Sudan und Südsudan erzielen Einigung
27. September 2012 Bis in die Nacht saßen Sudans Präsident Omar al-Baschir (im Artikelbild rechts) und sein südsudanesischer Amtskollege Salva Kiir (2. von links) am Verhandlungstisch, dann die Erleichterung: Immerhin in neun Streitthemen konnten sich die Staatschefs einigen, darunter über die wichtige Frage der Ölproduktion. Auf beiden lastete ein enormer Druck der internationalen Gemeinschaft - einschließlich der Androhung von UN-Sanktionen. Am vergangenen Wochenende war ein entsprechendes Ultimatum ergebnislos verstrichen. Am Ende sagten beide Präsidenten sogar ihre Teilnahme an der UN-Generalversammlung in New York ab, um zumindest ein Teilabkommen zu erzielen. Dieses könnte die seit Monaten brachliegende Ölförderung im Süden wieder ankurbeln.
Es seien Einigungen über einige umstrittene Gebiete erreicht worden, darunter über eine entmilitarisierte Zone, sagten Vertreter beider Länder. Ein entsprechendes Abkommen wurde am Donnerstag (27.09.2012) in Addis Abeba unterzeichnet. Keine Einigung gab es den Angaben zufolge über die erdölreiche Grenzregion Abyei und andere umstrittene Regionen entlang der gemeinsamen, 1800 Kilometer langen Grenze. Ein weiteres Streitthema ist der Aufenthaltstitel von Südsudanesen im Norden und umgekehrt. Der Südsudan hatte sich nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg im Juli 2011 für unabhängig erklärt.
Langwieriges Schiedsverfahren möglich
Auch wenn nun ein Teilerfolg vermeldet wird: beide Parteien und die internationale Gemeinschaft müssen sich auf viele weitere Verhandlungsrunden und möglicherweise ein langwieriges internationales Schiedsverfahren einstellen, weiß der Sudanexperte Karl Wohlmuth von der Universität Bremen: "Wir reden hier von Demarkationsproblemen, es gibt Gebiete, die umstrittenen sind und solche, die von einer Seite beansprucht werden: es gibt also einen ganzen Strauß von Problemen, und selbst wenn es jetzt ein Abkommen gibt, wird es womöglich jahrlange Schiedsverfahren brauchen, bis der Fall beigelegt ist."
Dass die Teileinigung nur ein erster Schritt auf einem langen Weg ist, glaubt auch Sudanexperte Wolf-Christian Paes vom Bonn International Center for Conversion BICC: "Natürlich wäre es wünschenswert, wenn beide Seiten wirklich einlenken würden", so Paes. "Aber wir haben in der Vergangenheit immer wieder erlebt, dass sie sich nach außen einigen, um etwa Sanktionen des UN-Sicherheitsrates zu umgehen, aber in sechs Wochen ist dann alles wieder beim alten, weil die strukturellen Probleme nicht gelöst sind."
Die Rolle Chinas
Es gilt als gesichert, dass neben AU-Chefvermittler Thabo Mbeki und den USA vor allem China hinter den Kulissen Einfluss auf die Gespräche nimmt. In der vergangenen Woche hatte Pekings Afrika-Gesandter Zhong Jianhua erklärt, die Lieferungen südsudanesischen Öls würden voraussichtlich im November wieder aufgenommen. Er schien recht detailliert über die Verhandlungen im Bilde zu sein, nachdem er zuvor den Südsudan gleich dreimal besucht hatte. Dieses Engagement ist ein Zeichen der Abhängigkeit Chinas von sudanesischem Öl - und des schwierigen Grenzgangs Pekings zwischen dem ehemaligen Partner (Nord-)Sudan und dem Süden.
Eine Aufnahme der Ölförderung bereits im November gilt allerdings als sehr optimistisches Szenario. Die Anlagen sind teilweise zerstört, die Rohrsysteme mit Wasser geflutet worden, die Instandsetzung wird dauern. So oder so wird die Regierung in Juba, die sich andauernden Korruptionsvorwürfen gegenüber sieht, froh sein, wenn die Pumpen wieder anspringen. Der Förderstopp hat das Land, dessen Staatshaushalt zu 98 Prozent von Ölexporten abhängt, an den Rand des Bankrotts gebracht. Gleichzeitig ist die Unzufriedenheit der Südsudanesen angesichts explodierender Preise und zweistelliger Inflation rasant gestiegen. Auch in den Städten des Sudan gingen Bürger auf die Straße, um gegen gestiegene Lebenshaltungskosten zu protestieren.
Eine politische Lösung müsse deshalb unbedingt von einem wirtschaftlichen Aufbauprogramm flankiert werden, so Sudanexperte Karl Wohlmuth. "Nur wenn es ein umfassendes Entwicklungsprogramm für die fünf Grenzstaaten in Nord und Süd gibt, wird es einen dauerhaften Frieden geben. Alle anderen Friedensbemühungen werden nicht fruchten, wenn wir nicht die Grenzgebiete als Ganzes betrachten."
Verhandlung mit Rebellen
Parallel zu den Gesprächen unter der Schirmherrschaft des neuen äthiopischen Ministerpräsidenten Hailemariam Desalegn verhandeln in Addis Abeba auch Vertreter der sudanesischen Regierung und Rebellen der SPLA/M-Nord, die vom Süden unterstützt werden. Dies sei neben der Grenzziehung der entscheidende Faktor, glaubt Wolf-Christian Paes vom BICC: "Gelingt es hier, ein Paket zu schnüren, auf das sich die Regierung in Juba einlässt, diese Rebellen nicht mehr zu unterstützen?"
Nicht zuletzt aufgrund der Rebellenübergriffe verschlechtert sich die humanitäre Lage zusehends. Der deutsche UN-Botschafter und amtierende Präsident im UN-Sicherheitsrat, Peter Wittig, hatte vor dem Wochenende seine Besorgnis ausgedrückt: "Wir fordern beide Seiten mit Nachdruck auf, alle notwendigen Schritte für sofortige Hilfe zu unternehmen", so der deutsche Top-Diplomat. Die Bevölkerung müsse sofort mit Lebensmitteln versorgt werden, "damit nicht noch mehr Menschen sterben".