1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Sudan-Konflikt gefährdet Coca-Cola-Rezept

Daniel Muteti
25. Juli 2023

Sudans Akazienbäume liefern einen Rohstoff, von dem viele Menschen abhängig sind. Er ist für viele Anwendungen wichtig und international begehrt, doch seine Ausfuhr wird durch den andauernden Konflikt im Sudan behindert.

Sudan l gum arabic l Gummiarabikum
Gummi Arabicum tritt aus einer angeschnittenen Akazie ausBild: Ashraf Shazily/AFP

Gummi Arabicum, in der Lebensmittelindustrie unter der Bezeichnung E414 verwendet, ist ein begehrter Stoff: Er ist ein "Wundsaft", der aus dem Baum austritt, wenn man ihn einschneidet. Gebraucht wird er in vielen Bereichen: In der Pharmazie, für Schuhcreme, in Süßigkeiten oder für kosmetische Produkte. Im antiken Ägypten war er unersetzlich bei der Einbalsamierung toter Körper.

Bei der Herstellung von Erfrischungsgetränken spielt er ebenfalls eine wichtige Rolle: Als Stabilisator verhindert er, dass Zucker sich am Boden sammelt und kristallisiert. Wie wichtig der Stoff tatsächlich ist, zeigte sich 1997, als die USA ein Handelsembargo gegen den Sudan erließ. Denn der Boykott machte ausgerechnet beim Gummi Arabicum eine Ausnahme: Der Coca-Cola-Konzern sollte nicht von der Versorgung mit dem Rohstoff abgeschnitten werden.

Deutschland ist wichtiger Abnehmer

Der Sudan ist der weltweit führende Gummi-Arabicum-Produzent - rund 70 Prozent des begehrten Rohstoffes kommen aus dem nordostafrikanischen Land. Das Einkommen vieler Sudanesen hängt direkt oder indirekt von seinem Export ab. Doch die andauernden Kämpfe haben den Export praktisch zum Erliegen gebracht.

Daten der internationalen Wirtschaftsdatenbank OEC (The Observatory of Economic Complexity) zufolge hat der Sudan 2021 Gummi Arabicum im Wert von 99 Millionen Euro ins Ausland verlauft und war damit der zweitgrößte Exporteur weltweit. Die meisten Exporte gingen nach Frankreich, in die USA und nach Deutschland.

Noch wird geerntet: Ein Sudanese zeigt frisch geerntetes Gummi Arabicum auf einem HolzstabBild: Ashraf Shazily/AFP

Kämpfe sind große Gefahr

Der sudanesische Journalist Hussein Ali sagte der DW, dass die Fortsetzung des Krieges einen "kompletten Exporteinbruch nach sich ziehen und zu einer Krise für viele große Firmen führen würde. Es wird erwartet, dass, sollte der Krieg noch länger andauern, die strategischen Reserven zur Neige gehen werden".

Viele Einheimische sind finanziell vom Gummi-Arabicum-Verkauf abhängig, doch seit Beginn des Konfliktes zwischen der sudanesischen Armee unter Kommando von General Abdel Fattah al-Burhan und den Spezial-Einsatzkräften von Mohammed Hamdan Dagalo ist das Geschäft zunehmend schwieriger geworden. Inzwischen behindert der Konflikt Produktion und Handel schwer.

Professor Abulgasim Seifeldin, der frühere Vorsitzende der sudanesischen "Agricultural Research Cooperation" sagte der DW: "Das Produkt ist eine wichtige Pflanze für den Sudan und das zweit- oder drittwichtigste Exportgut."

Überlebenswichtiger Saft

Gummi Arabicum ist eine Flüssigkeit von Akazienbäumen, die vor allem in den Wüsten und Halbwüsten der Sahel-Zone wachsen - dem sogenannten Gummigürtel, der sich durch mehrere Länder zieht. Es gibt hauptsächlich zwei Akazienarten: Die Gummiakazie Senegalia Senegal, diese Art herrscht im Sudan vor, und die seltener vorkommende Vachellia seyal, die Seyal-Akazie.

Werden die Akazien verletzt, etwa durch Feuer oder durch Insekten, produzieren die Bäume das Gummi, um offene Poren zu schließen. Das minimiert den Wasserverlust. Das Gummi sorgt so wesentlich dafür, dass der Baum noch Wasser speichern und damit überleben kann.

Die Farmer gewinnen das Gummi durch das sogenannte Tapping. Dabei ritzen sie die Baumrinde ein und ernten die austretende Flüssigkeit, das Gummi Arabicum. Das erstarrt nämlich beim Kontakt mit Sonnenlicht und der Umgebungsluft. Nach einigen Wochen sammeln die Bauern das Gummi ein und wiederholen das über die gesamte Erntezeit.

Abulgasim Seifeldin sagt, dass viele Farmer dies nur mir einfachen Werkzeugen machen und so eine relativ magere Ernte einfahren, die er auf etwa 250 Gramm pro Baum schätzt. Nach dem Sammeln wird das Gummi gereinigt und sortiert und an Zwischenhändler verkauft, die es wiederum an weiterverarbeitende Betriebe oder an Exporteure verkaufen.

Zwei Sudanesen bei der Ernte an einer AkazieBild: Ashraf Shazily/AFP

Wer braucht Gummi Arabicum?

Die Lebensmittelindustrie ist sehr abhängig davon, benötigt es als natürliches Nahrungsergänzungsmittel und braucht es als Quelle sogenannter aktiver Ballaststoffe. Es verändert die grundsätzlichen chemisch-biologischen Eigenschaften eines Lebensmittels nicht und kommt in Süßwaren, Soßen und Salatdressings vor sowie in Backwaren, Milchprodukten und Getränken.

Das "Coca-Cola-Rezept" gehört zu den bestgehüteten Geheimnisseen der Lebensmittelindustrie. Dennoch verrät der Konzern, er könne seine Getränke ohne diese Grundzutat nicht herstellen. Eine zuverlässige Versorgung mit diesem Stoff sei unerlässlich. Auf eine Anfrage der DW hat Coca Cola nicht reagiert.

Eine Lieferkette bricht zusammen

Der in Hamburg ansässige Branchenverband International Promotion of Gums (AIPG) antwortete schriftlich auf eine DW-Anfrage und teilte mit, dass die AIPG-Mitgliedsverbände und -unternehmen mit ihren lokalen Partner die aktuellen Entwicklungen genau beobachten und auf eine baldige friedliche Lösung hoffen, damit "der Akaziengummimarkt wieder zur Normalität zurückkehren kann".

Aktuell werde die Situation für viele Farmer zunehmend unhaltbar, sagt Abulgasim Seifeldin: "Die Produktion leidet, weil viele Bauern nicht mehr auf die Felder gehen können. Sie können nicht mehr verkaufen oder exportieren. Die Händler werden nicht mehr in der Lage sein, das Gummi gereinigt oder verpackt zu bekommen und es dann zum Hafen, nach Port Sudan, zu transportieren."

 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen