Subventionsskandal löst Regierungskrise in Griechenland aus
Veröffentlicht 30. Juni 2025Zuletzt aktualisiert 30. Juni 2025
Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis zeigte sich am vergangenen Wochenende überraschend reumütig: "Wir haben versagt", schrieb er auf Facebook - und versprach, den Kampf gegen die Korruption noch härter zu führen, auch gegen Funktionäre der eigenen Partei, der Nea Dimokratia (ND).
Mitsotakis sprach damit den neuesten Skandal um Missbrauch von EU-Geldern in Griechenland an, den die Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) im Moment untersucht. Es geht um Agrarsubventionen in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro. Sie wurden von der dafür zuständigen griechischen Agentur Opekepe für nicht existierende Schafe und Ziegen auf Kreta oder sogar für Bananenplantagen auf dem Berg Olymp ausgezahlt. Angeblich geschah das mit dem Wissen zweier ehemaliger Agrarminister der Regierung Mitsotakis: Makis Voridis, für Landwirtschaft zuständig von 2021 bis 2023, und sein Nachfolger Lefteris Avgenakis, der bis 2024 im Amt war.
Voridis, der auch als guter Jurist bekannt ist, war erst im März dieses Jahres Migrationsminister geworden. Am vergangenen Freitag (27.06.2025) trat er zurück, um sich "der Verteidigung seiner Unschuld" zu widmen. Auch drei Staatsminister, die in die Affäre verwickelt sind, reichten ihre Rücktritte ein.
Ein längst bekannter Skandal
Eigentlich war der Opekepe-Skandal schon seit mehreren Monaten bekannt. Am 17.06.2025 wurde Griechenland dafür von der EU-Kommission bereits zu einer Strafe von 415 Millionen Euro verurteilt. Im Mai hatte sich die EPPO offiziell beschwert und den griechischen Behörden auf Kreta vorgeworfen, sie hätten versucht, Ermittlungen zu verhindern.
Doch die griechische Regierung reagierte nicht auf die Vorwürfe und zog auch keine Konsequenzen - bis die EPPO letzte Woche dem griechischen Parlament Informationen über die mutmaßliche Verwicklung von Ministern in kriminelle Handlungen übermittelte. Die Europäische Staatsanwaltschaft musste das tun, denn nach griechischem Recht ist nur das Parlament befugt, gegen aktuelle oder ehemalige Mitglieder der griechischen Regierung durch einen Untersuchungsausschuss zu ermitteln.
Eine "kriminelle Organisation"
Seit einer Woche können nun also die griechischen Abgeordneten das Dossier der europäischen Staatsanwaltschaft einsehen, das jedoch nicht veröffentlicht werden darf. Die 3000-seitige Akte beschreibt eine "kriminelle Organisation", bestehend aus Opekepe-Beamten, sowie aus Abgeordneten und Einzelpersonen, die illegal EU-Gelder erhielten. In dem Dossier werden 15 Abgeordnete - 13 von der regierenden ND und je einer von den Oppositionsparteien Pasok und Syriza - sowie regionale Beamte und ehemalige Führungskräfte der Opekepe genannt. Es wird in der Akte auch beschrieben, wie die Organisation vor allem auf Kreta operierte.
Trotz des Veröffentlichungsverbots konnte man in den vergangenen Tagen in den griechischen Zeitungen brisante Dialoge zwischen Funktionären der Regierungspartei aus diesem Dossier lesen, die aus einem Mafia-Film stammen könnten.
Dazu gehören auch Diskussionen zwischen hochrangigen Beamten, wie sie die Mitarbeiter der europäischen Staatsanwaltschaft mit Hilfe des Justizministers aus den Ermittlungen heraushalten könnten.
Solange das Veröffentlichungsverbot gilt, kann man die Echtheit dieser Dialoge nicht beweisen. Mitsotakis aber scheint ihre Echtheit nicht in Frage zu stellen. "Die Dialoge, die ans Licht kommen, sorgen für Empörung und Ärger", schrieb er in seinem Facebook-Post und fügte hinzu, dass jeder, der nachweislich europäische Gelder erhalten habe, auf die er keinen Anspruch habe, aufgefordert werde, diese zurückzuzahlen. Dazu kündigte er die Abschaffung der Agentur Opekepe am Ende des Jahres an.
Mitsotakis unter Druck
Der griechische Premier versucht, sich weiter als Reformer und als Kämpfer gegen die Korruption und die Unfähigkeit des griechischen politischen Systems zu präsentieren. Aber ob die Bürgerinnen und Bürger ihm das abkaufen werden, ist offen. Zu viele Skandale überschatten seine Regierungszeit, unter anderem die Abhöraffäre, der tödliche Schiffbruch vor Pylos und vor allem das Zugunglück bei Tempi. Immer hat er eine vollständige Aufklärung und Konsequenzen für die Verantwortlichen versprochen. Doch darauf wartet man in Griechenland bisher vergebens. Darum werfen in jeder Umfrage seit Anfang des Jahres über 70 Prozent der Bevölkerung der Regierung Vertuschung vor.
Dazu kommt, dass auf die Aufklärung der Abhöraffäre, des Zugunglücks oder des Opekepe-Skandals eher die Außenwelt, also das Europäische Parlament, oder die Europäische Staatsanwaltschaft, drängt und nicht die griechischen Behörden selbst.
Neuer Migrationsminister steht für noch härteren Kurs
Auf jeden Fall steht Premier Mitsotakis wieder vor einer Krise und versucht, sie möglichst schnell zu überwinden. Auch mit einer politischen Botschaft an das immer stärker konservative Publikum und den rechten Flügel seiner Partei, der mit seiner Politik nicht immer zufrieden ist.
Schon am Wochenende ersetzte er den zurückgetretenen Migrationsminister Makis Voridis durch Thanos Plevris.
Plevris, der ursprünglich wie Voridis aus der rechtsextremen Partei Laos stammt, ist der einzige Abgeordnete der konservativen Nea Dimokratia, der für einen noch härteren Kurs in der Migrationspolitik als sein Vorgänger steht.
Schon 2011 hatte Plevris eine sehr klare Vorstellung, wie man das Migrationsproblem lösen könne: durch die strenge Bewachung der Grenzen und durch "abschreckende Maßnahmen", die das Land in den Augen der Einwanderer wie die "Hölle" aussehen lassen sollen. Auf einer Tagung des rechtsextremen Magazins Patria sagte er damals, dass es keine Grenzsicherheit ohne Opfer gäbe. "Grenzsicherheit braucht Tote", sagte er wörtlich.
Und für die Menschen, die es doch über die griechischen Grenzen schaffen, hatte er auch einen Vorschlag parat: Sie sollten keine Sozialleistungen bekommen, nichts zu essen und zu trinken und keinen Zugang zum Gesundheitssystem. "Sie müssen es noch schlechter haben als in ihren eigenen Ländern", rief er damals unter dem Beifall der Zuhörer. Seitdem sind fast 15 Jahre vergangen, doch Plevris hat sich nie von seiner fremdenfeindlichen Vergangenheit distanziert.