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Politik

Sudan: Abschiebungen in ein umkämpftes Land

Nermin Ismail
13. Juni 2019

Nachdem der Militärrat die Proteste der Zivilbevölkerung brutal niederschlug, eskaliert die Situation im Sudan weiter. Deutsche Politiker diskutieren: Darf man abgelehnte Asylbewerber noch in das Land zurückschicken?

Berlin - Proteste gegen Abschiebungen
Bild: picture alliance/Zuma Press/J. Scheunert

Niedersachsens SPD-Innenminister Boris Pistorius kündigte an, künftig deutlich zurückhaltender bei Abschiebungen in den Sudan zu sein. Von der Bundesregierung wünscht er sich eine aktualisierte Einschätzung der Lage im Sudan und will seine Amtskollegen beim Treffen der Innenministerkonferenz beginnend am Mittwoch in Kiel dazu bewegen, sich der zurückhaltenden Abschiebepolitik Niedersachsens bei sudanesischen Asylbewerbern anzuschließen.

Laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge haben 2018 insgesamt 982 Sudanesen einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Davon waren 776 Erstanträge. Abgelehnt wurden davon 431. Im Jahr davor wurden insgesamt 1635 Asylanträge von Sudanesen gestellt. Bereits im März hat der niedersächsische Flüchtlingsrat einen Abschiebestopp in den Sudan gefordert.

Die Menschenrechtsaktivistin Iman Seifeldin ist selbst aus Darfur geflüchtet. Seit drei Jahren lebt sie in Hannover und setzt sich von dort aus für Gerechtigkeit in ihrem Heimatland ein. Seifeldin spricht von einer dramatischen Lage: "Die Milizen begehen tagtäglich Menschenrechtsverletzungen. Es gibt bereits über hundert Tote, und mindestens 70 Frauen wurden vergewaltigt. Kein Mensch ist vor  diesen Milizionären sicher." Im Sudan sei ein sicheres Leben im Moment nicht möglich, meint die Sudanesin und plädiert ebenso für einen Abschiebestopp.

"Notwendige Konsequenz"

Seit dem Sturz von Machthaber Al-Baschir im April kommt der Sudan nicht zur Ruhe. Nachdem das Militär zunächst Gespräche mit Vertretern der Protestbewegung geführt hatte, räumte es das zentrale Protestlager in der Hauptstadt Khartum mit Gewalt. 113 Menschen sollen laut Angaben des oppositionellen Zentralen Ärztekomitees getötet, mehr als 500 verletzt worden sein. Der militärische Übergangsrat kündigte das Abkommen mit der Opposition auf. "Angesichts der Tatsache, dass die Militärregierung die Situation im Sudan wieder eskaliert, wäre es absolut verantwortungslos, nun Menschen dorthin abzuschieben. Ein sofortiger Abschiebungsstopp durch die Landesregierung ist daher die notwendige Konsequenz", heißt es in der Forderung des Flüchtlingsrats Niedersachsen. Die Internationale Organisation für Migration hat das Rückkehrprogramm in den Sudan auf Grund der schlechten Sicherheitslage bereits ausgesetzt.

Angst vor der Abschiebung: Flüchtlinge in einer Unterkunft in FürstenfeldbruckBild: picture-alliance/Zumapress

Ein Beispiel dafür, wie gefährlich Abschiebungen sein könnten: Vergangene Woche wurde Yasir Arman, Generalsekretär der oppositionellen Sudan People's Liberation Army von der Militärregierung festgenommen. Arman lebte im Exil und war zu Verhandlungen mit dem Militärrat in den Sudan zurückgekehrt. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hält dazu auf ihrer Internetseite fest: "Die Festnahme Armans macht deutlich, wie gefährdet Rückkehrer sind." Sie hat sich der Forderung des Flüchtlingsrats Niedersachsen nach einem sofortigen Abschiebungsstopp angeschlossen.

Angst vor Abschiebung

Kai Weber, Geschäftsführer des Flüchtlingsrates Niedersachsen, erklärt im DW-Gespräch: "Uns wurde vom Innenministerium versichert, dass keine Abschiebungen im großen Stil stattfinden werden. Aber Einzelfälle wird es weiterhin geben, Straftäter beispielsweise." Dies sei unbefriedigend, aber die allgemein übliche Praxis. Ausgenommen sollen außerdem auch sogenannte Identitätstäuscher sein. "Da ist der tatsächliche Tatbestand die Angst der Betroffenen vor der Abschiebung, die zur Verweigerung führt, den Behörden Papiere zu beschaffen", so Weber. Schwerwiegender sei jedoch, dass etliche Menschen aus ihren Ausbildungen und ihrem Leben "rausgekickt werden".

Seit Monaten protestieren die Sudanesen für eine zivile ÜbergangsregierungBild: Reuters

Die Opposition im Sudan hat den Generalstreik, der nur drei Tage anhielt, für beendet erklärt. Das Ende des Streiks steht offenbar im Zusammenhang mit neuen Verhandlungen von Opposition und Militärführung über die Bildung einer Übergangsregierung.

Unklare Lage

Wird es bald einen Abschiebestopp in den Sudan geben? Steve Alter, Sprecher des Bundesinnenministeriums, vermied eine klare Festlegung. Auf Anfrage der DW sagte er: "Es ist selbsterklärend, dass in einer Situation wie der gegenwärtigen - sehr dynamisch, sich ständig verändernd - schwieriger ist, solche Entscheidungen zu treffen. Und solange es keine klare Befundlage in dem jeweiligen Einzelfall vorliegt, werden solche Entscheidungen zurückgestellt."

Im Vorfeld des zweitägigen Treffens der deutschen Innenminister am Mittwoch hat die Bundestagsfraktion der Grünen die Minister aufgefordert, Abschiebungen nach Afghanistan und in den Sudan zu stoppen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und die Bundesregierung müssten "endlich aufhören, innenpolitisch motiviert und ohne Achtung der realen Situation den Ausreisedruck in höchst unsichere Länder immer weiter zu erhöhen", sagte Luise Amtsberg, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünenfraktion.

Mitarbeit: Jens Thurau

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