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PolitikSudan

Sudan: UN warnen vor Massensterben in El Fascher

27. Oktober 2025

In El Fasher droht ein humanitäres Desaster: Die Miliz Rapid Support Forces (RSF) die Stadt eingenommen, Hilfslieferungen bleiben aus. Die UN warnen vor Hunger, Gewalt und dem Zusammenbruch der Versorgung.

Ein Kind in El Fascher sucht Nahrung in einem Eimer; im Hintergrund Esel und einige Menschen
Ein Kind sucht Nahrung in El FascherBild: UNICEF/Xinhua/IMAGO

Rund 260.000 Zivilisten sitzen in El Fascher im Westen des Sudan fest, die Hälfte von ihnen sind Kinder. Seit Monaten wird die Stadt von der Miliz Rapid Support Forces (RSF) belagert und von allen Kontakten zur Außenwelt abgeschnitten. Auch Nahrung kommt seit langem nicht mehr in die Stadt, die rund 200 Kilometer von der Grenze zum Tschad entfernt in der Provinz Darfur liegt. Augenzeugen zufolge ernähren sich viele Menschen mittlerweile von Tierfutter.

Am Montag schlug UN-Generalsekretär Antonio Guterres Alarm. Die Einnahme stelle eine "schreckliche Eskalation des Konflikts" dar, sagte Guterres. "Das Ausmaß des Leids, das wir im Sudan erleben, ist unerträglich."

Guterres reagiert damit auf eine Erklärung der paramilitärischen RSF. Diese gaben am Sonntag bekannt, sie hätten die vollständige Kontrolle über die Stadt erlangt. Inzwischen wurde Angaben des sudanesischen Journalistenverbands zufolge die gesamte Kommunikation in der Stadt gesperrt, einschließlich der Satellitennetzwerke.

Mohamed Hamdan Dagalo alias Hemeti, der oberste Kommandant der Rapid Support Forces, hier bei einer Rede in Nairobi, Februar 2025Bild: AFP

Nochmalige Zuspitzung der Lage befürchtet 

Experten erwarten nun eine weitere Zuspitzung der Lage, geprägt durch massive Gewalt gegen die in der Stadt festsitzende Zivilbevölkerung. Bereits seit Monaten hätten die Zivilisten ebenso wie die dort einsitzenden Soldaten der Sudanese Armed Forces kaum mehr das Nötigste, sagt Marina Peter, Vorsitzende des deutschen Sudan- und Südsudan-Forums, im DW-Interview. "Seit Wochen versuchen festsitzende Zivilisten, die Stadt zu verlassen. Seitdem sich abzeichnet, dass die RSF die Stadt gänzlich einnehmen könnten, haben die Fluchtversuche noch einmal zugenommen." 

Allerdings hätten sie kaum eine Chance, erklärt Peter weiter: "Zwar konnten einige Menschen bis vor Kurzem noch fliehen. Andere aber sind bei Fluchtversuchen erschossen worden." Viele weitere Menschen seien verhaftet worden, so Peter weiter. "Wir befürchten nun Massenerschießungen, Vergewaltigungen und eine nochmals verschärfte Hungersnot. Laut unseren Kontakten in die Stadt sterben im Durchschnitt in jeder Stunde drei Kinder."

Menschen in El Fascher stellen sich für humanitäre Hilfe an, August 2025Bild: AFP/Getty Images

Offener Machtkampf

Der Konflikt im Sudan geht zurück auf das Ende der Herrschaft des autoritär regierenden Staatspräsidenten Omar al-Baschir im Jahr 2019. Er gründete seine Macht auf die offizielle Armee: die Sudanesischen Streitkräfte (SAF), heute unter dem Kommando von Sudans De-facto-Machthaber General Abdel Fattah al-Burhan. Zugleich verließ sich Al-Baschir aber auch auf mehrere der Armee angeschlossene Milizen, unter anderem die sogenannten Rapid Support Forces (RSF), geführt von Mohamed Hamdan Daglo, genannt "Hemeti". 

