. Denn wir wissen eigentlich nicht, was diese Software macht und welche Türchen da vielleicht offen sind."

Eigene Netzwerkkompetenz für Europa

Clemens' Forderung: Der Aufbau einer eigenen Kompetenz in Deutschland und Europa für die Herstellung von Netzwerkausrüstungen, Internetroutern und Rechenzentren. Einem Bericht des Magazins "Wirtschaftswoche" zufolge soll genau das geschehen: Gefördert durch Mittel des Bundesforschungsministeriums arbeiten Experten an einer Art "Sicherheitsbetriebssystem". Das soll wichtige Anwendungen quasi einkapseln, so dass niemand unerkannt Hintertüren öffnen und Daten oder Programme manipulieren kann. "Sandboxing" heißt das in der Fachsprache. Außerdem will die deutsche Regierung gemeinsam mit europäischen Partnern die Dominanz des amerikanischen Herstellers Cisco bei den Internet-Routern brechen.

Umdenken wegen Stuxnet

Siemens-Technologie war auch von Stuxnet betroffenBild: picture-alliance/Maximilian Schönherr

Für das große Umdenken in der IT-Technik hat vor allem der Stuxnet-Wurm gesorgt. Zur Erinnerung: Dieser Computerwurm, der von Fachleuten, die offensichtlich bestens mit Geheiminformationen ausgestattet waren, aufwändig programmiert worden war, hatte mit einem extrem zielgenauen Angriff die iranischen Urananreicherungsanlagen in Natans sabotiert. Die durch den Stuxnet-Wurm manipulierten industriellen Steuerungsanlagen finden sich aber überall in der modernen Welt. Sie kontrollieren Aufzüge, Atomkraftwerke, Ampelanlagen. Sie steuern Prozesse in Chemiefabriken, Raffinerien und in der Stromversorgung. Der Stuxnet-Angriff hat die Entscheider in Politik und Wirtschaft überzeugt: Cyberangriffe sind keine fiktive Bedrohung, sondern sehr real.

Aufrüstung im Cyberspace

Sandro Gaycken sieht das Internet als KriegsschauplatzBild: Mirja Arndt

Zumal Militärs in aller Welt vermehrt auf den Einsatz von Cyberwaffen setzen. Der Stuttgarter Technikphilosoph Sandro Gaycken hat diese Entwicklung in seinem Ende letzten Jahres erschienenen Buch "Cyberwar: Das Internet als Kriegsschauplatz" untersucht. Der Deutschen Welle sagte Gaycken, die großen Armeen planten die Ausbildung von Hackertruppen im fünfstelligen Bereich. Das sind Teams, zu denen Psychologen, Ingenieure und alle möglichen Fachexperten gehören, die sich bestimmte Systeme ansehen, um in der Lage zu sein, diese von außen auszuschalten und einzuschalten, zu sabotieren und zu stören."

In vielen Ländern bestehen enge Verbindungen zwischen Geheimdiensten, Militärs und IT-Ingenieuren in High-Tech-Schmieden. So stehen die Bemühungen der deutschen Regierung und Industrie um eigene Netzwerkausrüstungen zwar im Widerspruch zum Megatrend der Globalisierung. Aber vielleicht sind am Ende teure eigene Lösungen doch billiger, als sich im Konfliktfall auf manipulierbare Technik verlassen zu müssen. In einem anderen High-Tech-Bereich haben die Europäer jedenfalls gezeigt, dass sie technologische Aufholjagden gewinnen, eigene Lösungen entwickeln und sogar Gewinn bringend international am Markt platzieren können: mit den Flugzeugen von Airbus.

Autor: Matthias von Hein
Redaktion: Hans Spross/Sabine Faber

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