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PolitikSudan

Sudan: Militär, Milizen, Machthunger

17. April 2023

Die Kämpfe im Sudan gehen zurück auf den Machtkampf der beiden starken Männer im Land: Militärgeneral al-Burhan und Milizenchef Daglo. Ihre Rivalitäten zeigen die schwierige Lage des Landes und die Ohnmacht der Menschen.

Ein Mann betrachtet die Schäden im Inneren eines Hauses in Khartum, Sudan
Die schweren Gefechte im Sudan finden mitten in Wohngebieten statt Bild: REUTERS

Mindestens 185 Tote laut Angaben der Vereinten Nationen - das ist die Bilanz der am Samstag ausgebrochenen Kämpfe zwischen Armee und Paramilitärs, den sogenannten "Rapid Support Forces" (RSF), im Sudan. Hunderte weitere Menschen wurden laut Angaben der Ärztevereinigung Central Committee of Sudan Doctors (CCSD) am Montag dieser Woche in den ihnen zugänglichen Landesteilen verletzt. Inzwischen wird von Kämpfen in mehreren Regionen berichtet. Auch aus der Hauptstadt Khartum werden am Montagmorgen verstärkte Luftangriffe gemeldet.

Sie bekomme wie alle anderen Bewohner der Hauptstadt sehr viel von den Kämpfen mit, sagt Christine Roehrs, Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Khartum. "Sowohl die Einrichtungen des Militärs als auch der RSF liegen mitten in der Stadt. Also wird auch dieser Machtkampf hier ausgetragen, in Wohnquartieren, wo die Menschen normalerweise zum Einkaufen oder in die Schule gehen würden. Überall hört man die Kampfhandlungen, man hat das den ganzen Tag im Ohr", so Roehrs im DW-Interview.

Hintergrund der Zusammenstöße ist der Kampf um die Macht im Land zwischen der sudanesischen Armee unter Kommando von Sudans Machthaber Abdel Fattah al-Burhan und den rivalisierenden RSF von Mohammed Hamdan Daglo. Seit einem Militärputsch im Jahr 2021 wird der Sudan von dem sogenannten Unabhängigen Rat unter Vorsitz von General al-Burhan regiert. Sein Stellvertreter ist der RSF-Kommandeur General Hamdan Daglo, genannt "Hemedti".

Oberkommandierender der sudanesischen Armee: Abdel Fattah al-BurhanBild: ASHRAF SHAZLY/AFP/Getty Images

Eine instabile Allianz

Entzündet hatten sich die Kämpfe anlässlich von Verhandlungen um eine Reform des Sicherheitssektors. Einer der zentralen Streitpunkte war Medienberichten zufolge die Integration der paramilitärischen Miliz in die Strukturen der nationalen Armee. Dies könnte womöglich auch den Verlust von Einfluss bedeuten. 

Letztlich sei die Allianz zwischen den beiden Kontrahenten nie stabil gewesen, so Roehrs. "Wenn es ihren gemeinsamen Interessen genutzt hat, haben sie zusammengearbeitet - so zum Beispiel im Oktober 2021, beim gemeinsamen Putsch gegen die damalige Übergangsregierung. Jetzt hingegen, in der Frage des künftigen Verhältnisses zwischen der Armee und den Milizen, gehen die Interessenslagen auseinander, und die Ex-Partner werden Gegner."

Herr der RSF-Milizen: Mohammed Hamdan Dagalo, "Hemedti"Bild: Mahmoud Hjaj/AA/picture alliance

Verbunden durch Furcht und Gier

Zugleich seien al-Burhan und Daglo einander weiterhin verbunden, sagt Marina Peter, Vorsitzende des Sudan- und Südsudan-Forums e.V. - nämlich durch die Furcht, für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen zu werden. "Beide Männer haben einen militärischen Hintergrund, beide sind Ziehsöhne von Omar al-Baschir, wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise."

Während al-Burhan im Militär eine reguläre Karriere machte, war Daglo Kommandeur der sogenannten Dschandschawid-Miliz, die in den frühen 1980er Jahren im Darfur-Konflikt mit aller Brutalität gegen die überwiegend afrikanischen - also nicht-arabischen - Rebellentruppen und vor allem gegen unbeteiligte Zivilisten vorgingen. Später wurden die Milizen als Söldner auch in Konflikte in Libyen und im Jemen entsandt. "Weite Teile der Zivilgesellschaft fordern, beide zur Verantwortung zu ziehen: Daglo für die Verbrechen im Rahmen des Darfur-Kriegs, al-Burhan hingegen für die im Zuge des Aufstands 2019 gegen Omar al-Baschir. Davor haben beide Angst", so Peter im Gespräch mit der DW. 

Entschlossen: Soldaten der regulären sudanesischen Armee Bild: AFP

Internationale Akteure und ihre Interessen

Zugleich dürfte es den beiden Rivalen auch um die Kontrolle der Bodenschätze gehen. So verfügt der Sudan über beträchtliche Goldvorkommen, an denen auch Russland interessiert ist. "Der Sudan könnte Russlands Schlüssel zu Afrika werden", hatte der damalige Diktator al-Baschir bereits 2017 während eines Treffens mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin erklärt. Damals erhielt das russische Unternehmen M-Invest - dem US-Finanzministerium zufolge eine Deckfirma der Wagner-Gruppe - Schürfrechte für die sudanesischen Minen. Diese werden nun von den RSF zusammen mit M-Invest ausgebeutet.

Auch andere Staaten haben Interessen im Sudan. Die ägyptische Regierung etwa setzt auf eine straff geführte Regierung unter al-Burhan und unterstütze diesen daher, so Marina Peter. Noch Anfang April hatten beide Staaten eine gemeinsame Militärübung absolviert. Zugleich unterstützt Ägypten den Sudan auch humanitär - etwa während der verheerenden Überschwemmungen im Sommer vergangenen Jahres.

Al-Burhans Konkurrent Hemedti hingegen unterhält gute Beziehungen zu Eritrea, Äthiopien sowie zum Jemen, in dem Teile der von ihm geführten Milizen aktiv waren. Durch den gemeinsamen Abbau der Goldminen mit Russland pflegt er ebenfalls enge Kontakte nach Moskau.

Stadt unter Beschuss: ein Satellitenbild von Khartum am 16. April 2023Bild: Planet Labs PBC/AP/picture alliance

Ohnmacht der Zivilgesellschaft

All dies erkläre die Wucht, mit der derzeit gekämpft werde, sagt Christine Roehrs. Sowohl al-Burhan als auch Hemedti gehe es um Macht und Einfluss. "Den Kampf tragen sie auf dem Rücken der Zivilisten aus - und das, obwohl beide wissen, dass sich Millionen von Sudanesen schon 2018 mit der Revolution für Demokratie und gegen Militärherrschaft ausgesprochen haben."

Darum könne man auch nicht von einem drohenden Bürgerkrieg sprechen, sagt Marina Peter. "Dies ist in keiner Weise ein Bürgerkrieg, sondern ein Machtkampf zweier Akteure. Die Zivilgesellschaft hat ja immer weiter versucht, in Richtung demokratischer Reformen zu drängen und hat zu diesem Zweck auch ihre Proteste fortgesetzt." So haben die Demokratie-Aktivisten sowohl die Militärs als auch die Milizen stets als Hindernis für Frieden und Demokratie gesehen. "Jetzt", so Peter, "stehen die Aktivisten und die Zivilgesellschaft zwischen allen Fronten."

 

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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