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Politik

Sudan: "Ein Putsch wäre eine Beruhigung"

Patrick Große
11. April 2019

Nach monatelangen Demonstrationen im Sudan hat das Militär Präsident Omar al-Baschir abgesetzt. Doch ein Putsch wäre nicht das Ende aller Probleme. Sudan-Expertin Annette Weber erklärt, wie es weitergehen könnte.

Sudan Proteste gegen Präsident Omar Al-Bashir in Khartoum
Bild: Reuters

Deutsche Welle: Der mögliche Putsch gegen das Regime von Präsident Al-Baschir ist der bisherige Höhepunkt monatelanger Massenproteste im Land. Warum ist die Situation im Sudan so aufgeheizt?

Annette Weber: Die Proteste begannen im Dezember. Damals demonstrierten die Menschen vor allem gegen zu hohe Lebenshaltungskosten. Aber im Sudan gibt es auch einen Präsidenten und ein Regime, das seit über 30 Jahren an der Macht ist. Ein Regime, das politische Freiheiten zunehmend eingeschränkt hat. Gleichzeitig haben die Repressionen gegenüber der Bevölkerung zugenommen. Es ist eine Kombination aus Staatsführern, die quasi auf Lebenszeit im Amt sind, verkrusteten Strukturen, die vor allem jungen Menschen keine Zukunftsperspektiven geben, und einer verschlechterten wirtschaftlichen Situation.

Die Menschen im Sudan haben also viel zu kritisieren an der Führung. Wie lauten die konkreten Forderungen der Demonstranten?

Zunächst forderten sie einen ökonomischen Plan für das Land und ein Ende der Repressionen. Tatsächlich kam dann aber auch die Forderung nach einem Rücktritt des Präsidenten ziemlich schnell: Es solle eine technokratische Übergangsregierung geben, die vom Militär gestützt wird. Die Demonstranten forderten weniger eine Veränderung des bestehenden politischen Systems. Sondern sie sagten dem Präsidenten direkt: "Du kannst nur gehen."

Bereits seit dem Wochenende sollen einige Soldaten ins Lager der Demonstranten übergelaufen sein. Warum hat sich auch das Militär vom Präsidenten abgewandt?

SWP-Expertin Annette WeberBild: SWP

Das klingt für uns vielleicht komisch, aber über das Militär im Sudan muss man wissen, dass es immer als vertrauenswürdig galt. Von der Bevölkerung wird es als ziemlich positiv wahrgenommen. Hinzu kommt, dass unter den Demonstrierenden auch Kinder oder Mütter der Militärs sind. Das sind keine Leute, die sich in politischen Oppositionsparteien engagieren, sondern ganz normale Bürger mit Angehörigen im Militär. Somit war auch klar, dass sich die Soldaten eher mit den Forderungen ihrer eigenen Familien gemein machen werden, als sich auf die Seite Al-Baschirs zu stellen. Und es ist nicht nur das Militär allein. Im Augenblick ist es so, dass sowohl die Eingreiftruppen der Regierung als auch die Polizei und der größte Teil des Militärs den Präsidenten abgesetzt haben und zu einer Übergangsregierung zusammentreten werden. Die einzige Behörde, bei der wir das noch nicht ganz genau wissen, ist der Inlandsgeheimdienst.

Der internationale Gerichtshof hat gegen Al-Baschir einen Haftbefehl erlassen, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im anhaltenden Darfur-Konflikt. Was wird mit Al-Baschir passieren?

Das ist jetzt die große Frage. Ich denke, dass sich jetzt nicht nur die Nachbarländer, sondern auch andere mögliche Aufnahmeländer mit ihm und der Übergangsregierung zusammensetzen werden. Das reicht von Ägypten über die Golfstaaten. In den nächsten Stunden wird sich vermutlich klären, ob er im Land bleibt oder in ein anderes Land geht. Was den Haftbefehl angeht: Ich gehe davon aus, dass er natürlich nicht in den Westen reist oder in ein anderes Land, das ihn an den Internationalen Gerichtshof ausliefern wird.

Zum Rücktritt gedrängt: Was passiert mit Präsident Omar Al-Baschir?Bild: Reuters/S. Sibeko

Trotz der Vorwürfe des Gerichtshofs gegenüber Al-Baschir hatte sich der Sudan in den vergangenen Jahren dem Westen angenähert, zum Beispiel mit einer Kooperation der Geheimdienste des Landes und der USA. Ist diese Zusammenarbeit jetzt in Gefahr?

Ganz im Gegenteil. Es ist eher eine große Erleichterung. All die Vorwürfe und Kritik des Westens hingen sehr stark mit der Person Al-Baschir zusammen. Die außenpolitischen Möglichkeiten, denke ich, werden jetzt größer werden als unter ihm.

Die Situation im Inland war und ist hingegen prekär. Wie wird es politisch mit dem Sudan weitergehen?

Das ist wirklich schwierig zu sagen. Die nächsten Stunden werden zeigen, ob zum Beispiel alle Militärs wirklich auf einer Seite stehen. Es bleibt auch abzuwarten, wie die Bevölkerung reagiert. Die Demonstrierenden hatten die Armee zwar direkt angefragt, sie zu unterstützen. Nach meiner Einschätzung wird es aber diesmal, im Vergleich zu früheren Machtwechseln, viel mehr Widerstand gegen eine reine Militärregierung als Übergangsregierung geben. Die Demonstrationen könnten weitergehen - mit der Forderung, eine zivile Regierung im Sudan einzuführen. Ich glaube aber nicht, dass es zum Beispiel zu einem Bürgerkrieg kommen wird. Im Moment sehe ich die Situation eher als Beruhigung und nicht als Eskalation.

Können die Demonstranten nun hoffen, dass all ihre Forderungen erfüllt werden?

Nein. Die Forderung der Demonstranten war bisher, dass das Regime weg muss. Die Forderungen werden sich jetzt ändern. Es wird einen Teil der Demonstranten geben, der eine zivile Regierung will. Es wird einen anderen Teil geben, der sagt, dass der Putsch erstmal als stabilisierendes Moment ausreicht. Das wird sich jetzt etwas kleinteiliger gestalten. Aber eine direkte Umsetzung aller Forderungen der Demonstranten zeichnet sich erstmal nicht ab.

Dr. Annette Weber gehört zur Forschungsgruppe Naher / Mittlerer Osten und Afrika der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Seit über 20 Jahren ist der Sudan eines ihrer Spezialgebiete.

Das Gespräch führte Patrick Große.

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