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PolitikSudan

Sudan: Ein Puzzlestück in der russischen Afrikastrategie

11. Juni 2024

Der Sudan und Russland haben sich offenbar auf eine russische Marinebasis bei Port Sudan geeinigt. Diese ist ein wichtiger Baustein der russischen Afrika-Strategie - auf die der Westen noch keine Antwort hat.

Blick auf den Hafen von Port Sudan
Künftig Sitz einer russischen Mareinebasis: Port Sudan Bild: AFP/Getty Images

An der Position seines Landes ließ Malik Agar, stellvertretender Vorsitzender des von der Armee dominierten sudanesischen Übergangsrats, keinen Zweifel: Ja, man habe Interesse an einem wiederbelebten Abkommen über den Bau eines russischen Marinezentrums am Roten Meer, erklärte er der sudanesischen Zeitung Sudan Tribune zufolge Anfang Juni am Rande des Internationalen Wirtschaftsforums in St. Petersburg (SPIEF). 

Über ein entsprechendes Abkommen sind der Sudan und Russland schon seit Jahren im Gespräch. Bereits 2017 hatten sich der damalige sudanesische Staatschef Omar al Bashir und der russische Präsident Wladimir Putin einem Bericht des Online-Magazins "Understanding War" zufolge auf den Bau einer russischen Basis mit Platz für mehrere hundert Soldaten und vier Schiffe geeinigt. 

Aufgrund der dann einsetzenden politischen Instabilität im Sudan konnte dessen Parlament den Vertrag aber nicht ratifizieren. Zuletzt wurden die Gespräche aber wieder aufgenommen - offenbar erfolgreich. So erklärte Ende Mai der stellvertretende Oberbefehlshaber der sudanesischen Armee (SAF), Generalleutnant Yasir al Attar, der Sudan und Russland würden in den kommenden Wochen eine Reihe militärischer und wirtschaftlicher Abkommen unterzeichnen. 

Blick auf eine Goldmine im nordöstlichen SudanBild: Ashraf Shazly/AFP/Getty Images

Russland: strategischer Kurswechsel im sudanesischen Konflikt

Dass Moskau sich nun mit den staatlichen Repräsentanten des Sudan geeinigt hat, deutet auf einen bedeutenden Kurswechsel hin: In dem im April vergangenen Jahres ausgebrochenen, desaströsen Konflikt   zwischen der regulären Armee SAF und den aufständischen Rapid Support Forces (RSF) hatte Moskau zunächst auf die RSF gesetzt. Dies vor allem deshalb, weil die halbstaatliche russische Wagnermiliz sich mit diesem auf Schürfrechte für sudanesische Goldvorkommen geeinigt hatte. Diese sind für das seit dem Angriff auf die Ukraine mit westlichen Sanktionen belegte Russland eine verbleibende Devisenquelle. 

Zwar sei die Lage im Sudan militärisch weiterhin unklar, sagt die Politologin Hager Ali vom Hamburger GIGA-Institut, die kürzlich eine Analyse zum Sudan-Krieg veröffentlicht hat. "Aber Russland will seine Unterstützung im Sudan nun offenbar diversifizieren. Außerdem befindet sich Port Sudan in dem von den SAF kontrolliertem Gebiet. Wenn Russland dort eine Marinebasis anstrebt, ist es auf Gespräche mit den SAF angewiesen." Welche Folgen das für die militärische Entwicklung des Konflikts hat, ist noch offen.

Russland: "uneingeschränkte qualitative Militärhilfe"

Im Gegenzug für die Marinepräsenz wird Russland die sudanesische Armee SAF militärisch und sicherheitspolitisch unterstützen. So hat der Sondergesandte des russischen Präsidenten für Afrika und den Nahen Osten, Mikhail Bogdanov, den SAF "uneingeschränkte qualitative Militärhilfe" versprochen, berichtet das Online-Magazin "Understanding War".

