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Politik

Sudan: Chef des Militärrats tritt zurück

Kersten Knipp | Meriem Marghich
12. April 2019

Nach dem Sturz von Langzeitmachthaber al-Baschir im Sudan hatte dessen Verteidigungsminister die Fäden in die Hand genommen - zum Unmut von Demonstranten. Jetzt zieht er nach nur einem Tag im Amt Konsequenzen.

Situation im Sudan Khartum
Bild: picture-alliance/dpa/A. Kheir

Es gehe ihm um das Wohl des Volkes und der Nation begründete Awad Ibn Auf seinen Rückzug. In einer vom Staatsfernsehen ausgestrahlten Ansprache ernannte Ibn Auf den General Abdel Fattah Burhani zu seinem Nachfolger. Er setze auf dessen "Erfahrung und Eignung". Der Generalinspekteur war bislang die Nummer drei der sudanesischen Streitkräfte nach dem
Verteidigungsminister und dem Armeechef.

Der Rückzug von Ibn Auf kommt überraschend. Erst am Donnerstag hatte er "den Sturz des Regimes" und die Inhaftierung des langjährigen sudanesischen Staatschefs Omar al-Baschir verkündet und war im Anschluss als Chef des Militärrats vereidigt worden.

Gegen Präsident Omar al-Baschir waren viele Sudanesen seit Monaten auf die Straße gegangen. Mit seinem Sturz hat die Protestbewegung ihr wichtigstes Ziel erreicht. Entsprechend groß war und ist der Stolz auf das Erreichte.

Doch kaum ist Machthaber Baschir fort, stellt sich die Frage: Wie geht es weiter? Wohin geht die Reise, nachdem nun der Vizepräsident und Verteidigungsminister Awad Ibn Auf zurückgetreten ist?

Die Demonstranten hätten noch einen weiten Weg bis zu ihrem eigentlichen Ziel vor sich, sagt der Politikwissenschaftler Mohammed Asbat von der Gewerkschaftlichen Interessenvertretung (SPA), einer der treibenden Kräfte der Proteste. "Die Krise ging nicht allein auf Omar al-Baschir als Person zurück, sondern beruht vielmehr auf dem gesamten System: seinen Gesetzen, Institutionen und deren deprimierender politischer, wirtschaftlicher und diplomatischer Bilanz, die das Land heruntergewirtschaftet und in einen fünfjährigen Bürgerkrieg gestürzt hat."

Darum, so Asbat im Gespräch mit der Deutschen Welle, liege das eigentliche Problem viel tiefer: "Die Lösung kann nur darin bestehen, dass alle Institutionen grundlegend reformiert werden."

Die Zweifel der Demonstranten

Auch die DW erreichten die Aussagen vieler Sudanesen, die sich entschlossen zeigen, den Wechsel in Richtung Demokratie weiter voranzutreiben.

Die Zweifel seien begründet, sagt Murithi Mutiga, Projektleiter der International Crisis Group für das Horn von Afrika. Munir al-Baschir habe die Armee wie überhaupt den gesamten Sicherheitsapparat bewusst in verschiedene Fraktionen aufgeteilt und diese gegeneinander ausgespielt. Darum sei derzeit nicht absehbar, welche Fraktion sich durchsetzen werde. "Es ist offen, ob sich das Militär für Verhandlungen mit den zivilen Führern der Protestbewegung entscheiden wird oder dafür, die Bewegung zu unterdrücken", so Mutiga im Gespräch mit der DW.

Die Streitkräfte hätten "überhaupt keine Ambitionen, an der Macht festzuhalten", sagte Omar Sain al-Abdin, der Leiter des politischen Gremiums der Militärregierung. Das Militär werde sich darauf beschränken, während der Übergangsphase für Sicherheit und Stabilität sorgen. "Ich schwöre, wir werden die Forderungen der Menschen unterstützen", so Al-Abdin.

Triumph: Ein Demonstrant mit der sudanesischen Nationalflagge in KhartoumBild: Reuters

Die Lösungen der Probleme im Sudan müssten von den Menschen selber kommen, so Al-Abdin weiter. "Wir werden uns nicht einmischen." Das Militär folge keiner Ideologie. Die Armee wolle maximal zwei Jahre an der Macht bleiben, um den Weg für freie Wahlen zu ebnen. Sollte sich die Lage schnell verbessern, und sollten die Sudanesen schon eher Lösungen finden, "werden wir zur Seite treten", so Al-Abdin.

Zeitung: "Proteste könnten weitergehen"

Dass die Machtübergabe an die Bevölkerung per Wahlen tatsächlich reibungslos verlaufen wird, halten derzeit nicht alle Beobachter fürs ausgemacht. Die panarabische, in London erscheinende Zeitung "Al-Quds al-Araby" weist mit Sorge darauf hin, dass die Armeeführung gerade die Bildung eines militärischen Übergangsrats beschlossen habe. Das sei typisch für Politiker, die von der Macht nicht mehr lassen wollten. Das Gleiche gelte auch für die Entscheidung des Militärs, die zentralen politischen Institutionen des Landes vorerst zu entmachten. "Die Sudanesen haben zwar einen wichtigen Sieg errungen. Aber wenn al-Baschirs Sturz nicht binnen einer überschaubaren Übergangszeit zu einem weiteren wichtigen Ziel - nämlich demokratischen Wahlen - führt, werden die Proteste weitergehen."

Das Problem der gestern angetretenen Führung sei, dass einige ihrer Mitglieder keine politische und organisatorische Erfahrung hätten, sagt Mohammed Asbat von der Gewerkschaftlichen Interessenvertretung. "Zudem fehlt ihnen Charisma und Rhetorik. Sie haben keinerlei Einblick in die Mechanismen des Staates und keine Vorstellung, wie sie die Krise lösen wollen."

Die Interessen der Armee

Auf einen anderen Aspekt weist Murithi Mutiga von der International Crisis Group hin. Die Gruppe, die kurzfristig an der Staatsspitze gestanden habe, stelle keine überzeugende Alternative zur bisherigen Führung dar. "General Auf ist einer der engsten Unterstützer al-Baschirs. Während des Putsches 1989 stand er an dessen Seite. Er diente als Chef des militärischen Geheimdienstes und wurde wegen seiner angeblichen Rolle in den Gräueltaten in Darfur von den USA mit Sanktionen belegt. Das Regime ist sich also bewusst, dass die Kosten für den Verlust der Macht hoch sind, da sie möglicherweise zur Rechenschaft gezogen werden könnten. In anderen Worten: Sie haben kaum Anreiz, die Macht vollständig aus den Händen zu geben."

Wahrscheinlich, vermutet Mutiga, würden sie versuchen, die Demonstranten bis zu einem gewissen Maß einzubinden. "Wir werden vermutlich einige Gesten der Versöhnung sehen. Unwahrscheinlich ist es hingegen, dass das Militär die Macht vollständig aufgibt. Die Auseinandersetzung zwischen dem Militär und der Protestbewegung könnte also durchaus weitergehen."

Das sieht auch Mohammed Asbat so. "Die Forderungen der Demonstranten sind bislang allenfalls zu einem Prozent erfüllt. Die Reform muss weitergehen. Ansonsten bleiben wir auf der Straße."

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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