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Politik

Sudan: "Medien im Belagerungszustand"

Wesley Dockery ni
26. September 2018

Die DW-Talkshow "Shababtalk" über Frauenrechte im Sudan sorgt für Aufregung und Morddrohungen. Der sudanesische Oppositionspolitiker Yassir Arman schildert im DW-Interview die Unterdrückung durch das Regime.

Sudan Pressefreiheit Symbolbild
Bild: Getty Images/AFP/A. Shazly

"Was wollen sudanesische Frauen?" Diese Frage wurde in der arabischsprachigen DW-Talkshow "Shababtalk" diskutiert. Die Sendung hat eine hitzige Debatte im Sudan ausgelöst, weil eine junge Sudanesin einen ranghohen Prediger direkt konfrontierte. Die 28-jährige Weam Shawky verurteilte die Belästigungen von Frauen: "Wenn ich auf die Straße gehe und ein Mann mich wie ein Objekt behandelt und nicht wie ein menschliches Wesen, dann ist die Person verwerflich, die ihm das Recht gibt mich zu belästigen - und nicht die Kleidung, die ich trage." Extremisten drohten danach dem Moderator und dem Partnersender. Im islamisch-fundamentalistisch regierten Sudan herrscht seit 15 Jahren Krieg.

DW: Sie werden mit einigen Mitgliedern der Opposition diese Woche nach Genf zu den Vereinten Nationen reisen. Was will ihre Delegation erreichen?

Yassir Arman: Wir werden an einer Probesitzung des Menschenrechtsrats teilnehmen, um Resolutionen für den Sudan zu besprechen. Vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen wurde die Teilnahme verweigert. Die vorliegenden Entwürfe für Resolutionen zum Sudan sind aus unserer Sicht sehr schwach. Wir wollen gegenüber dem Menschenrechtsrat, den UN-Mitgliedsstaaten und den Zivilorganisationen die Stimme der Zivilbevölkerung vertreten. Sie sollen genau wissen, was im Sudan passiert.

Die derzeitigen Entwürfe können auf die Propaganda der sudanesischen Regierung zurückgeführt werden. Sie reflektieren nicht die Realität im Sudan. Sie würden der Regierung erlauben, weiterhin ungestraft Menschenrechte zu verletzen. Im Rat gibt es Stimmen, die behaupten, im Sudan wäre alles in Ordnung. Doch das kann nicht sein, wenn der Internationale Strafgerichtshof Präsident Omar al-Baschir Kriegsverbrechen anlastet.

Oppositionspolitiker Yassir Arman: "Der Sudan braucht einen Paradigmenwechsel"Bild: AP

Wie steht es um die Menschen- und vor allem um die Frauenrechte im Sudan?

Generell hat sich die Situation im Land verschlechtert. Frauen werden in der sudanesischen Gesellschaft ausgegrenzt und sind Opfer von Missbrauch und Vergewaltigung. Ihre Leben werden zerstört, vor allem in den Kriegsgebieten, wie in Darfur. In städtischen Gebieten sind tausende Frauen wegen Straftaten gegen die öffentliche Ordnung vor Gericht gebracht worden.

Die Islamisten interessiert nur, was Frauen tragen, ob Hose oder Kopftuch. Es interessiert sie nicht, ob ihnen Bildung vorenthalten wird oder ob ihre alltäglichen Bedürfnisse nicht erfüllen werden. Die Islamisten würden weinen, wenn sie eine nackte Frau sehen, aber nicht, wenn sie eine tote Frau sehen, die vor Hunger gestorben ist. Tausende Frauen wurden aus den Kriegsgebieten vertrieben. Und die Islamisten diskutieren ernsthaft darüber, welche Kleidung Frauen tragen sollen, anstatt sich Sorgen zu machen, wie sie Arbeit finden oder ein würdevolles Leben im Sudan führen können.

"Die Jugend will Freiheit und Arbeit"

Ein Prediger hat die DW-Sendung "Shababtalk" beschuldigt, atheistisches Gedankengut zu verbreiten. Wie steht es um die religiöse Toleranz im Sudan?

Wenn es Toleranz gäbe, hätte eine Fernsehsendung nicht für so viel Aufruhr gesorgt. Die sudanesische Regierung will immer noch die Studios des TV-Senders Sudania 24 schließen, der die Talkshow ausgestrahlt hat.

