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Politik

Sudan: Der Marsch der Frauen

Kersten Knipp | Imane Mellouk
11. März 2019

Die Frauen geben den Protesten gegen die Regierung Al-Baschir im Sudan eine eigene Note. Gemeinsam mit den Männern treten sie für allgemeine Anliegen ein, richten sich aber auch gegen geschlechtsspezifische Missstände.

Sudan | Proteste in Omdurman
Bild: Getty Images/AFP

Weiß ist die Farbe der verlorenen Tugenden: der Einfachheit, des Friedens, aber auch der Schönheit. Es ist die Farbe, in die sudanesische Frauen sich vor der Machtergreifung Omar al-Baschirs im Jahr 1993 hüllten. Während seiner Herrschaft verzichteten die Frauen mehr und mehr darauf, die weiße Robe zu tragen - ganz so, als hätte das Land unter dem neuen Herrscher seine politische Unschuld verloren. An diese Unschuld wollen die sudanesischen Frauen erinnern, die dieser Tage auf die Straße gehen, um gegen die Missstände in ihrer Heimat zu protestieren.

#WhiteMarch, "weißer Marsch", heißt dementsprechend das Motto, unter dem sie sich zusammengeschlossen haben, um in der weißen Robe für die Rechte der Frauen und des ganzen Landes einzutreten.

"Bereits unter früheren Diktaturen beteiligten wir Frauen uns an den Protesten, gingen auf die Straße und forderten unsere Rechte", sagt Eman, eine sudanesische Aktivistin im Gespräch mit der DW. Aus Sicherheitsgründen will die junge Frau nur ihren Vornamen nennen. Immer schon hätten sie an der Spitze der Proteste gestanden. Früher seien die Frauen mit den Männern auf die Straße gegangen, um den Abzug der englischen Kolonialmacht und die Einführung von Grundrechten zu fordern. Inzwischen hätten sich die Anliegen geändert: "Die derzeitige Militärherrschaft betreibt im Namen des Islam eine gegen die Frauen gerichtete Politik der Unterdrückung. Sie hat Gesetze erlassen, die sich explizit und ausschließlich gegen Frauen richten."

Lange Liste von Missständen 

Die Proteste in Khartum seien von Anfang an stark von Frauen getragen, beobachtet Philipp Jahn, Leiter des örtlichen Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung: "Frauen haben die Protestmärsche oftmals initiiert. Auf eine Art lang anhaltenden Schrei hin setzten sich die Protestzüge in Bewegung. In den Märschen sind sie weithin sichtbar, oftmals auch in vorderer Reihe."

Die Liste der Missstände, gegen die Frauen sich richten, ist lang. So protestieren sie nicht nur für generelle Anliegen wie die Überwindungen eines autoritären Regierungsstils und die Stärkung der Menschen- und Bürgerrechte. Ebenso wenden sie sich gegen juristische und politische Vorgaben, unter denen vor allem Frauen zu leiden haben.

Dazu gehört die Beschneidung. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation haben 87 Prozent aller Frauen im Sudan zwischen 15 und 49 Jahre eine Genitalverstümmelung erlitten. Allerdings befürworten immerhin gut 40 Prozent der genannten Altersgruppe nach Informationen der Frauenrechtsorganisation "Terre des Femmes" diese Praxis.

Der Protest ist auch weiblich: Sudanesische Frauen demonstrieren in der Stadt Omduran, 10. März 2019Bild: Getty Images/AFP

Ebenso richtet sich der Protest der nun demonstrierenden Frauen gegen Zwangsheirat und die Möglichkeit, Mädchen ab dem zehnten Lebensjahr zu verheiraten. Zwölf Prozent aller Mädchen werden einer Studie des Kinderhilfswerks UNICEF zufolge verheiratet, noch bevor sie 15 Jahre alt sind. Rund ein Drittel ist vor Vollendung des 18. Lebensjahres verheiratet.

Gegen Zwangsheirat und Gewalt in der Ehe

Zudem richtet sich der Protest der Frauen gegen das harsche Vorgehen der Polizei gegen Demonstrantinnen. Eine Twitter-Userin weist auf eine Frau hin, der auf einer Polizeiwache das Haar abgeschnitten worden sein soll.

Ebenso wenden sich die Frauen dagegen, dass eheliche Vergewaltigung nicht als Straftatbestand anerkannt ist. Der Prozess um die damals 19 Jahren alte Noura Hussein im Mai 2018 führte der sudanesischen Öffentlichkeit vor Augen, in welche Nöte Frauen unter der herrschenden Gesetzgebung geraten können. Die junge Frau wurde im Alter von 15 Jahren von ihrer Familie gegen ihren Willen verheiratet. Als sie sich in der Hochzeitsnacht ihrem Bräutigam verweigerte, vergewaltigte dieser sie mit Hilfe mehrerer Männer. Als er sie in der folgenden Nacht wieder bedrängte, erstach sie ihn. Von einem Gericht wurde Noura zunächst zum Tode verurteilt. Ein Berufungsgericht hob dieses Urteil dann auf und verurteilte sie stattdessen zu einer fünfjährigen Haftstrafe.

Fälle wie dieser sind aber eher auf ländliche Regionen beschränkt. "In den bürgerlichen Kreisen in den Städten sind die Frauen hingegen selbstbewusst und emanzipiert ", sagt Philipp Jahn. "Die diesem Segment angehörenden Frauen sind bestens ausgebildet." Auch werde dort zwischen Frauen und Männern sozial weniger unterschieden, so Jahn. Auch bei der Polizei genössen diese Frauen einen gewissen Respekt: "Sie werden zum Beispiel seltener kontrolliert - auch darum, weil die Polizisten fürchten, ihrerseits Ärger wegen unangemessenen Verhaltens zu bekommen."

Unter Druck: Staatspräsuident Oamr al-BaschirBild: picture-alliance/Photoshot/M. Khidir

Regime fürchtet weibliche Bildung

Allerdings habe sich die Lage der Frauen während der Regierung Omar al-Baschirs insgesamt wieder verschlechtert, sagt die Aktivistin Eman im Gespräch mit der DW: "Viele Frauen wurden zu körperlichen Strafen wie etwa Auspeitschungen verurteilt, weil sie sich nach Auffassung der Gerichte nicht angemessen kleideten. Andere wurden verurteilt, weil man ihnen vorwarf, Alkohol getrunken zu haben."

Der Grund für das harte Vorgehen liege auf der Hand, sagt Eman. "Wenn Frauen gebildet sind, können sie sich besser wehren. Sind sie auch politisch gebildet, kann das einem Regime geradezu gefährlich werden. Deswegen versucht es, sie daran zu hindern, aus den traditionellen Rollen auszubrechen."

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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