Bereits in früheren Jahren hätte sich die sudanesische Armee von Russland unter anderem Kampfflugzeuge der Typen Su-30 und Su-35 sowie Luftabwehrraketen des Typs S-400 gewünscht, sagt der Politologe Andreas Heinemann-Grüder vom Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS) in Bonn. "Bislang hatten sich die Russen hinsichtlich dieser Wünsche aber skeptisch gezeigt. Ob die Russen das nun anders halten, wissen wir nicht - ebenso wenig, welchen Waffenlieferungen Russland den Sudanesen nun im Austausch für die Marinebasis angeboten hat", so Heinemann-Grüder zur DW.

In den Verhandlungen habe Russland grundsätzlich gute Karten, sagt Hager Ali im DW-Gespräch. "Denn je länger der Konflikt andauert, desto mehr Waffen brauchen die SAF. Das gilt vor allem für die sudanesische Luftwaffe, die ja auch in entlegenen Regionen operieren muss. Insofern kann sie russische Waffen sehr gut gebrauchen." Das gleiche gelte für Diesel. Der sei seit langem knapp, so Ali. Umgekehrt bestehe aufgrund der Sanktionen ein entsprechendes Exportverbot für Russland. "Lange Zeit wurde der Treibstoff von der Wagner-Miliz auf dem Umweg über den Tschad importiert." Künftig könnte Russland ihn über seinen neuen Marinestützpunkt im Sudan liefern.

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Mit dem Hafen, so "Understanding War", setze Russland sein militärisches Vorgehen in Afrika konsequent fort. Aufgrund seines Engagements im Syrienkrieg an der Seite des Diktators Baschar al-Assad verfüge Russland bereits über einen Marinestützpunkt in Tartus im südlichen Syrien. Diesen nutze es bereits als Ausgangspunkt für Logistiklieferungen nach Afrika - etwa in das ebenfalls von einem Bürgerkrieg zerrissene Libyen. Libyen wiederum diene Moskau als Brückenkopf für Verstärkungen und Nachschub für die Länder Afrikas südlich der Sahara.

"Der Sudan ist ein weiteres Puzzleteil, in der russischen Afrika-Strategie", sagt Hager Ali. Das gelte für den Waffenhandel, aber auch mit Blick auf andere russische Präsenzen in Afrika, insbesondere im Westen des Kontinents. "Moskau verfolgt verschiedene Interessen: kurzfristig, mittelfristig und langfristig."

Mittelmeerpräsenz: Russisches Kriegsschiff nahe dem Hafen von Tartus in Syrien, 2015Bild: Zhang Jiye/Xinhua/picture alliance

Auswirkungen auf Europa 

Diese Ziele hätten durchaus auch Auswirkungen auf Europa, sagt Politologe Andreas Heinemann-Grüder. "Die Russen nutzen ihre Chaosmacht in verschiedenen afrikanischen Staaten aus, nicht nur im Sudan, sondern eben auch in Unterstützung der anderen Putschisten, also Mali, Tschad, Burkina Faso und Niger. Dort trägt die Kooperation mit den Putschisten nicht zu einer Stabilisierung, sondern im Gegenteil zur Verschärfung der inneren Konflikte bei." 

Mit Blick auf den Sudan seien darum mögliche Flüchtlingsbewegungen auch Richtung Europa nicht auszuschließen. "Darum könnte man sich von europäischer Seite fragen, ob nicht etwa die Entwicklungshilfe in von Putschisten kontrollierten Ländern an gewisse Bedingungen geknüpft werden sollten. Etwa die, dass eine militärische Zusammenarbeit mit den Russen Konsequenzen für die Entwicklungszusammenarbeit oder vielleicht sogar auch für die humanitäre Zusammenarbeit haben könnte." Frankreich tue das inzwischen. "Aber insgesamt sehe ich hier noch keine einheitliche Position der westlichen Staaten."

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Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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