Wie geht es der britischen Seele, wenn der Brexit kommt? Der Fotograf Martin Parr hat Porträts seiner Landsleute geknipst, jetzt zu sehen in der Londoner National Portrait Gallery: "Only Human" ("Alles menschlich").
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Martin Parr: Ein Brite in Zeiten des Brexit
Er ist der wohl bekannteste Porträtfotograf seiner Landsleute - der Brite Martin Parr. Passend zum politischen Brexitprozess zeigt die Londoner National Portrait Gallery eine Auswahl seiner oft humorvollen Bilder.
Bild: Martin Parr/Magnum Photos/Rocket Gallery
Nach der Schlacht
Der legendäre Magdalene May Ball ist vorbei, die Schlacht auf dem Tanzparkett geschlagen. Dieser Mann gönnt sich – unter Verwendung diverser Kissen, eine Mütze Schlaf. Der Fotograf Martin Parr zeigt die Briten einfach, wie sie sind - in diesem Fall tief erschöpft und träumend.
Bild: Martin Parr/Magnum Photos/Rocket Gallery
Briten von oben
Für den Blick auf seine britischen Landsleute wählte Parr hier die Vogelperspektive. Sein Fotografie zeigt britische Sonnenanbeter am Strand von Sorrento in Italien. Handtücher und Kleidung der dicht gedrängt liegenden Sonnenanbeter liefern sich ein kontrastreiches Farbenspiel mit dem schwarzen Sand.
Bild: Martin Parr/Magnum Photos/Rocket Gallery
Alles knipst, keiner jubelt
Alles eine Frage der Perspektive: Hier nimmt der Profifotograf Martin Parr den Blickwinkel von Queen Elizabeth II. ein. Ein ungewöhnlicher Blickwinkel: Was sie vor sich sieht, ist ein aufgeregt knipsendes Volk, das scheinbar nur von der Staatskarosse zurückgehalten wird. Niemand jubelt.
Bild: Martin Parr/Magnum Photos/Rocket Gallery
Tanz und Farben
Scheinbar federleicht tanzen diese indischen Bhangra Tänzer durch einen Versammlungsraum im schottischen Edinburgh. Auch in diesem Foto zielt Parr, der seine Fotos gewöhnlich nicht arrangiert, auf das Farbspiel zwischen Akteuren und ruhigem Hintergrund ab. Martin Parr (Jg. 1952) gehört zu den führenden britischen Dokumentarfotografen.
Bild: Martin Parr/Magnum Photos/Rocket Gallery
So nah und doch so fern
Sommer in Cornwall an der englischen Küste, Badezeit! Doch Kinder und Erwachsene starren das Meer nur untätig an, skeptisch. Nur die Rote Fahne bewegt sich und rückt so die kühlen Fluten in unerreichbare Ferne. Parrs Foto hält fest, wie paradox die Welt sein kann. Seine Fotos, sagt er, werden außerhalb Großbritanniens besonders geschätzt.
Bild: Martin Parr/Magnum Photos/Rocket Gallery
Porträt mit Hund und Hut
Diese Sonnenanbeterin im reiferen Alter lichtete Parr an einem Strand in Frankreich ab. Doppeldeutiger Titel "Nice, France". Immer wieder widmet sich der Magnum-Fotograf in seinen Bildern dem alternden Menschen. Parr selbst ist 66 Jahre alt. Die Fotoausstellung ist noch bis zum 27. Mai 2019 in der National Portrait Gallery in London zu sehen. Titel der Schau: "Only Human: Martin Parr".
Bild: Martin Parr/Magnum Photos/Rocket Gallery
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Euphorische Nachtschwärmer, frierende Badende im winterlichen See oder ausgelassen feiernde Migranten - der 66-jährige Parr fotografiert die Briten gerne unverstellt, ja, beinahe schonungslos.
Wohl deshalb hat er zu Hause nicht nur Freunde: In Frankreich und Deutschland, verriet er einmal der Wochenzeitung "Die Zeit", sei er wesentlich bekannter und erfolgreicher. Der Grund: "In beiden Ländern herrscht eine gewisse Schadenfreude darüber, wie England auf meinen Bildern zu sehen ist."
Diese begleiten jetzt auch den Brexit: Magnum-Fotograf Martin Parr hat flüchtige Momentaufnahmen auf die Platte gebannt. Hier windet sich die Warteschlange vor einem Eiswagen mitten auf dem kahlen Strand, da tanzen junge Homosexuelle fast hüllenlos in einem Männerclub.
Oder ein Glatzkopf taucht die Nase genussvoll in die Blüte einer Heckenrose. Es sind zwar ironische, aber immer auch liebevolle Blicke auf die Gewohnheiten und Skurrilitäten seiner Landsleute.
Dokumentar britischer Alltagskultur
Viele fühlen sich durch seine subtilen Arbeiten provoziert, der Künstler macht selbst vor krassen Klischees seiner Landsleute nicht halt. Mehr noch: Parr fängt auch das Hässliche ein, das für gewöhnlich retuschiert wird.
Deshalb heben sich seine Arbeiten auch von gewöhnlicher Fotokunst ab. Auswüchse des Massentourismus, das Älterwerden und augenzwinkernde Porträts von "einfachen" Leute, tauchen in seinen Arbeiten genauso auf. Gesellschaftskritische Porträts snobistischer Vertreter des Adels und der britischen "Upper Class" sind seine Spezialität. Parr gilt als profiliertester Dokumentar der britischen Alltagskultur.
Martin Parr, geboren 1952, studierte in den frühen 1970er Jahren Fotografie in Manchester und gehörte zu einer Riege britischer Dokumentarfotografen, die das Genre revolutionierten, während in Deutschland die Düsseldorfer Schule um das Fotografenehepaar Bernd und Hilla Becher von sich reden und die Fotografie kunstmarktfähig machte.
Das Haus der Kunst in München widmete Parr 2008 eine große Einzelschau. Seit vielen Jahren arbeitet der Engländer für die berühmte Fotoagentur Magnum. Die Ausstellung "Only Human" in der Londoner National Portrait Gallery läuft bis 27. Mai 2019.