Es ist ein richtiger Schock für die Islamisten im Regime, eine junge Frau wie Weam Shawky zu sehen. Sie gehört zu den jungen Menschen, die im Sudan geboren und aufgewachsen sind und ihre Stimme gegen das Regime erheben. Sie lehnen das Projekt des politischen Islam im Sudan ab. Die Jugend will Freiheit und Arbeit. Sie fordern, dass Frauen gleichberechtigt partizipieren können. Frauen sind die erste Zielscheibe des politischen Islam. Diese Sendung zeigte aber auch das Gesicht der Mitglieder der religiösen Elite im Sudan.

Weam Shawky kritisiert während der Sendung die Belästigung von Frauen im Sudan

Wie würden Sie die Beziehung zwischen den Medien und der Regierung im Sudan beschreiben?

Es gibt keine einzige freie Zeitung oder einen freien Fernsehsender im Sudan. Die Zeitungen "Al-Tajjar" oder "Al-Dscharida" werden von der Regierung daran gehindert, ihre Ausgaben zu vertreiben, und das bei hohen Druckkosten. Die Regierung setzt die Verleger unter Druck. Der sudanesische Sicherheitsapparat kontrolliert alles. Seine Mitglieder besuchen die Redaktionen abends, um zu sehen, was sie am nächsten Tag veröffentlichen wollen. Dasselbe gilt für Fernsehsender. Die Medien im Sudan sind in einem Belagerungszustand. Sudanesische Journalisten haben ihre Geschichte im Ausland erzählt - wie schwer es ist, unter solchen Umständen journalistische Arbeit zu machen.

Die Vereinten Staaten haben vergangenes Jahr Sanktionen aufgehoben, aber Sudans Wirtschaft kämpft weiterhin. Ist die Regierung dafür verantwortlich?

Es gibt ein hohes Maß an Korruption. Die fehlende Transparenz und der Mangel an Demokratie haben der Korruption Tür und Tor geöffnet. Die politische Klasse kontrolliert das Land und hat die Produktion in der Landwirtschaft und dem Bergbau gestoppt. Diese Regierung zerstört die Wirtschaft, in dem sie Kriege auf landwirtschaftlich fruchtbaren Böden führt, wie in Darfur. Die politischen Islamisten und Eliten plündern den Sudan aus.

"Unser Traum ist ein friedlicher Sudan"

Der Sudan braucht einen Paradigmenwechsel. Diese Krise kann nur dann beendet werden, wenn ein neues politisches und wirtschaftliches System eingeführt werden. Erst das wird einen demokratischen Wandel bringen und den Sudanesen eine Wirtschaft bringen, von der die meisten Menschen profitieren.

Wirtschaft am Boden - Alltag in KhartoumBild: picture-alliance/Anadolu Agency/O. Elif Kizil

Was sind die Ziele der Oppositionsbewegung im Sudan?

Unser Traum ist ein friedlicher Sudan. Wir wollen die Diktatur beenden und einen demokratischen Wandel herbeiführen. Wir wollen, dass die Menschen hier selbst regieren und wir fordern gerechte Beziehungen zwischen Zentrum und Peripherie. Wir wollen gleiche Bürgerrechte für alle im Sudan, egal welche Religion, welchen sozialen Status oder welches Geschlecht sie haben.

Wir wollen auch die Beziehungen zwischen dem Sudan und der Welt normalisieren. Momentan haben wir sechs Millionen Sudanesen, die vertrieben wurden, und die brauchen ein würdevolles Leben in ihrem Land. Oder sie werden versuchen, in die EU oder USA zu flüchten. Wir wollen ein System, das den Menschen ein würdiges Leben ermöglicht, mit Bildung und einem Gesundheitssystem. Die derzeitige Regierung gibt weniger als zwei Prozent für das Gesundheitssystem und 70 Prozent ihres Budgets für den Krieg aus. Wenn wir diese Kriege beenden, werden wir endlich Ressourcen für Gesundheit und Bildung haben.

Yassir Arman ist ein führender Oppositionspolitiker im Sudan. Er gehört zur Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM-N).

Das Gespräch führte Wesley Dockery.

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