Dessen Gruppe integrierte sich ebenso wie die SAF in einen nach Al-Baschirs Sturz gegründeten, zivil geführten Übergangsrat. Doch im Oktober 2021 putschten beide Gruppen gemeinsam. Hemeti wurde Al-Burhans Stellvertreter. Dann aber stritten die beiden Kommandanten über Aufbau und Hierarchie einer gemeinsamen Armee. Hemeti lehnte es ab, seine Miliz in die nationale Armee zu integrieren. Im April 2023 führte dies zum offenen Machtkampf zwischen beiden. Seitdem herrscht im Land Krieg.

Morde, Vergewaltigungen und Plünderungen

Die Rapid Support Forces gingen aus den sogenannten Dschandschawid, arabischstämmigen Reitermilizen, hervor, die kurz nach der Jahrtausendwende auch eingesetzt worden waren, um gegen die schwarzafrikanisch geprägten Rebellengruppen wie etwa die Sudan Liberation Army (SLA) und das Justice and Equality Movement (JEM) in West-Darfur vorzugehen. Bereits damals wandten die Milizen äußerste Gewalt an, und zwar auch gegen Zivilisten.

"Die RSF und die mit ihr verbündeten Milizen haben in großem Umfang Zivilist*nnen gezielt getötet, viele davon aufgrund ihrer Ethnie", heißt es in einem Report der Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch (HRW) vom Juni dieses Jahres. "Die RSF hat auch weit verbreitete sexuelle Gewalt, insbesondere Gruppenvergewaltigungen, und Plünderungen verübt. Außerdem haben sie Städte und Dörfer zerstört, oft durch Brandstiftung, und Hilfsgüter in großem Umfang geplündert." Der Internationale Gerichtshof sieht Anhaltspunkte für Kriegsverbrechen im Sudan.

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Ziel: den Feind demoralisieren

Dieses Muster drohe sich in den kommenden Tagen in El Fascher zu wiederholen, sagt Peter. Die Befehlshaber kommandierten vielfach Soldaten, die unter starkem Drogeneinfluss stünden. Teils seien auch Kindersoldaten in den Rängen. "Wir kennen das Muster, die Logik, die nun in El Fascher angewendet wird, auch aus anderen Orten des Sudan", so Peter weiter. "Es geht darum, den Feind gewissermaßen zu demoralisieren. Und das geschieht am effizientesten, indem man Frauen vergewaltigt und zunehmend auch Männer. Zudem haben die RSF Gräben um die Stadt gezogen, so dass niemand entweichen kann. Es geht darum, die Stadt systematisch auszuhungern. Menschenleben zählen in diesem Konflikt nicht."

Ähnlich berichtet es auch Arjan Hehenkamp von der Hilfsorganisation International Rescue Committee (IRC) , Krisenleiter für Darfur. Einigen sei die Flucht in die Stadt Tawila gelungen, wo bereits Hunderttausende Menschen Schutz suchen. "Die Menschen, die aus El Fascher fliehen, kommen aus einer Hölle", berichtet Hehenkamp auf der Webseite der Organisation. "Sie haben nichts außer der Kleidung, die sie tragen. Viele sind schwer traumatisiert und suchen Schutz und Hoffnung." Doch auch Tawila stehe am Rande der Belastungsgrenze. "Ohne eine deutliche Ausweitung der humanitären Hilfe wird das Leid weiter zunehmen."

Doch nicht nur die RSF gehen mit Gewalt gegen Zivilisten vor. Auch die Sudanesischen Streitkräfte (SAF) begingen "grausame Übergriffe auf die Zivilbevölkerung", heißt es in dem Report von HRW. "Die Liste ihrer Gräueltaten wird fast täglich länger."

Seit Monaten wird befürchtet, der Sudan könnte infolge des Krieges auseinanderfallen. "Diese Gefahr", sagt Marina Peter, "wird mit jedem Tag dieses Krieges realer." 

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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