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Politik

Sudan, der Aufstand und das Ausland

4. Juni 2019

Nach dem Zerwürfnis zwischen dem Militärrat und der Protestbewegung ist die politische Zukunft des Landes wieder offen. Aufmerksam verfolgen Sudans Nachbarn die Entwicklung. Denn die spielt auch für sie eine Rolle.

BG Sudan Proteste
Bild: Getty Images/AFP/A. Shazly

Erst die gewaltsame Auflösung der Straßenblockaden in Khartum mit mindestens 35 Toten, dann die Erklärung, die Vereinbarungen zu einer auch durch Zivilisten repräsentierten Übergangsregierung aufkündigen zu wollen: Die sudanesische Militärführung hat gegenüber der Protestbewegung einen harten Kurs eingeschlagen.

Zugleich erklärte die Armee, innerhalb von sieben Monaten Wahlen abhalten zu lassen - davor war noch von neun Monaten die Rede. Diese würden unter "regionaler und internationaler Aufsicht" durchgeführt, erklärte der Chef des sudanesischen Militärrats, Abdel Fattah Burhan. Doch davon will die Opposition nichts wissen. Sie fordert als ersten Schritt weiterhin die Einrichtung des Übergangsrates. Das Militär habe einen "Putsch" unternommen, erklärten ihre Sprecher. 

Um den Druck auf die Militärs zu erhöhen, hatten die Demonstranten in der vergangenen Woche zu einem zweitägigen Generalstreik aufgerufen. Seitdem hat sich das Verhältnis zwischen ihnen und dem Militär enorm verschärft. Bei kleineren Scharmützeln waren mehrere Menschen gestorben.

Verschärfte Auseinandersetzungen: ein Demonstrant in Khartoum, 3. Juni 2019Bild: Getty Images/AFP/E. Hamid

Ein internationaler Konflikt

Der Konflikt im Sudan ist längst kein nationaler mehr. Hinter den Kulissen bemühen sich auch Akteure aus der Region um Einfluss. Ihnen allen ist klar, dass die Entwicklung im Sudan auch in die Nachbarländer ausstrahlt. Aufgrund seiner geostrategischen Lage interessiere sich insbesondere Saudi-Arabien für die Entwicklung dort. "Die unterschiedlichen Programme, die die regierenden Militärs vertraten, wurden in Riad immer sehr aufmerksam wahrgenommen", sagt der sudanesische Politanalyst Mohamed Kawas. Dies gelte insbesondere für die Regierung von Omar al-Baschir, der auf einen politischen Islam und enge Bindungen zu Katar und der Türkei setzte, zu zwei Ländern also, zu denen Saudi-Arabien ein angespanntes Verhältnis hat. 

Zwar habe sich al-Baschir zuletzt an der von Saudi-Arabien geführten internationalen Allianz im Jemen beteiligt, doch die Beziehungen beider Länder zueinander befänden sich weiter in einem Zustand vorsichtiger Annäherung: "Der erzwungene Rücktritt al-Baschirs gibt Saudi-Arabien Anlass zur Hoffnung, dass sich dort ein anderes Regime durchsetzt, zu dem sich das Verhältnis einfacher gestaltet", sagt Kawas.

Umgekehrt hat auch der Militärrat die Bedeutung seines Nachbarn auf der anderen Seite des Roten Meeres erkannt. Auch andere Länder der Region werden für die Armeeführung immer wichtiger. So reiste der Vizepräsident des Militärrats Mohammed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti, in der vergangenen Woche nach Saudi-Arabien, in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sowie nach Ägypten. "In den dort geführten Gesprächen könnte es womöglich Signale gegeben haben, die dann zu der Gewalt zu Beginn dieser Woche führten", sagt Annette Weber von der Berliner "Stiftung Wissenschaft und Politik" im Interview mit der DW. "Träfe das zu, wäre das eine höchst bedenkliche Entwicklung."

Vertraute Gesprächspartner: der Anführer des sudanesischen Militärrats, Abdel Fattah Burhan (li.) und der Kronprinz von Abu Dhabi, Scheich Mohamed Bin Zayed Al Nahyan (re.), Abu Dhabi, 27. Mai 2019Bild: picture-alliance/AP Photo/Ministry of Presidential Affairs/M. Al Hammadi

Die Interessen Saudi-Arabiens und der VAE

Die saudischen Interessen im Sudan lägen auf der Hand, sagt Annette Weber. Die Regierung in Riad sähe den Militärrat am liebsten auch künftig an der Macht. "Über dessen Vorsitzenden, Abdel Fattah Burhan, wie auch Vize Dagalo, hat die saudische Regierung einen gewissen Einfluss im Sudan. Beide stehen nicht nur im Jemen-Krieg auf Seiten der saudischen Allianz, sondern sind auch Mittelsmänner zwischen Sudan und den beiden Golfstaaten." 

Beide Kommandanten gelten in Riad wie in Doha als Garanten einer vergleichsweise konservativen politischen und sozialen Ordnung, erläutert Weber: "Die Regierungen von Saudi-Arabien und der VAE wollen möglichst vermeiden, dass es im Sudan zu einer Revolution von unten kommt. Sie ziehen es vor, dass Veränderungen von der Staatsspitze ausgehen und in gelenkten, jederzeit kontrollierbaren Bahnen verlaufen. Darum sind sie auch besorgt, dass der Einfluss der Muslimbrüder im Sudan zunehmen könnte."

Ägypten, der Nachbar im Norden  

Eine mögliche Präsenz der Muslimbrüder im südlichen Nachbarland bereitet auch der ägyptischen Regierung unter Präsident Abdel Fattah al-Sisi Sorgen. Nachdem 2013 der erste demokratisch gewählte Präsident des Landes, der aus den Reihen der Muslimbrüder stammende Mohammed Mursi, gestürzt wurde, sind die Beziehungen der Regierung zu den Muslimbrüdern höchst angespannt. Tausende von ihnen befinden sich - teils ohne Prozess - in den Gefängnissen des Landes, zahlreiche sind zum Tode verurteilt.

Zudem habe die Regierung Al-Sisi im Sudan weitere Interessen, sagt Annette Weber: "Es geht auch um geopolitische Fragen. So könnte auch die Auseinandersetzung um das sogenannte Halaib-Dreieck an der ägyptisch-sudanesischen Grenze, direkt am Roten Meer, wieder an Bedeutung zunehmen. Auch in der Auseinandersetzung um das Nilwasser, die Ägypten mit Äthiopien führt, ist Kairo auf einen verlässlichen Partner im Sudan angewiesen. Man wünscht sich natürlich, dass er auf der Seite Ägyptens steht."

Lektionen aus dem "Arabischen Frühling" 

Zugleich hätten Ägypten, Saudi-Arabien und die VAE aus den Erfahrungen des Arabischen Frühlings auch gelernt, meint der Politanalyst Mohamed Kawas. Alle Länder hätten zwar Interessen im Sudan. "Aber sie geben sich zurückhaltend, weil sie wissen, dass jede zu starke Einmischung von außen die Legitimität der jeweiligen Regierung untergräbt." 

Mangelnde Legitimität, so eine der zentralen Erfahrungen seit dem Revolutionsjahr 2011, setze jede Regierung unter Druck. Bereits seit Wochen zeigt sich, welche Mühe eine wie immer besetzte Führung im Sudan hätte, diesem Druck standzuhalten. 

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika